Der unterschätzte Kandidat: Wieso Laschet erst kurz vor Entscheidung der K-Frage triumphieren könnte
Der NRW-Ministerpräsident will erst CDU-Chef werden, dann Kanzlerkandidat. Seine Trumpfkarte: Es soll im Bund laufen wie einst im Land.
Buchvorstellungen können einsame Veranstaltungen sein in diesen Tagen. Eine dunkle Bühne, kein Publikum, ein Livestream, die Fragen werden von fern gestellt. Keine Atmosphäre, nirgends. Aber Armin Laschet steht das Ereignis, das keines ist, tapfer durch.
Er soll an diesem Freitag ein Buch über Markus Söder vorstellen, so wie Söder kürzlich eines über Laschet vorgestellt hat. Zwei Redakteure der „Süddeutschen Zeitung“ haben es verfasst. In der Erstauflage ist diese Söder-Beschreibung schon 2018 erschienen (Untertitel: „Politik und Provokation“), die Neuausgabe kommt jetzt heraus (Untertitel: „Der Schattenkanzler“).
Laschet soll also über den Kollegen in der Runde der Ministerpräsidenten reden, der vielleicht der Konkurrent ist, wenn es um die Kanzlerkandidatur der Union geht. Das ist schon keine ganz einfache Aufgabe. Aber Laschets Problem ist ja, dass er, um zu werden, worüber man im Falle Söders schon seit Monaten diskutiert und spekuliert, erst einmal CDU-Chef werden muss beim Parteitag im Januar. Doch da hat er keineswegs die Nase vorn.
Dass der alte Haudegen Wolfgang Schäuble, immer noch eine gewichtige Stimme bei den Christdemokraten, im vorweihnachtlichen Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen“ erklärt, ein CSU-Kanzlerkandidat sei denkbar, klingt auch nicht angenehm. Aber das galt nicht allein Laschet, der das formell genauso sieht - die Kanzlerkandidatur war schon immer ein gemeinsamer Beschluss der Schwesterparteien.
Schäubles Bemerkung war ein Appell an die ganze CDU. „Jeder CDU-Vorsitzende muss geeignet sein, Kanzlerkandidat und Kanzler zu werden – und muss es wollen“, sagt Schäuble. „Aber es kann auch ein anderer werden. Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber von der CSU waren bekanntlich ebenfalls Kanzlerkandidaten.“
Aber eben nicht Kanzler. Doch das muss Schäuble nicht erwähnen, um verstanden zu werden. Alle in der CDU wissen, dass die CSU-Kandidaten das Ergebnis der Spaltung im eigenen Laden waren: 1980 schieden sich die Geister an Helmut Kohl, 2002 an Angela Merkel.
Spaltung droht der CDU auch, wenn sich im Januar kein klarer Sieger im Wettstreit der drei Kandidaten Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen herausschält. Merz hat einen gewissen Vorsprung, doch er polarisiert. Röttgen hat aufgeholt, er polarisiert nicht, gilt aber als zu unbestimmt. Und Laschet? Er wäre der Mann für das eine wie das andere Amt, aber er hängt noch immer gewaltig durch. Weshalb es letztlich an ihm liegt, ob Söder eine Chance bekommt.
Laschet muss sich präsentieren
Also verläuft die Vorstellung des Söder-Buches eher wie eine Präsentation des Zweifachkandidaten Laschet. Er muss die Definitionshoheit wiedererlangen für die CDU-interne Wahl im Januar. Ob er Kanzler könne, fragt die Moderatorin. Ja. „Jeder Ministerpräsident eines großen Landes kann Kanzler sein.“
Das gilt für ihn wie für den Bayer, aber nicht für Merz und Röttgen. „Wenn man die Kanzlerkandidatur anstrebt, dann sollte man regiert haben und auch Wahlen gewonnen haben“, fährt Laschet fort. Das gilt wieder für ihn wie für Söder – und für die beiden anderen nicht. Für Merz sowieso, und Röttgen war zwar Bundesminister, hat aber mal eine NRW-Wahl vergeigt.
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Doch was trennt nun Laschet und Söder? Es sind die Umfragewerte. Der CSU-Chef liegt im ZDF-Politbarometer beispielsweise deutlich vor Laschet, der wiederum klar vor Merz rangiert – in der Gesamtbevölkerung, die beim Wählen von Kanzlern Vorrang vor der CDU-Basis hat.
Vor beiden liegt zwar Gesundheitsminister Jens Spahn, wenn auch nur knapp vor Söder. Aber Spahn kämpft im Team mit Laschet, vorerst jedenfalls. Und er hat auch noch keine Wahl gewonnen, die Regierungserfahrung ist moderat – nach Laschets Kriterien fällt er somit durch.
„Wird nicht in Allensbach entschieden“
Um seinen Rückstand in den Umfragen wegzudeuten – CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur würden „nicht in Allensbach entschieden“ -, kommt Laschet gern auf seinen Wahlsieg in NRW zu sprechen. Gegen eine populäre Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Trotz eines Rückstandes seiner CDU in den Umfragen bis fast zur Wahl hin. Seine Trumpfkarte, es klingt paradox, ist nicht Kreuz-As, sondern Karo-König. Er ist der unterschätzte Kandidat, auf den man erst kurz vor der Entscheidung verfällt. Das ist die Rolle, die ihm verblieben ist. Angela Merkel ist, nebenbei gesagt, auch so ähnlich in den Parteivorsitz und das Kanzleramt gekommen.
Laschet setzt darauf, auch nach einem nur knappen Sieg im Januar als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen zu können. Die Entscheidung darüber soll spät, aber nicht zu spät fallen. Söder hat mal den Mai vorgeschlagen. Schäuble nennt nun einen Termin „zwischen Ostern und Pfingsten“, also im April oder Mai. Sechs Monate vor der Wahl, das war Spahns Vorschlag.
Wann klärt man die KK-Frage?
Laschet selbst bringt am Freitag ins Gespräch, die Frage frühestens nach den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu klären. Die sind am 14. März. Dann hätte er genügend Zeit, um nach einem Erfolg im Januar seine Partei hinter sich zu vereinen. Und dann ab Ende März, um die Wähler daran zu gewöhnen, dass er nun Merkel ersetzen will.
Schäuble war da wieder ein bisschen fies im Interview. Es sei für jeden Kandidaten schwer, sich neben „einer so starken Kanzlerin“ zu behaupten. Je kürzer der Zeitraum, je besser. Am besten wäre dann natürlich, der frisch gekürte CDU-Chef würde gleich Kanzler. Aber ein solches Szenario ist nicht zu erkennen. Weshalb der andere CDU-Haudegen Volker Bouffier wohl unlängst meinte, die Kanzlerkandidatenfrage sollte am besten gleich im Januar geklärt werden.
Wie auch immer: Laschet muss kämpfen und bangen, erst bis Januar, dann vielleicht bis März oder April oder bis Mai. Söder kann abwarten. Bis Mai oder März. Möglicherweise auch nur bis Januar, falls Laschet dann schon verloren hat.