USA und Islamischer Staat: Langwierige Diplomatie eignet sich nicht für den Wahlkampf
Clinton und Trump wollen den IS stärker bekämpfen. Wie das funktionieren soll, sagen beide bisher nicht.
Die Parteitage von Republikanern und Demokraten in den USA sind vorüber, das Rennen zwischen Donald Trump und Hillary Clinton ist offiziell eröffnet, das Land erwartet einen erbitterten Kampf um das Weiße Haus. Bei einem wichtigen Thema liegen Trump und Clinton allerdings so nahe beieinander, dass sich schon jetzt die Konturen der künftigen US-Politik in diesem Bereich abzeichnen: In Syrien dürften die USA nach der Wahl im November den militärischen Druck auf den „Islamischen Staat“ (IS) verstärken – doch der syrische Präsident Baschar al Assad muss sich wohl keine großen Sorgen machen.
Wie in Europa ist der IS auch in den USA zum Inbegriff der extremistischen Bedrohung für den Westen geworden. Das Massaker von Orlando vom Juni, bei dem ein mutmaßlicher IS-Anhänger 49 Gäste einer Homosexuellen-Bar erschoss, hat die Furcht vor einem Überschwappen der Terrorwelle verstärkt. Im Wahlkampf zwischen Trump und Clinton spielen die Verunsicherung der Bevölkerung, die Einwanderungsfrage und der Komplex „Recht und Ordnung“, wie Trump es nennt, zentrale Rollen.
Bodentruppen gegen den IS
Beide Kandidaten haben deutlich gemacht, dass sie den IS stärker als bisher in die Zange nehmen wollen. Wie nicht anders zu erwarten, prescht Trump besonders weit vor. Der Rechtspopulist verspricht die Entsendung von bis zu 30.000 Soldaten nach Syrien. „Wir werden die Barbaren des IS besiegen, und wir werden sie rasch besiegen“, sagte Trump beim Republikaner-Parteitag. Details nannte Trump nicht, doch seine Formulierungen schließen die Möglichkeit der Stationierung von Bodentruppen ein. Wie ein Präsident Trump eine solche massive Intervention gegen die Interessen von Assads Schutzmacht Russland durchsetzen will, bleibt vorerst sein Geheimnis.
Clinton ist vorsichtiger, doch auch sie will den IS stärker unter Druck setzen. Mit Blick auf die Kriegsmüdigkeit in den USA nach den Missionen in Afghanistan und Irak betont die Demokratin, sie wolle nicht schon wieder zehntausende Kampftruppen in den Nahen Osten entsenden. Statt dessen will sie den Kampf gegen den IS mit intensivierten Luftangriffen und besserer Geheimdienstarbeit führen. Obwohl die Kandidatin ähnlich wie der scheidende Amtsinhaber Barack Obama einen massiven Bodentruppeneinsatz ablehnt, würde eine Präsidentin Clinton mehr US-Spezialeinheiten nach Syrien und in den Irak schicken, um dem IS zu Leibe zu rücken. Zudem fordert sie die Einrichtung von Flugverbotszonen, um Assads militärischen Spielraum einzuengen – doch ebenso wenig wie Trump hat sie bisher erläutert, wie das angesichts der russischen Präsenz in Syrien funktionieren soll.
Politische Lösung ja, Plan nein
Weder Clinton noch Trump präsentieren einen Plan, mit dem der Konflikt an sich angegangen und angesichts von 400.000 Toten und fünf Millionen Flüchtlingen eine politische Lösung der Krise durchgesetzt werden könnte. Trump wetterte beim Parteitag gegen die Versuche in der Vergangenheit, im Nahen Osten amerika-freundliche Regierungen zu installieren – eine Kritik an der Politik seiner Widersacherin Clinton als frühere US-Außenministerin, aber auch am Irak-Feldzug des republikanischen Präsidenten George Bush. Clinton fordert zwar eine politische Lösung, sagt aber wenig darüber, wie sie diese erreichen will.
Hinweise auf schwierige diplomatische Bemühungen und den langwierigen Kampf gegen eine brutale Terrororganisation eignen sich nicht für einen Wahlkampf, in dem sich beide Lager als zupackend und effizient im Kampf gegen den IS darstellen wollen. Es bleibt deshalb den Profis von außerhalb der Politik überlassen, auf die raue Wirklichkeit in Syrien hinzuweisen. US-Geheimdienstkoordinator James Clapper sagte der „Washington Post“, die Politiker hätten „nur schlechte Optionen“ vor sich. Die Lage sei überaus kompliziert, so dass es keine einfachen Lösungen gebe. Die Amerikaner müssten sich auf einen langen Kampf gegen Gruppen wie den IS einstellen, sagte Clapper. Instabilität und Gewalt würden künftig zum Normalfall. Doch diese unbequeme Realität dürfte für die Spitzenpolitiker erst nach dem Wahltag am 8. November wieder eine Rolle spielen.