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FDP-Kandidatin Anna von Treuenfels war von den Vorgängen in Erfurt überhaupt nicht erfreut.
© Patrik Stollarz/AFP

Vor der Hamburg-Wahl: Die FDP geht zurück auf Los

Die Liberalen in Hamburg waren von dem Debakel in Thüringen alles andere als begeistert. Für sie wird die Wahl zu einem wichtigen Test.

Jeder, der einmal das Gesellschaftsspiel „Monopoly“ gespielt hat, kennt die Karte „Gehe zurück auf Los“. Wer die zieht, der hat Pech, er muss die Runde von vorne beginnen, seinen Mitspielern das Feld überlassen.

So geht es im Moment auch den Liberalen. Waren sie gerade noch normale Spieler im politischen Wettbewerb, befinden sie sich seit der AfD-gestützten Wahl ihres Parteifreundes Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten vor zwei Wochen plötzlich „zurück auf Los“. Neue Wählerschichten erschließen, frische Themen setzen, im Bund bald mitregieren – all die großen Pläne, die FDP-Chef Christian Lindner zum Jahreswechsel noch verkündet hatte, wirken nach dem „Fehler“ von Erfurt wie weggefegt.

Bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am Sonntag könnte das nun die neun FDP-Abgeordneten in der Hansestadt den Job kosten. Zwischen 4,5 und fünf Prozent stehen die Freidemokraten in den Umfragen. Vor Kemmerichs Wahl waren es noch sieben Prozent, jetzt müssen die Liberalen um den Wiedereinzug ins Landesparlament zittern.

Lindner muss dennoch vorerst keine Konsequenzen befürchten, die ihn treffen. „Personalveränderungen an der Parteispitze werden nicht kommen“, sagt die Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Gerade noch hat sich der Vorstand mit überragender Mehrheit hinter den Vorsitzenden gestellt. Auch Michael Theurer, Landeschef der FDP in Baden-Württemberg, spricht Lindner sein „uneingeschränktes Vertrauen“ aus. Zugleich fordert Theurer, „dass wir die Vorgänge und Nachwirkungen von Thüringen kritisch und umfassend analysieren: Wie war unsere Krisenkommunikation? Wie war das Risikomanagement?“

Denn das Thüringen-Fiasko hat erneut gezeigt, wie groß das Führungsproblem bei den Liberalen ist. Die Lindner-FDP bleibt eine „One-Man-Show“. Im Alleingang musste der Parteichef die Krise managen, Kemmerich zum Rückzug drängen, öffentlich um Entschuldigung bitten. Von anderen Spitzen-Liberalen, wie der Generalsekretärin Linda Teuteberg, war viel weniger zu hören.

Weg von der Lindner-Show

„Wir müssen uns personell und auch inhaltlich breiter aufstellen“, sagt Joachim Stamp, FDP-Landeschef und Integrationsminister in NRW. Er will seine „Erfahrungen als Landesminister künftig stärker in die Bundespartei einbringen“. Theurer wiederum will Öko-Themen in den Vordergrund stellen. „Ich fordere das schon lange“, sagt er. Lindner wollte das einst den „Profis“ überlassen.

In den kommenden Wochen und Monaten wird sich die FDP intensiv mit dem Umweltthema befassen. Der Klimaschutz soll Teil des neuen „Leitbilds“ werden, an dem die Parteistrategen seit Monaten arbeiten. Mit der Thüringen-Krise ist der Programmprozess noch einmal wichtiger geworden. „Die FDP muss dringend in ihrer Positionierung klarer werden“, sagt Theurer. „Da brauchen wir einen Relaunch.“ Schon einmal hat das den Liberalen aus der Krise geholfen. Nach dem Rauswurf aus dem Bundestag 2013 gaben sich die Freidemokraten ein neues Profil, stellten ihre Kernthemen – Wirtschaft, Bildung, Digitales – in den Mittelpunkt. Das führte sie 2017 zurück in den Bundestag. Jetzt soll das „Leitbild 2.0“ – ergänzt um das Klimathema – der angeschlagenen Partei neuen Halt geben.

Verhindern will die FDP damit auch den Rückfall in den alten „Panikmodus“ – die Angst der Liberalen vor dem Scheitern an der Fünf-Prozenthürde, so wie es jetzt in Hamburg droht.

Unabhängig davon wird Thüringen die FDP noch lange beschäftigen. „Es ist eine Diskussion um den Umgang mit der AfD und der Abgrenzung nach rechts von der Spitze bis an die Basis nötig“, sagt Strack-Zimmermann. Ihre Fraktion will dafür Anfang März eine Arbeitsgruppe einsetzen. „Die politische Mitte gegen rechts zu verteidigen ist eine Aufgabe historischen Ausmaßes“, sagt der Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. Vor allem in der West-FDP sieht man das so, im Osten hingegen haben viele Liberale mit der AfD weniger Berührungsängste als mit der Linken.

Auch darüber wird in der FDP zu sprechen sein – und auch über die „Hufeisentheorie“, mit der viele Liberale Linke und Rechte gleichsetzen. Im Parlament müsse man hier stärker differenzieren, fordert Lambsdorff: „So sehe ich nicht, dass die Linksfraktion im Bundestag das Staatswesen in Deutschland zerstören will. Bei der AfD ist das anders.“

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