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Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, spricht während eines Besuchs im Roche-Entwicklungslabor für den neuen serologischen Antikörpertest Elecsys Anti-SARS-CoV-2 Test.
© Peter Kneffel/dpa

Kampf gegen das Coronavirus: Krankenkassen sehen Massentest skeptisch

Millionenfache Roche-Antikörpertests sollen den Weg aus dem Lockdown erleichtern. Doch Gesetzliche und Private Krankenkassen reagieren zurückhaltend.

Schon in den kommenden Wochen könnten Millionen Deutsche darauf getestet werden, ob sie bereits an Covid-19 erkrankt waren und somit mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit gegen das SARS-Cov-2-Virus immun sind. Im bayerischen Penzberg stellte das Schweizer Pharmaunternehmen Roche am dortigen Produktionsstandort gestern zusammen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem Ministerpräsidenten Bayerns, Markus Söder (CSU), einen neuen Antikörpertest vor, der laut Spahn eine „Wegmarke im Kampf gegen das Virus“ sein könnte.

Laut Roche hat der Test eine Spezifität von 99,8 Prozent und soll ab sofort an „Gesundheitseinrichtungen“ in ganz Deutschland ausgeliefert werden. Beim Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV) wie auch dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) warnt man vor übertriebenen Erwartungen an den Test, es gelte jetzt zu prüfen, wie gut er funktioniere.

Beim GKV-Spitzenverband gibt man sich mit Blick auf den Nutzen des neuen Antikörpertest zurückhaltend. „Die Medienmeldungen und die Aussagen des Herstellers zu dem neuen Test hören sich interessant an“, sagte eine Sprecherin. Aber auch Tests mit einer sehr guten Sensitivität ließen die grundsätzliche Frage unbeantwortet, „ob die Bildung von Antikörpern in einer entsprechenden Höhe tatsächlich vor einer zweiten Erkrankung schützt und wie lange dieser Schutz bestehen wird“.

Schnelle Antworten „auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen“, also vor allem zu Lockerungen von Kontaktbeschränkungen, verspreche man sich daher nicht. „Das wird man leider erst im Zeitverlauf zu sehen sein.“

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Vor „unkoordinierten Massentests“ warnte ein Sprecher des PKV-Verbands. Diese „würden einen riesigen Aufwand erfordern, ohne dass dadurch ein nennenswerter Erkenntnisgewinn im Kampf gegen das Coronavirus entsteht“.

Sollten jedoch solche Massentests geplant sein – wofür angesichts der von Spahn angekündigten fünf Millionen monatlichen Bestellungen einiges spricht –, handle es sich um „Maßnahmen von nationaler Tragweite zum Infektionsschutz der gesamten Bevölkerung“, so der PKV-Sprecher gegenüber Tagesspiegel Background. „Die Kosten müssten daher von der Staatskasse und somit von allen Steuerzahlern getragen werden.“

Der von Roche entwickelte Test basiert auf einer Blutentnahme über die Vene und einer anschließenden Laboruntersuchung. Man versuche, sagte der Präsident des Roche-Verwaltungsrats, Christoph Franz, die Produktion der Tests schnell auf „hundert Millionen pro Monat“ zu steigern.

Die Bundesregierung hat laut Spahn mit Roche vereinbart, im Mai drei Millionen Tests für das deutsche Gesundheitswesen geliefert zu bekommen, für die Folgemonate gebe es eine Garantie von jeweils fünf Millionen Tests. Er erhoffe sich davon Erkenntnisse über das „Infektionsgeschehen in Deutschland“, sagte Spahn. Daraus könne dann abgeleitet werden, welche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nötig seien – und welche nicht mehr.

Spahn kündigte derweil an, seinen viel kritisierten Plan für einen Immunitätsausweis erst einmal aufzuschieben. Der Immunitätspass war bislang Bestandteil des Entwurfs eines „Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, das von Union und SPD gemeinsam in den Bundestag eingebracht und am Donnerstag dort das erste Mal behandelt wird.

