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FDP-Vorsitzender Christian Lindner (l) und CDU-Landesvorsitzender Armin Laschet (r) beginnen in NRW mit Koalitionsverhandlungen.
© dpa

Vor der Bundestagswahl: Kommt Schwarz-Gelb auch auf Bundesebene zurück?

Viele Wähler wünschen sich vier Jahre nach der Abwahl eine Renaissance der Koalition aus Union und FDP im Bund – doch die Betroffenen sind zurückhaltend.

Von Antje Sirleschtov

Schwarz-Gelb als Wunschmodell der Deutschen: Wer glaubt denn so was? Knapp vier Jahre ist es her, dass die Wähler das Bündnis von Union und FDP im Herbst 2013 abgewählt und die Liberalen sogar in die außerparlamentarische Opposition geschickt haben. Zu chaotisch verlief die gemeinsame Regierungszeit davor, zu enttäuschend für all jene, die dem Gespann Merkel/Westerwelle 2009 ihre Stimme gegeben hatten.

Und doch scheint nach nur einer Amtszeit eine Renaissance nicht unerwünscht. Vier Monate vor der nächsten Bundestagswahl haben die Demoskopen der Forschungsgruppe Wahlen am Ende der vergangenen Woche gemessen, dass 43 Prozent Schwarz-Gelb im Bund gut fänden. Weder eine Fortsetzung der großen Koalition noch ein Dreierbündnis konnte die Befragten so überzeugen wie die Verbindung von Union und FDP.

Rein rechnerisch ist Schwarz-Gelb derzeit gleichwohl ohne Mehrheit; 38 Prozent Zustimmung zur Union und sieben bis acht Prozent zur FDP reichen in einem Parlament, in dem die AfD wahrscheinlich Platz finden wird, nicht zum Regieren. Allerdings hat das Wahlergebnis der „kleinen Bundestagswahl“ in Nordrhein-Westfalen vor einer Woche offenbar die Fantasie der Wähler auch im Bund beflügelt. Wenn es dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner also gelingt, seine Partei wieder in den Bundestag zu bringen, traut man ihr offenbar wieder eine Regierungsbeteiligung zu.

FDP hadert mit Schwarz-Gelb

Und doch hadert insbesondere Lindners FDP nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen mit Schwarz-Gelb, die nun, nach nur eintägiger Sondierung, in Koalitionsverhandlungen eintreten will. Denn genau dieses Ergebnis der Wahl, so die Sorge der Liberalen, könnte böse Erinnerungen an eine FDP als Mehrheitsbeschaffer der Union wieder wachrütteln, ihre politische Eigenständigkeit infrage stellen und Stimmen bei der Bundestagswahl kosten.

Wie zum Beweis dafür, dass ein nordrhein-westfälisches Bündnis nicht geradewegs in bundesweite Gemeinsamkeiten mündet, kritisierte der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff am Wochenende die Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf und warf ihr Versagen in der Flüchtlingspolitik vor. Soll keiner denken, Düsseldorf führt unweigerlich nach Berlin.

Christian Lindner (FDP) wird in NRW ein politisches Kunststück gelingen müssen

Wenn an diesem Dienstag die Koalitionsverhandlungen von Union und FDP in Düsseldorf beginnen, wird Christian Lindner auf jeden Fall ein politisches Kunststückchen gelingen müssen: Einerseits wird er, der Verhandlungsführer seiner Partei, seinen Anteil an einem überzeugenden Regierungsprogramm mit der CDU zu erbringen und Kompromisse einzugehen haben. Schließlich ist die FDP in NRW der kleine Partner. Anderseits darf das Ergebnis, das nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl vorliegen wird, auch nicht nach einem CDU-Plan mit liberalen Einsprengseln aussehen. Dann nämlich wäre die Botschaft kontraproduktiv: Seht her, wer den FDP-Spitzenkandidat Lindner wählt, bekommt Merkel pur. Hilfreich könnte allenfalls die knappe Mehrheit von einer Stimme für Schwarz-Gelb in NRW sein, die erfahrungsgemäß beide Gesprächsseiten diszipliniert und gleichzeitig den kleineren Partner stärkt.

Es droht ein Lagerwahlkampf

Doch auch für die CDU-Vorsitzende Merkel dürften zu frühe schwarz-gelbe Fantasien im Wahlkampf alles andere als erwünscht sein. Eröffnen sie doch der SPD die Möglichkeit eines Lagerwahlkampfes, der Merkels Wunschposition als Überkanzlerin stört und am Ende sogar neue Keile in die fragile Gemeinschaft von CDU und CSU treiben und damit den eigenen Wahlkampf stören könnte.

Zum Beispiel im Bereich Steuerentlastung, wo die „große, wuchtige Steuerreform“ von CSU-Chef Horst Seehofer zu Christian Lindner passt, der die Ankündigungen von Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einer maßvollen Steuerentlastung nach der Wahl als „lächerlich“ bezeichnet hatte. Schon ist er wieder da, der alte schwarz-gelbe Krach ums Geld. Merkels Generalsekretär Peter Tauber sah sich zumindest verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass sich die CDU vor der Wahl nicht auf einen Koalitionspartner festlegen und lieber erst einmal für die eigenen Ziele eintreten solle.

Abseits dessen beflügeln die schwarz-gelben Aussichten aber wirtschaftsliberale und innenpolitische Träumereien in der CDU. Von „größten politischen Schnittmengen“ mit der FDP spricht nicht nur Wolfgang Bosbach. Auch CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn, Vorkämpfer für ein Einwanderungsgesetz, dürfte mit der FDP für seine politischen Ziele Rückenwind bekommen. Am Wochenende twitterte Spahn schon mal ein gut gelauntes Selfie mit Christian Lindner von der Bonner Opern-Gala zugunsten der Aidsstiftung und versah es mit dem Kommentar: „Koalition für den guten Zweck“.

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