Vor dem Klimagipfel in Doha: Zwei Grad – zwei Sichtweisen
Die Fronten bei den Klimaverhandlungen bleiben verhärtet. Die USA haben nun auch angefangen, das Ziel, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten, in Frage zu stellen.
Berlin - Die Investition habe sich gelohnt, findet Christiana Figueres, die Chefin des UN-Klimabüros in Bonn. Mit der Investition meint sie die Klima-Zwischenverhandlungsrunde in Bangkok, die in dieser Woche zu Ende gegangen ist. „Es sind Fortschritte erzielt worden.“ Edward Cameron und Aminde Dagnet vom World Resources Institute (WRI) in Washington beschreiben diese „Fortschritte“ so: Bei der Verhandlungsrunde im Frühjahr in Bonn hätten die Regierungen nur über Verfahrensfragen gestritten, „in Bangkok haben sie über Inhalte gestritten“. Sie sind sich zwar nicht nähergekommen, haben aber wenigstens darüber geredet, was beim 18. Weltklimagipfel in Katar Ende November verhandelt werden soll.
Seit dem gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen 2009 gab es bei den internationalen Klimaverhandlungen nur noch ein Ergebnis: Die 195 Staaten der UN-Klimarahmenkonvention haben sich auf die Definition geeinigt, dass der „gefährliche Klimawandel“, den sie bereits 1992 zu verhindern versprachen, dann anfängt, wenn die globale Erwärmung zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung übersteigt. Die Angebote, mit denen die Staaten das Klima zu schützen gedenken, reichen aber nicht aus, um das Zwei-Grad- Ziel zu halten. Seit 2009 erstellen drei Institute, darunter das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, in regelmäßigen Abständen eine Analyse der Klimapolitiken und ihrer Wirkung. Das Ergebnis der jüngsten Überprüfung: Die Erde ist auf dem besten Weg in eine Welt, die mindestens drei Grad wärmer zu werden droht als 1900.
Diese „Ambitionslücke“ müsse geschlossen werden, hatte Christiana Figueres in Bangkok gefordert. Doch es dürfte wohl beim Wunsch bleiben. Katar ist das erste Opec-Land, das eine Klimakonferenz ausrichtet. Das Erdöl ist zwar aufgebraucht, doch Katar verfügt über die drittgrößten Gasreserven der Welt und ist derzeit der größte Produzent von Flüssiggas. Der Pro-Kopf-Ausstoß von Kohlendioxid der Katarer liegt bei 55,42 Tonnen im Jahr und damit an der Spitze der Welt. Ein Amerikaner bringt es auf 20 Tonnen, ein Europäer oder Chinese auf etwa zehn Tonnen. Doch weil Katar ein kleines Land ist, zieht es eine Kalkulation der CO2-Emissionen in absoluten Zahlen vor, sagte Vizepremier Abdulla bin Hammad al Attiyah vor einigen Wochen in Berlin. Der Vizepremier wird den Gipfel leiten.
Die Verhandlungen versprechen ohnehin schon schwierig zu werden, weil in den USA im November Präsidentschaftswahlen anstehen. Erschwerend kommt hinzu, dass US-Verhandlungsführer Todd Stern in diesem Jahr auch die zwei Grundbedingungen infrage gestellt hat, unter denen die Entwicklungsländer bereit sind zu verhandeln. In einer Rede stellte Stern Anfang August das Zwei-Grad-Ziel infrage. Das sei zwar angesichts der Gefahren, die vom Klimawandel ausgingen, das richtige Ziel, meinte er. „Das Problem ist, es ignoriert die klassische Lektion der Politik. Denn die ist die Kunst des Möglichen.“ Ein Klimaabkommen, das eine Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels garantiert, hält Stern für nicht machbar, daran festzuhalten würde in eine „Sackgasse“ führen. Bei den vom steigenden Meeresspiegel bedrohten kleinen Inselstaaten wurde diese Äußerung als „Todesurteil“ gewertet.
Schon beim Rio-Gipfel im Juni hatte Stern zudem das der Klimarahmenkonvention zugrunde liegende Prinzip, dass die Staaten eine „gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung“ haben, infrage gestellt. In seiner Rede im August wurde er noch deutlicher: „Die USA haben nie akzeptiert, dass dieses Paradigma gerechtfertigt ist.“ Spätestens in Kopenhagen habe sich gezeigt, dass es so unmöglich sei, ein Abkommen auszuhandeln. Mittlerweile seien die Entwicklungsländer für 55 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Da könnten nicht nur Industrieländer zum Klimaschutz verpflichtet werden. Dagmar Dehmer