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Christian Lindner, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und Parteivorsitzender, am Tag nach der Hamburg-Wahl.
© dpa/Christophe Gateau

Nach neuer Stimmauszählung: Liberale verpassen Wiedereinzug in Hamburger Bürgerschaft

Die Liberalen scheitern in Hamburg an der Fünf-Prozenthürde. FDP-Chef Christian Lindner kündigt Kursänderungen an.

Die Hamburger Liberalen verpassen den Wiedereinzug Hamburger Bürgerschaft. Nach Angaben des Statistischen Amts für Hamburg und Schleswig Holstein erreicht die FDP nur 4,9 Prozent und bleibt damit knapp unter der parlamentarischen Hürde.

Am Sonntag hatte es zunächst noch so ausgesehen, als könnten die Freidemokraten in der Hansestadt mit 5,0 Prozent erneut ins Landesparlament einziehen. Doch „Auffälligkeiten“ bei der Auswertung der Stimmzettel im Hamburger Stadtteil Langenhorn hatten laut Landeswahlleiter eine Neuauszählung nötig gemacht.

Offenbar hatten Wahlhelfer in Langenhorn am Sonntagabend den Liberalen fälschlicherweise Stimmen der Grünen gutgeschrieben. Dadurch erreichte die FDP in Langenhorn zunächst den ungewöhnlichen Spitzenwert von 22,7 Prozent und in der Hansestadt insgesamt die Fünf-Prozenthürde – ein Wert, der sich am Montag nun als falsch erwies.

Ihre Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels sicherte sich allerdings nach den am Montag vom Landeswahlamt veröffentlichten Ergebnissen über ihren Wahlkreis Blankenese ein Mandat.

Lindner bedauert das „Fiasko von Thüringen“

Dass die Hamburg-Wahl eine Niederlage für seine Partei sei, räumte FDP-Chef Christian Linder am Montag nach der Sitzung des Parteipräsidiums erneut ein. „Wir bedauern als Bundespartei sehr das unbefriedigende Abschneiden der FDP in Hamburg“, sagte er.

Bereits am Sonntag hatte sich Lindner in Berlin kurz nach Schließung der Wahllokale zerknirscht gezeigt. Für die Verluste der Hamburger Liberalen von mehr als zwei Prozentpunkten im Vergleich zu 2015 machte Lindner das „Fiasko von Thüringen“ verantwortlich – die von der AfD gestützte Wahl des FDP-Landeschefs Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten vor drei Wochen. Das habe bei den Wählern „zu einer großen Irritation geführt“, sagte Lindner am Montag. „Wir bedauern sehr, auch als Partei der politischen Mitte, dass bei vielen Menschen der Eindruck entstanden ist, dass die Freien Demokraten keine klare Grenzziehung gegenüber der AfD hätten.“

Lindner kündigte am Montag auch inhaltliche „Justierungen“ an. Es solle „ein Update unseres politischen Leitbildes“ geben, das beim FDP-Bundesparteitag Mitte Mai zur Diskussion gestellt werde. Seit Monaten arbeiten Parteistrategen an dem „Leitbild 2.0“, das neben liberalen Kernthemen wie Digitalisierung und Wirtschaft auch neue Forderungen zum Klimaschutz enthalten soll. Das Programm soll der FDP aus der Krise helfen.

Die FDP bleibt eine „One-Man-Show“

Bislang hatte Lindner jegliche Kurskorrekturen strikt abgelehnt – etwa nach den verlorenen Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen im vergangenen Jahr. Auch den äußerst knappen Einzug der Liberalen in den Erfurter Landtag mit nur 73 Stimmen über der parlamentarischen Hürde im Oktober hatte Lindner noch als großen Erfolg und damit als Bestätigung seines Kurses beschrieben. Nun ist die Situation eine andere.

Zwar muss Lindner sich auch nach dem Thüringen-Debakel und der Hamburg-Wahl keine Sorgen um den eigenen Posten machen – nicht nur, weil sich der Bundesvorstand kürzlich mit überragender Mehrheit hinter ihn gestellt hat. „Es gibt keine Alternative zu ihm“, sagt einer, der das Innenleben der Partei gut kennt. Die Lindner-FDP bleibt eine „One-Man-Show“ mit dem Chef als alleinigen Spitzenvertreter. Das Fehlen echter Konkurrenten sichert ihm die politische Zukunft. Doch Lindners Alleinstellung gilt in der FDP zunehmend als Problem.

FDP „tief gespalten“

So musste Lindner die Thüringen- Krise fast im Alleingang managen – mit mäßigem Erfolg, wie das Hamburg-Ergebnis zeigt. „Er hat die Reißleine zu spät gezogen“, sagt ein Kritiker. Die scharfe Verurteilung der Kemmerich-Wahl hätte unmittelbar und nicht erst am Tag danach erfolgen müssen.

Das sehen allerdings nicht alle so in der FDP. Immer wieder hört man in der Partei von einer „tiefen Spaltung“ der Mitgliedschaft – zwischen jenen, die Kemmerichs Wahl „unfassbar wütend“ gemacht habe und jenen, die dessen Rückzug bedauerten. Auch deshalb dürfte die Liberalen ihr Verhältnis zur AfD noch eine Weile beschäftigen – trotz des FDP-Selbstverständnisses als „Partei der Mitte“.

Paul Starzmann

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