Am Ende eines schmutzigen Machtkampfs: Laschet hat die Kanzlerkandidatur auch seinem Dickkopf zu verdanken
Armin Laschet hat sich in der K-Frage durchgesetzt. Doch die Bevölkerung traut ihm wenig zu, durch die CDU läuft ein Riss. Wie konnte es soweit kommen?
Man hat ihn vor den Kameras viel lächeln sehen in der letzten Woche. Es wirkte tapfer, aber auch realitätsfern angesichts dessen, was los war in der Union. Auch nach der desaströsen Fraktionssitzung in der vergangenen Woche, als sich etwa zwei Drittel der Redner für Markus Söder ausgesprochen hatten, schaute Armin Laschet weiter freundlich drein. Kein Problem, sollte das signalisieren, mir geht es gut. Und: Ich gebe nicht auf. Es wirkte schmerzbefreit.
Jetzt ist der Machtkampf vorerst entschieden. Armin Laschet wird tatsächlich Kanzlerkandidat der Union. Aber was für einer? Er weiß, dass ein Teil seiner Partei und auch der Fraktion ihn nicht wollte. Der Riss verlief mitten durch die CDU. An der Basis rumort es. Die Deutschen trauen Laschet wenig zu, viele halten ihn nicht für führungsstark oder kanzlertauglich. Und im Wahlkampf wird es immer den anderen geben. Den Franken, der sich womöglich weiter in seinen Umfragewerten sonnen wird, der ewige Wäre-besser-gewesen-Kandidat.
Wie konnte es soweit kommen? Und kann Laschet diesen Wahlkampf überhaupt gewinnen?
„Sag den Leuten, sie können dir vertrauen“
Es war Mitte Januar, als Laschet mit seiner Rede auf dem virtuellen CDU-Parteitag seinen Parteifreunden Respekt abnötigte. Er hatte viel über Zusammenhalt und Vertrauen geredet. Und dann erzählte Laschet von seinem Vater, der als Bergmann viele Jahre unter Tage gearbeitet hatte. Dort habe man sich vertrauen müssen, egal wo man herkam. Wenn alle wieder wohlbehalten über Tage angekommen waren, dann hätten die Bergmänner ihre Erkennungsmarke oben an den Nagel gehängt. Diese trage sein Vater heute noch am Schlüsselbund, als Erinnerung an das Vertrauen, das er unter Tage gelernt habe, erzählte Laschet.
Und dann trat Laschet neben das Rednerpult und hielt diese kleine goldene Marke in die Kamera. Die Nummer 813 stand darauf. Sein Vater habe sie ihm als Glücksbringer mitgegeben. Er habe gesagt: „Sag den Leuten, sie können dir vertrauen.“
Gut möglich, dass Laschet mit dieser Rede noch einmal unentschiedene Parteifreunde von sich überzeugt hatte. In der Stichwahl setzte er sich gegen seinen Rivalen Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz durch. Und man konnte sich schon vorstellen, wie Laschet solche Geschichten auch im Wahlkampf erzählen würde – wenn er denn Kanzlerkandidat würde.
Laschet versäumte es, beim Wähler zu punkten
Schon damals war klar: Die Umfragen sind ein Problem für Laschet. Schon damals konnten sich viele in seiner Partei einen Kanzlerkandidaten Markus Söder vorstellen, der sich über glänzende Beliebtheitswerte freuen konnte. Laschet, so hieß es immer wieder, würde an seinen Umfragewerten arbeiten müssen. Doch der NRW-Ministerpräsident tat in den Monaten darauf wenig, um die Öffentlichkeit für sich einzunehmen.
Er bemühte sich, die Partei hinter sich zu versammeln. Schaltete sich etwa in virtueller Runde mit den ostdeutschen Landeverbänden zusammen und punktete dort mit seinen Zuhörqualitäten. Oder bei einem virtuellen Treffen mit mehr als 100 CDU-Kreisvorsitzenden. Aber Laschet versäumte es offenbar, sich gleichzeitig nach außen hin zu vermarkten, beim Wähler zu punkten.
