„Große Sorgen um meine Kinder“: Lauterbach sieht sich täglich Drohungen ausgesetzt
Corona-Gegner wollten den Gesundheitsminister entführen. Lauterbach bleibt unbeirrt, sagt aber: „Wir hatten noch nie eine so große Gruppe von Staatsfeinden.“
Karl Lauterbach (SPD) steht als Gesundheitsexperte seit Pandemiebeginn im Fokus, polarisiert wie kaum ein anderer in der Coronavirus-Krise. Mehrfach hatte er bereits über Drohungen gegen sich berichtet. Doch nun ist eine neue Dimension erreicht – und der Bundesgesundheitsminister sorgt sich vor allem um seine Kinder. „Ich bin selber kein ängstlicher Mensch. Ich habe aber große Sorgen um meine Kinder. Und es tut mir natürlich weh, dass meine Kinder Angst um mich haben. Es ist nicht richtig, wenn Kinder lesen müssen, dass Radikale ihren Vater entführen wollten“, sagte Lauterbach der „Bild am Sonntag“ (BamS).
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Mitglieder einer bundesweiten Telegram-Chatgruppe aus „Reichsbürgern“ und radikalen Gegnern der Corona-Politik, so genannte „Querdenker“, Sprengstoffanschläge und die Entführung Lauterbachs geplant hatten. Bei bundesweiten Durchsuchungen wurden zuvor vier Beschuldigte festgenommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer „schwerwiegenden terroristischen Bedrohung“.
Der Minister hat vier erwachsene Kinder und eine Tochter im Teenageralter. „Ich spüre die Bedrohung leider täglich“, sagte er. Häufig werde ihm Gewalt angedroht, er stehe auf diversen Todeslisten. „Auch bei Auftritten wie kürzlich in Mülheim werden Störer manchmal so aggressiv, dass ich nur unter massivem Polizeiaufgebot reden kann. Und als ich von dort wieder wegfahren wollte, gab es Straßenblockaden der Impfgegner. Meine Privatadressen in Köln und Berlin haben Corona-Leugner öffentlich gemacht. Seither gibt es fast jeden Montag Aufmärsche vor beiden Wohnungen. Es gab Vandalismus, die Häuser wurden besprüht, mein Privatauto beschädigt.“
Lauterbach versucht, mit der Situation „möglichst professionell“ umzugehen, sein Büro arbeite eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen: „Jede Gewalt- und Mordandrohung bringe ich zur Anzeige. Ich bekomme sie auf allen Wegen, per E-Mail, per Post, Drohungen werden in meine Briefkästen gelegt.“ Er lese die Hasspost aber nicht selbst, sondern übergebe die Schreiben an Mitarbeiter, die sie prüften. Er unterschreibe die Anzeigen dann nur. „Die Hass-Täter wollen mir Angst machen, mich einschüchtern. Das lasse ich nicht zu“, sagte er.
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„Alleine in Köln gibt es aktuell 98 eingeleitete und laufende Ermittlungsverfahren, in 65 Fällen wurde die Identität der Täter ermittelt“, so der Minister. „Ich mache das so konsequent, weil ein Impfgegner, der mir Gewalt androht, wahrscheinlich auch seinen Bürgermeister oder Stadtrat bedroht. Eine erfolgreiche Anzeige von mir kann auch andere schützen.“ Auf die Frage, ob es schon Verurteilungen gegeben habe, sagte er: „Ja. Und zwar ziemlich viele. Wir bringen Drohungen und Hass-Postings nur zur Anzeige, wenn sie eindeutig sind.“
Ohne Personenschutz kann Lauterbach nach eigenen Angaben weder einen Spaziergang machen noch Essen gehen: „Ich würde mich selbst gefährden, aber auch andere, mit denen ich essen gehe oder die zufällig in meiner Nähe sind. Ich lasse deshalb den notwendigen Schutz zu. Als wahrscheinlich erster Gesundheitsminister bin ich daher im Moment leider in die höchste Sicherheitsstufe eingruppiert.“ Die BamS schreibt, das Bundeskriminalamt, das Lauterbach bewacht, setze neben den erkennbaren Bodyguards auch noch Zivilschützer ein.
Lauterbach sagte weiter, aus seiner Sicht gebe es in Deutschland inzwischen eine signifikante Gruppe von Gegnern der Demokratie, für die die Proteste gegen die Pandemie-Politik nur Mittel zum Zweck seien: „Wir hatten noch nie eine so große Gruppe von Staatsfeinden. Die wollen das Vertrauen in den Staat aushöhlen und ihn stürzen. Das sind Demokratie-Gegner. In der Pandemie haben sie viele Corona-Demonstrationen gekapert.“
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Faeser sagte dem Blatt, die Entführungspläne gegen Lauterbach, die Vorbereitung von Anschlägen und die gewaltsamen Umsturzfantasien zeigten eine neue Qualität der Bedrohung. Der Anstieg von Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger zeige eine Verrohung und eine Verachtung von Staat und Demokratie, die konsequentes Handeln erfordere. „Wir sind äußerst wachsam. Und wir lassen uns nicht einschüchtern.“
Lauterbach ist nicht der einzige Gesundheitsminister, der von ständiger Bedrohung berichtet. In Österreich trat Wolfgang Mückstein (Grüne) Anfang März von seinem Posten zurück. Er begründete dies mit persönlicher Belastung sowie Anfeindungen und Bedrohungen gegen sich und seine Familie. Wenn man das Haus nur noch unter Polizeischutz verlassen könne, halte man das nicht lange aus, sagte der 47-jährige Vater von zwei Töchtern. Er könne nicht mehr täglich 100 Prozent leisten. „Damit werde ich meinen Ansprüchen nicht mehr gerecht.“