13 Tage nach der US-Wahl: Kulturkampf am Broadway
Der künftige Vizepräsident Pence besucht das derzeit begehrteste Musical in New York - und es entfaltet sich ein Eklat. Ein Kommentar.
Die US-Präsidentschaftswahl war auch ein Kulturkampf zwischen urbanem Multikulti mit hoher Diversität in Hautfarbe und sexueller Orientierung einerseits und dem traditionellen Werteverständnis in einem vorwiegend weißen Amerika in den Kleinstädten und Landgemeinden andererseits, das auf Ehe und Familie setzt.
Das Hip-Hop-Stück preist die Diversität der USA
Diese Rivalität kam am Wochenende zum Ausbruch, nachdem der künftige Vizepräsident Mike Pence die derzeit angesagteste Broadway-Show besucht hatte: „Hamilton. The Revolution“, ein Musical im Hip-Hop-Stil über die Gründungsgeschichte der USA; es hat viele Preise eingeheimst, darunter Tonys, den Grammy und den Pulitzer für bestes Drama. Es betont die multikulturelle Einwanderung als Basis für Amerikas Erfolg.
Einige Zuschauer buhten, als Pence eintraf. Nach dem letzten Akt traten die Schauspieler gemeinsam auf die Bühne und wandten sich mit einer Bitte an ihn: „Bewahren Sie die amerikanischen Werte und arbeiten Sie für uns alle.“ Schon äußerlich stand da eine höchst diverse Truppe, in der Schwarze und Latinos in den Rollen der historisch durchweg weißen „Founding Fathers“ wie George Washington und Thomas Jefferson auftreten und der bekennende Homosexuelle und HIV-Infizierte Javier Muñoz Gründervater Alexander Hamilton spielt.
Schwarze Künstler appellieren: Vertreten Sie auch unsere Rechte!
Den Aufruf an Pence verlas der schwarze Schauspieler Brandon Victor Dixon, der auf der Bühne Hamiltons Gegenspieler, Vizepräsident Aaron Burr, verkörpert. Er dankte Pence, dass er zu der Vorstellung gekommen sei und bat, da er ihn bereits auf dem Weg zum Ausgang sah: „Bitte, Sir, hören Sie uns einen Moment an. Wir sind das vielfältige Amerika, das alarmiert und besorgt ist, ob Ihre neue Regierung uns, unseren Planeten, unsere Kinder und Eltern beschützen und unsere unveräußerlichen Rechte verteidigen wird oder nicht. Wir hoffen, dass dieses Schauspiel sie inspiriert hat, Amerikas Werte aufrechtzuerhalten und zu unser aller Wohl zu arbeiten. Unser aller!“
Pence hörte sich diese Intervention nach Darstellung der „New York Times“ auf halbem Weg nach draußen ruhig an. Er zeigte keine Verärgerung und trat mit einem Lächeln den Heimweg an.
Pence reagiert gelassen, Trump verlangt eine Entschuldigung
Donald Trump jedoch betrachtet die Intervention als unzulässige Provokation. Er sprach von „Harassment“, ein Begriff, der meist für sexuelle oder rassistische Belästigung verwendet wird. Die Schauspieler hätten den Vizepräsidenten „rüde“ behandelt und „beleidigt“; sie müssten sich dafür entschuldigen.
Die Intervention der Künstler und Trumps Reaktion haben die kulturelle Spaltung zwischen Großstadt und Land verschärft, das zeigt die Resonanz in den sozialen Medien. Konservative bezeichnen es als ungehörig, einen prominenten Theaterbesucher so zur Rede zu stellen. Das progressive Amerika beruft sich auf die Meinungsfreiheit und wirft Trump mangelnden Respekt vor Andersdenkenden vor.