Nachfolge von Angela Merkel: Kramp-Karrenbauer bekommt die Nervosität der CDU zu spüren
Die Krise der CDU ist auch die Krise von Parteichefin Kramp-Karrenbauer. Intern wird ihre Eignung als Kanzlerkandidatin infrage gestellt – das hat Folgen.
Es ist gar nicht so leicht, noch den Überblick zu behalten. Bei der SPD sind über 15.000 Beiträge eingegangen, wie die Nachfolge von Andrea Nahles geregelt werden könnte. Wohl bis Dezember will sich die konsternierte Partei Zeit lassen.
Auf dem spätestens dann anstehenden Bundesparteitag könnte auch die große Koalition beerdigt werden. Und die CDU baut schon mal vor für eine mögliche vorgezogene Neuwahl. Von Bundestagsfraktionschef Ralph Brinkhaus ist nun die Debatte über die Kanzlerkandidatur eröffnet worden – was Friedrich Merz als „völlig irre“ bezeichnet.
Es ist was los in den Koalitionsparteien – sage noch einer, eine große Koalition sei langweilig. Doch der Reihe nach. Auf die Frage, ob CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer rasch ins Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wechseln solle, sagte Brinkhaus der Nachrichtenagentur dpa, die Vorsitzende habe viel zu tun mit der Neuaufstellung der CDU. „Und sie wird auch unsere nächste Kanzlerkandidatin sein. Insofern ist das ihre Entscheidung, was der beste Weg dafür ist.“ Es ist ein klares Signal: Pflöcke einschlagen. Keine weitere Beschädigung der Vorsitzenden. Die Reaktionen zeugen eher vom Gegenteil.
Spekulationen, Kramp-Karrenbauer könne zum Beispiel Wirtschaftsminister Peter Altmaier im Kabinett ersetzen, um aus der Defensive zu kommen und um sich für eine Kanzlerkandidatur warmzulaufen, werden klar zurückgewiesen. Nach dem Debakel der CDU bei der Europawahl und ihrem unglücklichen Umgang mit dem Video des Youtubers Rezo, der Union und SPD Versagen auf diversen Politikfeldern attestierte, ist intern die Eignung Kramp-Karrenbauers für das Merkel-Erbe von einigen infrage gestellt worden.
Schon Merkel stand anfangs schwer im Feuer
Es ist ein Dilemma, dass die Vorsitzende derzeit kaum inhaltliche Punkte setzen kann, da es fast jeden Tag neue Personaldebatten gibt. Es ist zum Beispiel ein offenes Geheimnis, dass CDU-Vize Armin Laschet „AKK“ kritisch beäugt.
„Annegret Kramp-Karrenbauer hat vorgeschlagen, die Kanzlerkandidatur auf dem CDU-Parteitag Ende 2020 zu entscheiden. Ende 2020 ist nicht heute und nicht jetzt“, hatte Laschet der „Welt am Sonntag“ gesagt. Das war vor dem Brinkhaus-Bekenntnis, gilt aber auch danach. Vielleicht will bis dahin ja auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident selbst der Kandidat werden.
Man sollte nicht vergessen: Kramp-Karrenbauer ist gestählt durch viel politische Erfahrung – und schon Merkel stand anfangs schwer im Feuer. Sie verspielte einen fast sicher geglaubten Wahlsieg 2005 – und wer weiß, ob sie jemals Kanzlerin geworden wäre, wenn nicht Gerhard Schröder reichlich aufgekratzt Merkel in der Elefantenrunde am Wahlabend in den Senkel gestellt hätte und so die Reihen in der Union schloss.
Die Reaktionen auf den Vorstoß von Fraktionschef Brinkhaus sind recht eindeutig. In Köln meint der bei der Wahl der Merkel-Nachfolge Kramp-Karrenbauer knapp unterlegene Merz am Rande einer Buchvorstellung zur voreiligen K-Debatte: „Das ist eine völlig irre Diskussion. Punkt.“ Der hessische Ministerpräsident und CDU-Vize Volker Bouffier erinnert an das Erstzugriffsrecht der Vorsitzenden. Wenn es so weit ist, dürfte sicherlich der Chor der Merz-Freunde wieder das Hohelied anstimmen. Es ist viel Nervosität im Spiel, vor allem seit die Grünen in Umfragen an der Union vorbeigerauscht sind.
Merz warnt vor Urwahl
Der Vorsitzende der Werte-Union, Alexander Mitsch, der immer wieder für Merz Partei ergreift, sagte der „Welt“ vor, seine Gruppierung fordere „angesichts der verheerenden Umfragewerte eine Urwahl des Kanzlerkandidaten durch die Mitglieder und startet kurzfristig eine Initiative zu deren Umsetzung“. Inzwischen blühen ja fast wie bei der SPD ständig neue Flügel auf, so gibt es auch eine Initiative für mehr Mitgliederbeteiligung mit Namen „Die Basis.“ Gefordert wird neben einer stärkeren inhaltlichen Einbindung auch eine „Personalauswahl nach charakterlichen Eigenschaften, Fachkompetenzen, Ausbildung, Erfahrung und inhaltlichem Profil.“ Per Urwahl durch die Mitglieder.
Merz, dem das Format mit einer Vorstellungstour an der Basis bei seinem rhetorischen Talent helfen könnte, dagegen betont, er habe eine negative Meinung zum Thema Mitgliederbefragungen. Diese könnten eine Partei spalten. „Was machen Sie denn mit einer Urwahl, wenn es nicht zwei Kandidaten, sondern drei gibt?“, fragt er. „Machen Sie dann eine zweite Urwahl, wenn das Ergebnis nicht eindeutig war? Oder geht derjenige durchs Ziel, der 40 Prozent bekommen hat und die anderen beiden 30?“ Die SPD kann ein Lied davon singen, dass ein Mitgliedervotum kein Allheilmittel ist – die Gegner der großen Koalition haben nie ihren Frieden mit der GroKo-Entscheidung gemacht. So wie viele in der Union nicht mit der Niederlage von Merz beim Parteitag in Hamburg gegen Kramp-Karrenbauer.