Stattdessen gab es Irritationen: Etwa nach den verlorenen Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, als Laschet am Wahlabend nicht einen öffentlichen Auftritt hatte. Viele fragten: Wo ist der CDU-Chef? Es hieß dann bei den Christdemokraten, dass ja auch unter Merkel als CDU-Chefin am Abend von Landtagswahlen stets der Generalsekretär das Ergebnis bewertet hätte. Aber Laschets Abwesenheit fiel trotzdem auf.
Söder verhagelt den Befreiungsschlag
Ende März endlich versuchte Laschet einen Befreiungsschlag. Er hielt eine Rede zum Start der Beteiligungskampagne zum CDU-Wahlprogramm. Die Rede sollte genau jene Aufbruchstimmung vermitteln, die manchen Kollegen bislang fehlte. Laschet rief für Deutschland ein „Modernisierungsjahrzehnt“ aus. Die Pandemie habe die Schwächen der Bundesrepublik offengelegt: zu viel Bürokratie, zu wenig Flexibilität. „Wir können Veränderung, doch wir sind in den letzten Jahren zu bequem geworden, denn Veränderung ist immer unbequem.“ Es war auch eine deutliche Kritik an der Ära Merkel.
Zu einer anschließenden Gesprächsrunde hatte Laschet „Macher und Macherinnen“ aus verschiedenen Bereichen eingeladen. Auch er selbst sollte als Macher dastehen: Laschet, der Modernisierer und Moderator. Doch viel blieb davon nicht übrig. Denn sein Konkurrent Söder verhagelte ihm den Aufschlag: Fast zeitgleich nutzte der eine Pressekonferenz zur bayerischen Impfstrategie für einen Seitenhieb auf Laschet. Es sei „seltsam“, sagte Söder, wenn der CDU-Chef ein halbes Jahr vor der Wahl in der Corona-Politik mit der CDU-Kanzlerin streite.
Freundlich, aber unsouverän
Gemeint war die Kritik, die die Kanzlerin in der Talkshow von Anne Will geäußert hatte. Sie hatte Laschet dafür kritisiert, dass er in Nordrhein-Westfalen die von der Bund-Länder-Runde beschlossene Corona-Notbremse nicht konsequent umsetzte. Diese Kritik war ohnehin ein Tiefschlag für Laschet - hatte er doch versucht, das Image loszuwerden, das er sich in den Anfangstagen der Pandemie eingefangen hatte: das des Lockerers, des Zauderers, der keinen konsequenten Kurs in der Pandemiebekämpfung fuhr. Und nun vermieste ihm Söder mit seinem Seitenhieb auch noch seinen Auftritt mit den „Macherinnen und Machern“.
Am selben Abend Laschets Auftritt bei Markus Lanz. Da sitzt Armin Laschet, redet über die Coronakrise, die Impfungen. Der Moderator setzt zum Angriff an. Er konfrontiert den Ministerpräsidenten mit der Kritik der Kanzlerin. Laschet legt die Fingerspitzen aneinander, blickt nach oben, trinkt einen Schluck Wasser. Lanz insistiert: Das war doch kein Zufall, diese Kritik der Kanzlerin. „Nein“, widerspricht Laschet. „Ich kenne sie so gut, wir haben so ein gutes Vertrauensverhältnis, ich bin sicher, sie wollte damit keinen Schaden auslösen.“ Er wirkt freundlich, aber unsouverän.
Immer größer wird in diesen Tagen der Wunsch auch in der CDU nach einem anderen Kanzlerkandidaten. Mitglieder in der Unionsfraktion im Bundestag äußern sich offen pro Söder. Ihnen dämmert: Wenn Laschet Kanzlerkandidat wird, dann könnte das viele Abgeordnete ihr Mandat kosten.
Dass Laschet sich dann nach Ostern weder mit einer Forderung nach einem „Brückenlockdown“ noch mit seiner Forderung nach einer vorgezogenen Ministerpräsidentenkonferenz durchsetzen kann, verstärkt den Autoritätsverlust des CDU-Chefs.
