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Und wieder neue Fragen. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) steht nun wegen der Rochade an der Spitze der Bundespolizei in der Kritik.
© dapd

Bundespolizei-Chef entlassen: Kritik an Friedrichs Führungsstil wächst

Erst Verfassungsschutz-Skandal, jetzt Streit um die Bundespolizei: Das Vertrauen in den CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich schwindet.

Dass man ihn loswerden wollte, hatte Matthias Seeger seit längerem geahnt. Der Präsident der Bundespolizei suchte deshalb schon vor Wochen den Kontakt zu Innenpolitikern aus Opposition und Koalition – und sinnierte mit ihnen über mögliche Gründe für den offenkundigen Vertrauensverlust. Seine Kontakte zum autoritären Regime in Weißrussland, die als Gründe für einen Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit lanciert worden waren, könnten es ja wohl kaum sein, meinte der 57-Jährige. Schließlich seien die mit dem Innenministerium abgestimmt gewesen. Doch die Gegner Seegers legten nach. Sie verbreiteten sogar Gerüchte über angebliche Saunabesuche mit weißrussischen Funktionären.

Wenn Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) an diesem Montag Seeger und seine beiden Stellvertreter entlässt, wird er das ohne Angabe von Gründen tun. Die werden „aus Sicherheitskreisen“ geliefert: Zwischen Seeger und Friedrich sei das „Vertrauensverhältnis gestört“, heißt es dort, es gebe „Unzufriedenheit mit seiner Amtsführung“. Inhaltlicher Streit um die Zusammenlegung von Bundespolizei und Bundeskriminalamt – Seeger war strikt dagegen – hat demnach keine Rolle gespielt. Und was Weißrussland betrifft: Wegen der Schleuser- und Grenzkriminalität hielt die Ministeriumsspitze Kontakte zwischen Berlin und Minsk grundsätzlich für geboten.

Den Rest darf sich jeder nach Fasson dazudenken: Die einen meinen, dass ein Präsident seinen Laden nicht im Griff habe, wenn Saunabesuche im Dienst kolportiert würden, ohne dass er dies erfolgreich unterbinden könne. Fürsprecher Seegers dagegen sind empört, dass aus dem Hause Friedrich Gerüchte gestreut worden seien – hinter vorgehaltener Hand machen sie dafür den Leiter der Abteilung Bundespolizei, Franz-Josef Hammerl, verantwortlich. Josef Scheuring, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), spricht von einer „scheibchenweisen, öffentlichen persönlichen Rufbeschmutzung eines Spitzenpolizisten“, die falschen Verdächtigungen gegen Seeger seien „vollkommen inakzeptabel“. Die Entlassung des Präsidenten als Chef von 40 000 Mitarbeitern sei „auf niederträchtige Art“ betrieben worden.

Nicht nur den Berufsverbänden gibt die Entlassung des Bundespolizei-Führungstrios Anlass zur Kritik – es gibt sie auch in allen Bundestagsfraktionen. Der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann sagt dem Tagesspiegel, Seeger sei „zerrieben worden zwischen einer seit Jahren gedemütigten Truppe und dem Ministerium, das blinde Gefolgschaft erwartete“. Es brauche endlich einen Minister, der „mal wieder Wertschätzung“ für die Bundespolizei aufbringe. Stattdessen beschreibt er Friedrich als „hilflos“. Der Linken-Innenpolitiker Jan Korte nennt die Personalrochade einen „fragwürdigen Vorgang“. Den Innenausschuss des Bundestages sieht Korte übergangen. Und seine Parteifreundin Petra Pau sieht die Probleme der strukturell und personell überlasteten Bundespolizei mit dem Führungswechsel „überhaupt nicht gelöst“. Sie befürchtet, die Behörde solle schon wieder umgebaut werden, diesmal für neue Aufgaben wie die Terrorismusbekämpfung.

Nicht nur die Bundespolizei macht in diesen Tagen einen grundlegenden Wandel durch.

Naturgemäß formulieren die Fachleute der Koalition ihre Verärgerung über Friedrich nicht ganz so scharf. Doch überrascht ist nicht nur der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, dem die Personalwechsel allmählich zu viel werden. Vor wenigen Wochen erst kündigte Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm seinen Rückzug an. Danach gingen die Landeschefs von Sachsen und Thüringen. Spekuliert wird auch über den Rauswurf von Fromms Stellvertreter Alexander Eisvogel. Zudem läuft die Amtszeit des Chefs des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, zum Jahresende aus. Auch hier wird eine Neubesetzung erwartet.

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, hebt die „Herkulesaufgabe“ hervor, die man dem Präsidenten mit dem Umbau der Bundespolizei aufgebürdet habe. Dafür gebühre ihm Dank, sagt sie – und fordert eine „nachvollziehbare Begründung“ für die Entlassung. Die Nachfolger müssten jetzt die offenkundigen Probleme offensiv angehen.

Weil es in der Bundespolizei seit langem gärt, gab das Ministerium im vergangenen Jahr eine Studie zur „Berufszufriedenheit in der Bundespolizei“ in Auftrag. Die Ergebnisse der Befragung von rund 5000 Mitarbeitern waren weder beruhigend noch überraschend. Bei zentralen Fragen bestimmten „negative Einschätzungen das Meinungsbild“, resümierte der Verfasser Gerd Strohmeier von der Universität Chemnitz. Drei von vier Befragten stöhnten über die hohe Belastung, insbesondere durch Schichtdienste. Knapp 80 Prozent sind mit dem Beurteilungssystem und den Aufstiegsmöglichkeiten unzufrieden. Und neun von zehn Mitarbeitern beklagten sich über die Abordnung in andere Behörden sowie über ihre „heimatferne Verwendung“. Strohmeier bekräftigte damit die Kritik, die schon die Hochschule Magdeburg-Stendal im Auftrag des Bundesinnenministeriums zusammengetragen hat.

Das Ministerium selbst gibt Verwunderung kund über die Kritik der Gewerkschaften und aus dem Parlament. „Sehr viel“ sei von Friedrich in den vergangenen Monaten für die Bundespolizei veranlasst worden, sagt Sprecher Jens Teschke dem Tagesspiegel. Er verweist auf die Zusage, von 2013 bis 2015 pro Jahr 800 Polizeianwärter einzustellen, auch um einer „Vergreisung“ entgegenzuwirken. Die Erschwerniszulage für Polizisten im Auslandseinsatz sei erhöht worden, 1800 Bundespolizisten würden höhere Bezüge bekommen. Das, so Teschke, seien doch „durchaus positive Maßnahmen“.

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