„Eine Immunitätsdokumentation soll künftig analog der Impfdokumentation (auch zusammen in einem Dokument) die mögliche Grundlage dafür sein, eine entsprechende Immunität nachzuweisen“, hieß es im Entwurf – parallel wandte sich Spahn an den Ethikrat, mit der Bitte, eine Stellungnahme zu dem Vorhaben abzugeben. Gestern nun erklärte er in Penzberg, dass der strittige Passus erst Gegenstand eines Gesetzes würde, wenn sich der Ethikrat dazu geäußert habe.

Hintergründe zum Coronavirus:

„Bis das nicht geklärt ist, werden wir keine gesetzliche Regelung machen“, sagte Spahn. Dies allerdings dürfte durchaus noch etwas dauern. Denn der vom Minister erteilte Auftrag trifft auf ein Gremium, das derzeit kaum arbeitsfähig ist – nicht wegen der Coronakrise, sondern weil die Hälfte der Ethikrats-Mitglieder gerade neu gewählt und noch kein neuer Vorsitz bestimmt wurde, zudem die einzelnen Mitglieder sich zum großen Teil noch gar nicht persönlich begegnet sind.

Als der Rat vor einem Monat seine Ad-hoc-Empfehlung „Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise“ in Windeseile verfasste, war dies auch möglich, weil sich die damaligen Ratsmitglieder seit Jahren kannten und auch per Videochat schnell eine gemeinsame Arbeitsgrundlage finden konnten. Dies dürfte in der neuen Konstellation kaum noch der Fall sein.

Der Koalitionspartner SPD reklamierte gestern Abend für sich, den Immunitätspass aus dem gemeinsam Gesetzesvorhaben wieder getilgt zu haben. Die für Gesundheitspolitik zuständige Fraktions-Vize Bärbel Bas erklärte, dass es keine „Zwei-Klassen-Gesellschaft von Infizierten und Nicht-Infizierten“ geben dürfe. „Daher werden die von Jens Spahn vorgeschlagenen Regelungen zur Immunitätsdokumentation gestrichen. Das haben wir heute durchgesetzt.“

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Derzeit könne ein Immunitätspass nur falsche Sicherheit erzeugen, so Bas weiter. „Es geht weiter darum, auf sich und auf andere aufzupassen und das Virus nicht weiter zu verbreiten. In der jetzigen Situation ist eine Immunitätsdokumentation ein falsches Signal.“

Auch ohne Immunitätspass wird der Antikörpertest absehbar auf eine sehr große Nachfrage stoßen. Über die Kosten des Tests gab es bei der gestrigen Präsentation in Penzberg nur ungefähre Angaben. Roche-Chef Franz ging von einem Preis aus, „den sich ein Einzelner leisten wird können“, es seien definitiv nicht „mehrere hundert Euro“. Das Testkit sei dabei der kleinste Posten, stärker würden die ärztliche und die Laborleistung zu Buche schlagen.

Spahn sagte, dass jeder, der für den Test selbst zahle, diesen auch bekommen werde. Was die GKV erstatte, müsse „weiter beraten“ werden. Festgelegt würde dies dann über eine Rechtsverordnung durch das Ministerium: So ist es im aktuell geplanten Epidemiegesetz für sämtliche Tests auf eine SARS-Cov-2-Infektion oder -Immunität festgelegt.

Ministerpräsident Söder, der als jener Landeschef gilt, der für die strengsten Corona-Beschränkungen eintritt, betonte gestern ebenso wie Spahn, mit den Roche-Tests Erkenntnisse gewinnen zu wollen, „wie der Umgang mit der Pandemie sich ändern kann“. 40 Millionen der insgesamt rund 420 Millionen Euro, die Roche in Penzberg gerade in ein Forschungszentrum für diagnostische Tests und eine biochemische Produktionsanlage investiere, steuere der Freistaat bei, sagte Söder. Sein Land sei interessiert an „Standorttreue“ von Roche.

Spahn unterstrich dies und betonte den Anspruch der Bundesrepublik, künftig verstärkt dafür zu kämpfen, dass Pharma-Standorte in Deutschland und Europa bleiben oder angesiedelt werden. „Das gibt uns ein Stück Unabhängigkeit“, betonte Spahn. Die derzeitige Krise habe leider gezeigt, dass man sich auf internationale Partnerschaft in Zeiten einer Pandemie nicht verlassen könne. 

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