21. UN-Klimagipfel in Paris: Konferenz-Chinesisch für Anfänger
Der Weltklimagipfel geht in die entscheidende zweite Verhandlungswoche. Die Konflikte werden schärfer, der Zeitdruck größer, und die Streitpunkte für Außenstehende immer schwerer zu erfassen. Ein Dossier zum Verständnis.
Der Weltklimagipfel in Paris (COP21 - Conference of the Parties der Klimarahmenkonvention, UNFCCC) geht in die zweite und entscheidende Verhandlungswoche. Am Sonntagabend waren die meisten Umweltministerinnen und -minister in Paris eingetroffen und berieten bei einem ersten informellen Plenum über den seit Freitagabend vorliegenden Vertragsentwurf. Er ist im Verlauf der ersten Woche von 55 auf 48 Seiten geschrumpft. Alle Grundsatzfragen sind aber weiterhin offen. Ein kleines Dossier zu den Hauptstreitpunkten:
Die Rio-Prinzipien
„Common but differentiated responsibilities“ – von Insidern zu CBDR abgekürzt. Übersetzt heißt das in etwa: gemeinsame, aber verschiedene Verantwortlichkeit. Die meisten Debatten in Paris drehen sich um diese Formel. 1992, als der Erdgipfel in Rio de Janeiro die Klimarahmenkonvention beschlossen hat, beschrieb dieses Prinzip die Wirklichkeit. Die Industriestaaten hatten den höchsten Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen, und waren verantwortlich für den Klimawandel, der damals schon absehbar war. Die Schwellen- und Entwicklungsländer haben inzwischen aufgeholt. Historisch betrachtet, ist der Anteil der Industriestaaten an den Kohlendioxid-Emissionen noch immer höher. Das gilt auch für den Pro-Kopf-Ausstoß von CO2. Aber absolut hat sich das Verhältnis bei den Emissionen umgedreht. Einige südamerikanische Staaten, allen voran Venezuela, beharren darauf, dass nur die Industriestaaten ihre Emissionen zu senken haben. Vor allem die USA aber auch die Europäische Union haben ein Interesse daran, diese alte Teilung zwischen Nord und Süd aufzuheben und die Klimaverpflichtungen an die Realität anzupassen – zumal das Ziel, die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu halten, nicht möglich wäre, wenn China, Indien, Brasilien und die Türkei nichts unternehmen würden.
Im Vertragstext bildet sich der Streit beispielsweise in einer eckigen Klammer, also einem Textteil, über den es keine Einigkeit gibt, beispielsweise so ab: „Es wird zur Kenntnis genommen, dass die größten Anteile der historischen Treibhausgas-Emissionen in den Industriestaaten entstanden sind, und dass der Pro-Kopf-Anteil der Entwicklungsländer immer noch relativ niedrig ist, während der Anteil der Emissionen aus den Entwicklungsländern weiter steigen wird, um ihre sozialen und Entwicklungsnotwendigkeiten zu erreichen.“
Dekarbonisierung
Die Befreiung der Wirtschaft vom fossilen CO2, das bei der Verbrennung von Kohle, Öl oder Gas entsteht, soll in diesem Jahrhundert erreicht sein. Dieses Langfristziel wollen Deutschland und die EU gerne in den Vertragstext einfügen, um Investoren ein Signal zu geben, dass es nun ernst wird, mit dem Klimaschutz – und dass sich Investitionen in diese fossilen Geschäfte nicht mehr lohnen. Das lehnen vor allem Saudi-Arabien und andere Ölstaaten bisher noch strikt ab. Denn das wäre das Ende ihres Geschäftsmodells.
1,5-Grad-Ziel
Die vom Meeresspiegelanstieg besonders bedrohten kleinen Inselstaaten hoffen, dass das Klimaziel angehoben und ihr Überleben gesichert wird. Im Vertragsentwurf wird zumindest der Hinweis auf dieses 1,5-Grad-Ziel gegeben. Für die Inselstaaten ist schon das ein Verhandlungserfolg. Da eine Dekarbonisierung in diese Richtung weisen würde, argumentieren sie, dass die Anstrengungen zur Erreichung eines Zwei-Grad-Ziels nur unwesentlich billiger zu haben wären als das bei einem anspruchsvolleren Ziel der Fall wäre.
