Plus von 4,3 Prozent: Leistungen für Sozialhilfe so hoch wie nie
Bund, Länder und Kommunen mussten im vorigen Jahr 25 Milliarden Euro für Sozialhilfe ausgeben. Besonders stark stieg die Grundsicherung im Alter. In Berlin wachsen die Ausgaben unterdurchschnittlich.
Die Ausgaben für die Sozialhilfe sind im Jahr 2013 um 4,3 Prozent gestiegen. Sie liegen nun netto bei knapp 25 Milliarden Euro - und damit so hoch wie nie zuvor. In Berlin stiegen die Ausgaben allerdings nur unterdurchschnittlich um 3,7 Prozent. Die Zahlen teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Demnach haben vor allem die Leistungen für die Grundsicherung im Alter und die Hilfen zum Lebensunterhalt (für Nichtarbeitsfähige) stark zugenommen. Die Grundsicherung wuchs um 10,5 Prozent auf fast 5,2 Milliarden Euro, die Hilfe zum Lebensunterhalt um 9,7 Prozent auf jetzt knapp 1,3 Milliarden Euro. Der Zuwachs in Berlin liegt auch hier unter dem Bundesdurchschnitt mit 7,9 beziehungsweise 7,6 Prozent.
Wohlfahrtsverband sieht "Lawine der Altersarmut"
Der Paritätische Wohlfahrtsverband bezeichnete den Anstieg der Ausgaben gegen Altersarmut als "nicht erstaunlich". Er sei darauf zurückzuführen, dass nun die Langzeit- und Mehrfacharbeitslosen der 80er- und 90erJahre ins Rentenalter kämen, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem Tagesspiegel. In zehn Jahren habe sich die Zahl der Altersarmen fast verdoppelt, und dies sei " nur der Vorbote einer Lawine der Altersarmut, die derzeit auf uns zurollt". Statt darauf zu reagieren, habe die Bundesregierung ein "teures Rentenpaket für ohnehin tut abgesicherte Menschen" verabschiedet, sagte Schneider. Sie wäre "besser beraten, dieses Geld zur Bekämpfung der steigenden Altersarmut einzusetzen."
Den höchsten Anteil an den Gesamtausgaben haben allerdings die Eingliederungshilfen für Behinderte mit insgesamt 14 Milliarden Euro. Sie stiegen nur um 2,3 Prozent. Die Hilfen zur Pflege (3,3 Milliarden Euro) und die Hilfen zur Gesundheit (745 Millionen Euro) stiegen ebenfalls unterdurchschnittlich. Die Hilfen für die "Überwindung schwieriger Lebenslagen" nahmen um 5,3 Prozent auf 442 Millionen Euro zu. Damit legten die Ausgaben für Sozialhilfe, für die zum großen Teil die Kommunen aufkommen müssen, im vergangenen Jahr stärker als die Preise und die Einkommen.
Der Deutsche Städtetag beklagte die "stetig steigenden Ausgaben" der Kommunen für Sozialleistungen. In diesem Jahr würden sie sich voraussichtlich erneut um 3,8 Prozent erhöhen, sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus dem Tagesspiegel - von 47 auf 48,7 Milliarden Euro. Und bis 2017 werde ein Anstieg auf mehr als 54 Milliarden Euro erwartet, also im Schnitt rund 1,9 Milliarden Euro jährlich. Angesichts dieser Dynamik sei "die Zusage der großen Koalition so wichtig, die Kommunen um fünf Milliarden Euro pro Jahr bei den Sozialausgaben zu entlasten", sagte Articus. "Diese Entlastung sollte noch in dieser Legislaturperiode in den kommunalen Haushalten wirksam werden."
311 Euro je Einwohner
2013 wurden nach Angaben der Statistiker in Deutschland für die sechs Formen der Sozialhilfe 311 Euro je Einwohner im Jahr aufgewendet. In den Stadtstaaten, wo sich die sozialen Probleme stärker ballen, liegen sie deutlich höher: in Hamburg bei 494 Euro, in Bremen bei 488 Euro, in Berlin bei 478 Euro. In Westdeutschland liegen die Ausgaben bei 321 Euro je Einwohner, im Osten sind es 268 Euro. Die höchste Summe beiden Flächenländern verzeichnet Nordrhein-Westfalen mit 368 Euro je Einwohner, die niedrigste Sachsen mit 159 Euro. Die Unterschiede erklären sich auch dadurch, dass die Länder und ihre Kommunen ganz unterschiedlich verfahren. So liegen etwa die Kosten für die Eingliederungshilfe je Fall in Bremen beim Vierfachen dessen, was Sachsen ausgibt.
Wer übernimmt was?
Die neuen Zahlen könnten auch Folgen haben für die gerade laufenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern um eine neue Finanzverteilung. Die Grundsicherung im Alter, die den höchsten Zuwachs hat, hat der Bund mittlerweile komplett übernommen, was auf eine deutliche Entlastung der Kommunen hinausläuft. Die schwarz-rote Koalition im Bund hat im Koalitionsvertrag zudem vereinbart, auch den dicksten Brocken zu übernehmen, die Hilfen für Behinderte, die stärker als andere Sozialhilfen auf den Einzelfall zugeschnitten sind. Damit würden Länder und Kommunen mittelfristig ebenfalls stark entlastet. Allerdings gibt es mittlerweile Zweifel, jedenfalls im Bundesfinanzministerium, ob dieser Schritt wirklich klug wäre - denn die Verwaltung der individuellen Eingliederungshilfen ist für den Bund nicht einfach. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat daher den Vorschlag gemacht, dass der Bund eher die Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose übernimmt, deren Grundsicherung er seit der Einführung von Hartz IV ohnehin bezahlt. Bislang galten zudem die Eingliederungshilfen als besonders dynamisch, was die Kostensteigerung betrifft - der Zuwachs 2013 war allerdings vergleichsweise niedrig.
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