Neue Ermittlungen zu Eliteeinheit KSK: Konnten Soldaten entwendete Munition straffrei zurückgeben?
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer forderte bei der Reform der Eliteeinheit KSK im vergangenen Jahr Transparenz ein. Nun gibt es wohl neuen Ärger.
Das Verteidigungsministerium sucht nach Verantwortlichen für neue Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Munition beim Kommando Spezialkräfte (KSK).
Dabei haben Soldaten der Eliteeinheit im vergangenen Jahr nach dem Stand der Untersuchung die Möglichkeit erhalten, unerlaubt gehortete oder womöglich auch entwendete Munition auf dem Gelände der KSK-Heimatkaserne in Calw (Baden-Württemberg) in Kisten einzuwerfen und so ohne weitere Strafen zurückzugeben - womöglich ein scharfer Verstoß gegen Vorschriften.
Brigadegeneral Markus Kreitmayr, seit 2018 KSK-Kommandeur und zentrale Figur im Reformprozess der von Extremismusfällen erschütterten Einheit, muss nun Fragen beantworten. Insider erklären, sein Stuhl wackle, obwohl das Verteidigungsministerium über das Vorgehen lange informiert gewesen sei.
Der Offizier sollte nach einer Rückkehr von einer Übung in den USA sofort gehört werden, wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag erfuhr. Spätestens für Dienstag wurde mit ersten personellen Konsequenzen in dem Fall gerechnet, hieß es. Mehrere Medien hatten über eine „Amnestie“ für verschwundene Munition berichtet. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte auf Anfrage: „Die Ermittlungen des Heeres stehen kurz vor dem Abschluss.“
Die Sammelboxen für Munition waren im Prozess gegen einen KSK-Soldaten in Sachsen bekannt geworden. In seinem Garten war nach Hinweisen des Militärgeheimdienstes MAD Mitte Mai 2020 ein Waffenversteck mit entwendeter Munition und Sprengstoff entdeckt worden.
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Kreitmayr hatte diesen Fall zum Anlass für eine Warnung an seine Einheit genommen. „Inmitten unserer Gemeinschaft befanden und befinden sich offensichtlich noch immer Individuen, die dem sogenannten rechten Spektrum zuzuordnen sind“, schrieb der KSK-Kommandeur.
Er kündigte eine Null-Toleranz-Linie an und leitete in enger Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium einen Reformprozess ein, bei dem mehr Transparenz und ein Ende der „Mauer des Schweigens“ im KSK zu Prinzipien erklärt wurden.
Über die Sammelbox für Munition - Antwort auf ein verbreitetes, wenn auch fragwürdiges Phänomen - war das Verteidigungsministerium nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur spätestens seit dem 23. September informiert. Es stand im ersten Zwischenbericht zu den KSK-Reformen, der von der Teilstreitkraft Heer aus im Verteidigungsministerium einging. Allerdings wurde dieses Detail im sogenannten Hochlauf Richtung Ministerbüro gestrichen.
In der veröffentlichten Fassung finden sich Hinweise auf Aufklärungsarbeit in verklausulierter Form. „Die 37.000 Munitionsartikel, die als Überbestand festgestellt wurden, sind nach weiteren Munitionsfunden auf etwa 50.000 Munitionsartikel angewachsen. Diese Munition ist sichergestellt und wurde mittlerweile sukzessive ordnungsgemäß in das logistische System vereinnahmt“, hieß es in dem Bericht.
Was wusste Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer über eine „Amnestie“? Wurde sie mündlich informiert in diesem Fall KSK, den sie zur Chefinnen-Sache gemacht hat. Ein Sprecher des Ministeriums verweist am Montag darauf, Kramp-Karrenbauer habe „Teilaspekte“ delegiert „Sachstandsermittlungen“ für einen kommende Woche zu erwartenden Bericht liefen noch im Heer. „Ob es sich um eine Amnestie gehandelt hat, kann ich hier überhaupt noch nicht bestätigen“, sagte er.
Vorgehen von Kramp-Karrenbauer „beschämend“
Der offensichtlich laxe Umgang beim KSK mit der Munitionsbewirtschaftung müsse auf den Tisch, genau wie die Frage, ob Amnestie bei Rückgabe illegaler Munition die korrekte Antwort sei, sagte die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
„Aber nie und nimmer ist das ohne Zustimmung und Kenntnis des Ministeriums geschehen“, sagte sie. Es sei beschämend, „dass sich die Ministerin jetzt wegduckt und ein Bauernopfer sucht“. „Wer sich vom Acker macht und seine Soldaten und Soldatinnen im Regen stehen lässt, der sollte Konsequenzen ziehen und mit Ende der Legislatur auch den eigenen Rückzug antreten.“
Der Linken-Politiker Matthias Höhn forderte die Ablösung des KSK-Kommandeurs und eine Auflösung des KSK „in seiner jetzigen Form“, wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. „Sollte seine Aktion im Ministerium bekannt gewesen sein, müssen auch dort personelle Konsequenzen folgen.“ Der CDU-Politiker Johann Wadephul verwies auf Recht und Gesetz und darauf, dass Kreitmayr anzuhören sei. „Erst dann können Entscheidungen getroffen werden.“ (dpa)