Finanzierung
Über Geld wird immer gestritten. Bisher galt die Formel, die Verursacher sollen zahlen. Doch angesichts des Reichtums von Öl-Scheichtümern oder auch der schnell wachsenden Schwellenländer hoffen die Industriestaaten, auch von diesen finanzielle Beiträge zum Klimaschutz und für die Anpassung an die globale Erwärmung bekommen zu können. Da stellt sich ebenfalls vor allem Saudi-Arabien quer. Außerdem bezweifeln einige Entwicklungsländer, dass die bisher gegebenen Finanzzusagen der Industrieländer eingehalten werden. Beim gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen hatten die Industriestaaten bis 2020 einen Betrag von 100 Milliarden Dollar versprochen, aktuell argumentieren sie, seien schon zwischen 80 und 90 Milliarden Dollar zusammengekommen. Von 2020 an soll diese Summe aber jedes Jahr aufgebracht werden. Und da gibt es nach Einschätzung vieler Entwicklungsländer keinen plausiblen Finanzierungsplan der Industrieländer.
Verluste und Schäden
Im Konferenzjargon „loss and damage“. Dabei geht es um die Kosten, die durch bereits nicht mehr abwendbare Folgen des Klimawandels auf arme Staaten zukommen oder diese bereits getroffen haben. Am liebsten hätten einige Entwicklungsländer diesen Punkt als rechtliche Verantwortlichkeit verankert. Dann hätten Klagen, wie beispielsweise die eines peruanischen Bauern gegen den deutschen Braunkohle-Verstromer RWE einen viel höhere Erfolgsaussicht. Aber darauf lassen sich die Industriestaaten nicht ein. Sie haben sich aber zumindest in Teilen darauf eingelassen, in einem Artikel des Vertragstextes einen Hinweis auf den „Warschau-Mechanismus zu Verlusten und Schäden“ zu machen, der vor zwei Jahren in Gang gesetzt worden ist. Allerdings steht dieser Artikel noch in eckigen Klammern. Deutschland hat im Rahmen der G-7-Präsidentschaft mit Risikoversicherungen auch für arme Bevölkerungen, vor allem aber für arme Staaten auf das Anliegen reagiert. Das kommt in den betroffenen Staaten offenbar auch gut an. Dabei würden Industriestaaten einen Teil der Finanzierung der fälligen Versicherungspolicen übernehmen.
Anpassung an den Klimawandel
Im Pariser Abkommen soll das Anliegen, sich so gut als möglich an die Veränderungen durch den Klimawandel anzupassen, als gleichwertiges Anliegen neben der Senkung der Treibhausgasemissionen aufgenommen werden. Was sinnvolle Investitionen in die Anpassung sind, ist allerdings durchaus umstritten. Die Außenministerin der Malediven, Dunya Maumoon, sagte dem Tagesspiegel, dass eine Schutzmauer, wie sie die Hauptstadt Male umgibt – übrigens überwiegend von Japan finanziert – auch für die anderen Inseln eine Lösung sei, um dem steigenden Meeresspiegel zu entgehen. Das wäre allerdings eine extrem teure Variante der Anpassung. Und es ist fraglich, ob sich dafür genügend Investoren finden würden.
INDCs
Die Abkürzung steht für die nationalen Klimaaktionspläne, die 185 Staaten inzwischen vorglegt haben. Die Intended Nationally Determined Contributions sind bisher freiwillige Leistungen der Staaten. Es wird ihnen zwar schwer fallen, dahinter zurückzufallen. Aber es gibt viele Staaten, die sich dagegen wehren, die INDCs alle fünf Jahre nachzubessern, und sich auf Regeln für die Berichte über die Fortschritte zu einigen. Denn wenn die INDCs leichter vergleichbar würden, müssten sich viele Staaten für ihre Angebote schämen.