Der Machtkampf ist hässlich geworden
Es folgt der Showdown. Sonntag gut vor einer Woche: Söder sagt erstmals offen, dass er Kanzlerkandidat werden will. Erklärt aber, wenn die CDU ihn nicht wolle, werde er das akzeptieren. Montag: Der CDU-Vorstand und das CDU-Präsidium sprechen sich – trotz Zweifeln, trotz der Umfragelage – für Laschet aus. Am Abend wird klar, dass Söder sich an sein Wort nicht hält. Er will Kanzlerkandidat werden, sieht sich durch die Basis und die Stimmung in der Bevölkerung legitimiert.
Dienstag: Fraktionssitzung der Union im Bundestag. Rund zwei Drittel der Redner sprechen sich für Söder aus. Donnerstag: Der erste Ministerpräsident der CDU kippt. Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt sagt, es gehe nicht um Vertrauen oder Charakter. Er will die K-Frage an die Umfragewerte knüpfen. Freitag: Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans von der CDU äußert sich ähnlich. Und wenn Kreisvorsitzende von der Stimmung an der Basis berichten, heißt es immer wieder: Die Mitglieder wollten Söder.
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Die CDU ist auf den kalkulierten Regelbruch von Söder nicht vorbereitet. Es gibt keinen Fahrplan für diesen Fall. Aber die CDU-Spitze will sich den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur nicht nehmen lassen, die CDU ist schließlich die größere Schwesterpartei. Auch will man nicht gleich den nächsten Vorsitzenden verschleißen.
Es laufen die Laschet Unterstützer auf: Daniel Günther aus Schleswig-Holstein. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Gesundheitsminister Jens Spahn. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Laschets Unterstützer verweisen gern auf die Vorzüge des CDU-Chefs: Er sei kompromissfähig, könne integrieren und einen, man könne ihm vertrauen.
Söder wird in internen Debatten von Laschet Unterstützern unterstellt, er sei charakterlich nicht geeignet. Es wird auch darauf verwiesen, wie er früher die AfD Vokabel vom Asyltourismus übernahm, während Laschet in der Flüchtlingspolitik schon immer an der Seite der Kanzlerin stand. Es ist ein chaotischer Prozess mit vielen Telefonaten und Gesprächen, an dessen Ende die CDU-Vorstandssitzung am Montagabend stand, wo sich Laschet 31 zu neun Stimmen durchsetzt. Söder hat das Ergebnis akzeptiert.
Er sei wie eine Gummiwand, heißt es
Dass Laschet jetzt Kanzlerkandidat ist, hat er auch seiner eigenen Dickköpfigkeit zu verdanken. Er wirkte zwar auch immer wieder unsicher, angefasst in den letzten Wochen. Aber er ließ sich nicht in seinem Wunsch beirren, Kanzlerkandidat werden zu wollen. Nicht von den desaströsen Umfragewerten. Nicht von dem verheerenden Stimmungsbild in der eigenen Fraktion. Die „Bild“ zitierte vergangene Woche Gegner Laschets, die sagen, er habe die Eigenschaften einer Gummiwand. Werde gehauen, getreten, bespuckt und beschimpft – und reagiere nicht. Positiv könnte man sagen: Laschet hat Durchhaltevermögen.
Jetzt ist der CDU-Chef ein Kanzlerkandidat, dem viele in den eigenen Reihen nichts zutrauen. Er muss die Basis von sich überzeugen, Teile der Fraktion und er kann nur hoffen, dass der Machtwille der Union und die Angst vor dem Verlust des Kanzleramts, die Reihen wieder schließt. Der Kandidat wird auch viel Überzeugungsarbeit ins Volk hinein leisten müssen.
Laschet verweist gern auf Helmut Kohl
Laschet selbst erinnert seine Zweifler gern an Altkanzler Helmut Kohl. Den habe man anfangs ebenfalls unterschätzt, sich lustig gemacht. „Er war nachher ein sehr großer Kanzler“, sagte Laschet vergangenes Jahr im Gespräch mit dem „Spiegel“-Journalisten Markus Feldenkirchen.
Bei anderen Gelegenheiten verweist Laschet darauf, dass vor der letzten Landtagswahl in NRW nur wenige daran geglaubt haben, dass er die SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schlagen könnte. Doch am Ende hatte er es geschafft. Laschets Botschaft ist klar: Unterschätzt mich nicht.
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