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Wenn Bund und Länder verhandeln, kann's danach auch komplizierter werden.
© imago/Sven Simon

Bundesrechnungshof rügt Regierung: Kommt der Bund den Ländern und Kommunen zu weit entgegen?

Dem Bundesrechnungshof herrscht zu viel Mischmasch zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Er verlangt eine Entflechtung. Aber das ist leichter gesagt als getan - wie die Flüchtlingspolitik zeigt.

Dem Bundesrechnungshof sind Bundesregierung und Bundestag zu nachgiebig. Sie finanzieren aus seiner Sicht immer mehr Aufgaben der Länder und Kommunen, obwohl sie das eigentlich gar nicht müssten. „Die Zugeständnisse des Bundes sind kaum noch zu überblicken“, sagte Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofs, am Dienstag in Berlin. „Die zunehmenden Verflechtungen von Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern gehen auf Kosten von Transparenz, Effizienz und Kontrolle“, ergänzte der oberste Rechnungsprüfer auf Bundesebene. Scheller zählt die enge Bund-Länder-Kooperation bei vielen Themen zu den Haushaltsrisiken des Bundes, neben dem ständig steigenden Zuschuss zur Rentenkasse und einem Investitionsrückstand bei der Infrastruktur, vor allem im Straßenbau. Und selbst hier, moniert etwa der Bund der Steuerzahler, sei die Aufgabenverteilung von Bund und Ländern ein Grund dafür, dass die Kosten von Straßenbauprojekten am Ende oft weit höher ausfielen als geplant. Ein Systemfehler also?

Alle Ebenen in Verantwortung

Doch wie es zu dem oft kritisierten Mischmasch kommt, lässt sich gerade wieder exemplarisch nachvollziehen bei der Verteilung der Kosten für Flüchtlinge. Denn auch hier – also beim Asylrecht und seinen Folgen für die Etats – teilen sich die staatlichen Ebenen die Verantwortung, die Aufgabe ist nicht konsequent einer Ebene zugeordnet. Das Asylverfahren ist, wie das gesamte Migrationsrecht, Sache des Bundes – konzentriert vor allem beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Unterbringung und Versorgung aber, also der soziale Aspekt, liegt in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen, Finanzierung eingeschlossen. Die Höhe dieser Finanzierung, also die Kosten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, legt wiederum weitgehend der Bund fest. Wenn die Flüchtlingszahlen stark nach oben gehen, dann haben vor allem Länder und Kommunen ein Problem. Weshalb sie seit Mitte vorigen Jahres beständig beim Bund anklopfen mit Forderungen nach Mitfinanzierung. Im Fall der Flüchtlinge ist die Bundesbeteiligung nun mittels einer Erhöhung des Umsatzsteueranteils für  die Länder geregelt worden: für 2015 mit einer Pauschalsumme in Höhe von zwei Milliarden Euro, für 2016 mit einer Pauschale je Asylbewerberfall von 670 Euro im Monat für die Dauer des Asylverfahrens. Dazu kommen Bundeshilfen an die Kommunen für den Wohnungsbau und die Integration, nicht zuletzt der Flüchtlingskinder.

Neue Einrichtungen

Die gestiegene Verflechtung zeigt sich auch darin, wie der Umgang mit den Asylbewerbern neu organisiert wurde. Demnach gibt es jetzt praktisch drei Unterbringungsmodelle. Die nach dem jüngsten Koalitionskompromiss einzurichtenden „besonderen Aufnahmeeinrichtungen“ sind nach Ansicht des Bundesinnenministeriums zwar Sache der Länder, sind aber als Durchgangslager für aussichtlose Asylbewerber konzipiert, die gar nicht erst an die Kommunen weitergereicht werden. Denn sie sollen in diesen Einrichtungen bleiben, bis ihr Asylverfahren beendet ist - was dem Bund obliegt. Der könnte so in der nächsten Verhandlungsrunde durchaus auch finanziell verantwortlich werden für alle Zuwanderer ohne Bleibeperspektive, also vor allem jene aus sicheren Herkunftsstaaten. Die Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen dann alle anderen Flüchtlinge unterkommen, werden von den Ländern getragen, um die Kommunen zu entlasten. Nach einiger Zeit werden die Flüchtlinge schließlich auf die Städte und Kreise verteilt und kommen damit in die Obhut der dortigen Ausländerbehörden. Die Gefahr erhöhter Bürokratie und damit höherer Kosten ist in diesem System durchaus gegeben.

Zudem besteht aus Sicht des Bundes damit das Risiko, dass er dauerhaft in Anspruch genommen wird. Das ist eben die Besorgnis des Bundesrechnungshofs. In der Asyldebatte hat es immer wieder Stimmen gegeben, der Bund solle sich dauerhaft beteiligen und ganze Kostenblöcke übernehmen. Oder auch die Gesamtkosten während des Asylverfahrens, das ja in seiner Verantwortung liegt – und das sich nicht erst mit dem starken Anstieg der Zahlen seit dem Sommer in die Länge zieht, zum Ärger von Ländern und Kommunen, deren Kosten dadurch steigen. Die Ministerpräsidenten der Länder forderten schon im Herbst vorigen Jahres eine Beschleunigung. Denn nicht anerkannte Asylbewerber dürfen nicht arbeiten; und erst wenn ein Asylverfahren länger als 15 Monate dauert, bekommen die Bewerber Sozialhilfe vom Bund. Anerkannte Asylbewerber, die keine Jobs bekommen, wandern dagegen ins Hartz-IV-System und damit in die Zuständigkeit des Bundes, wobei auch hier ein Teil der Leistungen von den Kommunen finanziert wird.

"Stärkere Entflechtung"

Rechnungshofpräsident Scheller empfahl am Dienstag, dass Bund und Länder sich auf eine „stärkere Entflechtung der Aufgaben und Ausgaben“ verständigen. Sie sollten dazu die laufenden Verhandlungen für einen neuen Finanzausgleich nutzen. Das Asylverfahren nannte er nicht, wohl aber Bildung und Forschung, die Grundsicherung für Arbeitssuchende und den Bundesfernstraßenbau. Letzterer ist seit Jahren ein Thema, weil die Landesverwaltungen auch sämtliche Pläne für Bundesautobahnen und Bundesstraßen machen, während das Bezahlen weitgehend der Bund übernimmt. Der Anreiz, mit Steuergeldern sorgfältig umzugehen, sei aber höher, wenn jede staatliche Ebene ihre eigenen Mittel verwalte. Im Straßenbau hieße das letztlich: Entweder der Bund plant die Straßenselbst, die er baut, oder die Bundesstraßen werden den Ländern übertragen. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, sagte am Dienstag zum Problem der Mischfinanzierungen: „Wir brauchen dringend eine Reform der innerstaatlichen Finanzbeziehungen und wieder klare Verantwortungsstrukturen.“

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