Orlando-Massaker und US-Wahlkampf: Clinton und Trump streiten um Lehren aus Orlando
Profitiert der Republikaner Donald Trump vom Massenmord an Homosexuellen in Florida? Seine demokratische Kontrahentin Hillary Clinton setzt einen scharfen Politikkontrast. Ein Kommentar.
Jetzt geht die Sorge um. Die Sorge, dass der Massenmord an Homosexuellen in Orlando, verübt von einem Muslim, politisch Donald Trump zugute kommen werde. Ungeachtet der tatsächlichen Umstände der Tat wirke sie auf den ersten Blick wie eine Bestätigung seiner Wahlkampfthemen: Der angeblich unkontrollierte Einlass von muslimischen Zuwanderern werde zur Gefahr für US-Bürger und mache ein Einreiseverbot für Muslime nötig. Hillary Clinton habe es viel schwerer, eine überzeugende Botschaft zu kommunizieren, sie sei in der Defensive.
Derzeit ist freilich offen, ob Amerikas Wählerschaft mehrheitlich so reagiert. Bei früheren Massenschießereien, zum Beispiel 2011 bei einer Wahlkampfveranstaltung der demokratischen Abgeordneten Gabby Giffords in Tucson, Arizona, erwies sich der Versuch, eine solche Bluttat politisch zu instrumentalisieren, als Fehler. Viele US-Bürger empfinden das als unpassend. Sie wollen zunächst die Opfer betrauern. Die Frage nach politischen Konsequenzen, zum Beispiel Änderungen des Waffenrechts, gilt erst später als angemessen.
Donald Trump und Hillary Clinton hatten diese Gefahr, dass man ihnen eine politische Instrumentalisierung vorwerfen könne, offenkundig im Blick, als sie bei Wahlkampfauftritten über das Verbrechen von Orlando sprachen.
Beide bekundeten zunächst ihr Mitgefühl mit den Opfern und ihren Familien. Beide betonten ihre Solidarität mit der "LGBT Community", also Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen. Beide interpretierten den Angriff auf Homosexuelle als Angriff "auf uns alle". Dieses inklusive "Wir" klang bei Clinton glaubwürdiger, die Demokratin vertritt auch im Alltag schon lange die Interessen sexueller Minderheiten. Bei Trump klang es bemüht, bisher hat er sich um die "LGBT Community" nicht gekümmert.
Trump sprach in Manchester, New Hampshire. Clinton in Cleveland, Ohio. Aus ihren Auftritten ergab sich ein scharfer Kontrast, sowohl inhaltlich als auch im Ton. Im Kern verlangt Trump ein generelles Einreiseverbot aus islamischen Staaten, den Aufbau eines Screening-Prozesses für USA-Reisende, den es angeblich bisher nicht gebe. Er sieht keine Notwendigkeit, die Gesetze zum Waffenverkauf zu ändern.
Clinton fordert mehr Geld für das FBI, um die Überwachung potenzieller Gewalttäter in den USA auszudehnen, möchte den Verkauf von Schnellfeuergewehren an Zivilisten verbieten, die internationale Zusammenarbeit mit Alliierten verstärken und mehr Druck auf Saudi Arabien, Kuwait und Katar ausüben, die indirekte Unterstützung muslimischer Organisationen mit Nähe zu radikalen Islamisten zu beenden.
Rein sachlich betrachtet sind Clintons Vorschläge eine Antwort auf den aktuellen Fall, Trumps Forderungen nicht. Das ist auch die Analyse zahlreicher amerikanischer Medien. Der Täter von Orlando ist nicht kürzlich in die USA eingereist. Er ist in den USA geboren und aufgewachsen, seine Eltern stammen aus Afghanistan. Einreiseverbote helfen gegen solche "Lonely Wolfs", die bereits in Amerika leben und sich im Land radikalisieren, nichts. Eine berechtigte Frage ist, warum ein Mensch, der dem FBI bereits aufgefallen war und von früheren Arbeitskollegen als psychisch labil geschildert wird, unbeschränkt Waffen kaufen darf. Auch im Streit um das Screening von Einreisenden hat Clinton Recht, Trump Unrecht. Die USA überprüfen zumindest die Kerndaten von Reisenden sowohl bevor sie ein Flugzeug nach Amerika besteigen als auch bei der Ankunft.
Trump plädiert für Einreiseverbot
Unterschiedlich war auch die emotionale Botschaft der beiden Reden. Trump arbeitete mit Übertreibungen und Generalisierungen, die im Widerspruch zu den nüchternen Fakten stehen. Angeblich lassen die USA "Tausende und Abertausende" Menschen ins Land, die "unsere Werte nicht teilen" und "wie dieser wilde Killer" Amerikanern nach dem Leben trachten. Tatsächlich haben die USA in den vergangenen Monaten weniger als 3000 Menschen aus Syrien einreisen lassen, rechnet die "New York Times" vor.
Trump erneuerte seine Forderung nach einem generellen Einreiseverbot für Muslime - und weitete es im Grunde noch aus. Einreiseverbot sollten generell Menschen aus Staaten haben, aus denen Terroristen stammen. Das könnte, streng ausgelegt, sogar Deutschland betreffen. Schließlich hatten mehrere 9/11-Attentäter lange in Hamburg gelebt.
Trump forderte die die muslimischen Gemeinschaften in den USA auf, die Gewalttäter "an uns auszuliefern". Denn sie wüssten angeblich ganz genau, was da in ihren Reihen vor sich geht und wer die Verbrecher seien.
Trump bekräftigte auch seine - sachlich falsche - Behauptung, Hillary Clinton wolle den Verfassungsartikel, der US-Bürgern das Recht auf Waffenbesitz garantiert streichen und den Amerikanern alle Waffen wegnehmen.
Clinton will schärferes Waffenrecht
Hillary Clinton sagte, der Täter sei tot, aber das gefährliche Gedankengut, das ihn zur Tat motiviert habe, lebe fort. Das FBI habe ihn auf dem Radar gehabt, aber nicht strikt genug überwachen können, um die Schießerei zu verhindern. Es müsse mehr Mittel bekommen. Ebenso müsse der Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak verschärft werden.
Clinton will das Waffenrecht verschärfen und "Kriegswaffen von unseren Straßen verbannen". Der Täter hatte mit einem Schnellfeuergewehr gemordet, der zivilen Version einer Waffe, die Armeen benutzen. Er hatte es erst kürzlich gekauft.
Clinton möchte mit den Muslimgemeinden in den USA kooperieren. Sie erinnerte daran, dass der republikanische Präsident George W. Bush nach 9/11 ein muslimisches Gotteshaus besucht hatte, um zu betonen, dass die USA sich nicht in einem Krieg mit den Muslimen sehen, sondern nur im Krieg mit radikalen Islamisten.
Trump und Clinton bieten den US-Wählern unterschiedliche Interpretationen des Massenmordes von Orlando an und unterschiedliche politische Konsequenzen aus der Tat. Welches dieser beiden Angebote auf Amerikaner glaubwürdiger wird, ob Orlando überhaupt zu einem zentralen Thema des Wahlkampfs wird und die parteipolitischen Präferenzen verändert, werden erst die Umfragen der nächsten Wochen zeigen.