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Der Kurden-Konflikt wird auch auf Berlins Straßen thematisiert - wie hier bei einer Demonstration gegen den türkischen Militäreinsatz in Afrin. , die überwiegend von Kurden bewohnt wird, gehen auf der Wilhelmstraße.
© Paul Zinken/dpa

Diskussions-Veranstaltung in Berlin: Kurdisch-türkische Spannungen entladen sich in der Urania

Bei einer Diskussions-Veranstaltung zum Kurden-Konflikt kommt es zu hitzigen Wortgefechten. Ein Podiumsteilnehmer verlässt empört den Saal.

Nachdem er aus dem Publikum als „Schwein“ beschimpft wurde, reichte es Tolga Özgül. Der Vertreter der deutsch-türkischen „Jungen Europäischen Bürgerinitiative Plattform“ stand auf und verließ nach dem Zwischenruf vorzeitig die Veranstaltung in der Urania. Als einer von vier geladenen Gästen hatte er am Donnerstag im Berliner Urania-Haus über "Kurden-Konflikte vom Nahen Osten bis nach Deutschland" diskutiert.

Die drei kurdischstämmigen Diskutanten des Abends waren der Vorsitzende der „Kurdischen Gemeinde in Deutschland“ Ali Ertan Toprak, die Abgeordnete der Linken im Bundestag Evrim Sommer, sowie der Präsident des „Instituts für Kurdische Studien Berlin“ Feryad Fazil Omar. Inhaltlich drehte sich das Gespräch vor allem um die rund 30 Millionen Kurden im Nahen Osten, die sich in den zahlreichen Konflikten zwischen den Regional- und Großmächten wiederfinden. Der Iran, Irak, Syrien, sowie die Türkei beherbergen in ihren Landesgrenzen kurdische Minderheiten mit eigener Sprache und Kultur.

Kurdischer Professor kritisiert die türkische Regierung

Während Toprak zu Beginn der Veranstaltung das legitime Recht des kurdischen Volkes auf Selbstbestimmung betonte, ergänzte Omar die historische Verankerung der Kurden in der Region. Zur Sprache kam auch die Situation der Kurden in Syrien und der Türkei. In der osmanischen Republik kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen der türkischen Regierung und der Untergrundorganisation PKK, zudem sitzt der Vorsitzende der kurdischen Oppositionspartei HDP Selahattin Demirtas in Untersuchungshaft.

In Nordsyrien nahm die türkische Armee im März dieses Jahres die vormals autonome kurdische Provinz Afrin ein, woraufhin rund 137.000 Zivilisten die Flucht ergriffen. Die Abgeordnete der Linken Sommer kritisierte die Bundesregierung für ihr Versäumnis den Angriff auf Afrin klar zu verurteilen. Der NATO-Partner Türkei war in der Vergangenheit Abnehmer deutscher Waffenlieferungen.

Teil des Publikums reagiert hitzig auf türkisch-deutschen Vertreter

Diesem Narrativ widersprach der türkischstämmige Özgül: „Die Kurden haben bereits ihren Staat – und das ist die Türkei.“ In dem Vielvölkerstaat würde die kurdische Bevölkerung alle demokratischen Rechte genießen. Mit dem Krieg in Syrien habe die türkische Regierung lediglich ihr souveränes Recht auf Selbstverteidigung gegen dort ansässige kurdische Terroristen ausgeübt. Als „türkische Regimepropaganda“ charakterisierte Toprak wiederum die Äußerungen Özgüls. Präsident Erdogan zerstöre den Friedensprozess und unterstütze Terrororganisationen wie die Hamas.

Doch nicht nur auf dem Podium bekam Özgül kontra. Aus dem überwiegend pro-kurdischen Publikum ertönten nach seinen Beiträgen vermehrt Zwischenrufe. Die Spannungen erreichten ihren Höhepunkt, als Özgül aus der Menge als „Schwein“ tituliert wurde. Entrüstet und mit einem lautstarken Verweis auf den mangelnden Respekt vor seiner Meinung stürmte er aus dem Saal und verließ die Veranstaltung endgültig. Danach kam es auch innerhalb des Publikums zu hitzigen Wortwechseln zwischen Kurden und Sympathisanten von Erdogans Politik.

Kurden und Türken tragen ihren Konflikt auch nach Deutschland

Der Abend in der Urania hatte etwas Sinnbildliches für die angespannte Lage zwischen Kurden und Türken in Deutschland. Im Zentrum der Podiumsdiskussion standen zwar die internationalen Kurden-Konflikte – die werfen ihren langen Schatten aber auch immer wieder auf die Bundesrepublik. In Berlin kam es in den vergangenen Monaten vermehrt zu Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen. Demonstrationen von Kurden werden häufig von Rangeleien oder Wortgefechten begleitet. Letzteres wurde in der Diskussion nur am Rande thematisiert. Dafür bekamen die Zuhörer vor Ort einen Eindruck von der Frustration und Wut, die Kurden und Türken in Deutschland verspüren.

Professor Omar nutzte die Ruhe nach dem Sturm, um auch die deutsche Politik in die Pflicht zu nehmen, die kurdische Integration zu unterstützen: „Die Kurden müssen als eigene Volksgruppe anerkannt und gefördert werden“. Knapp eine Million Kurden leben schätzungsweise in Deutschland. Da sie keine kurdische Nationalität haben, werden sie statistisch jedoch nicht erfasst. Auch Angebote, die kurdische Sprache in der Schule zu lernen, sollten bereitgestellt werden, forderte Omar.

Leon Holly

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