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Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.
© Rainer Jensen/dpa

Verkehrsminister unter Druck: Alexander Dobrindt und die teurer gewordene Ortsumgehung

Eine Übersicht des Bundesverkehrsministeriums offenbart verblüffende Kostensteigerungen bei Straßenbauprojekten binnen eines Jahres. Die Grünen fordern grundsätzliche Änderungen.

„Oberau feiert Alexander den Großen“ – so überschrieb das „Garmisch-Partenkirchner Tagblatt“  Ende Januar 2015 einen Artikel. Gemeint war Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Der war mal wieder in seinem oberbayerischen Wahlkreis unterwegs, in dem auch Oberau liegt. Der Ort wird seit Jahrzehnten von heftigem Durchgangsverkehr belastet, vor allem an Wochenenden, wenn halb Oberbayern in die Berge fährt. Im Januar aber konnte Dobrindt verkünden: Am 1. September ist der Spatenstich für die lang ersehnte Ortsumgehung samt Tunnel. Alexander der Große wurde entsprechend bejubelt.

Dobrindt wies auch darauf hin, dass es ein „sehr teures Projekt“ sei, das da gebaut werde und nannte geschätzte 200 Millionen Euro. Merkwürdig ist nur, dass im Bundeshaushalt 2015, der nur gut zwei Monate zuvor, im November 2014 im Bundestag verabschiedet worden war, noch eine Bausumme von 173,7 Millionen Euro stand. Erst im Haushaltsentwurf für 2016, der derzeit im Bundestag beraten wird, werden die tatsächlich veranschlagten Kosten jetzt mit 205,6 Millionen Euro beziffert. Eine Steigerung binnen eines Jahres um 18 Prozent, von der der Minister aber offenbar schon lange wusste.

Mehr Transparenz

Die Grünen-Fraktion im Bundestag hat eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, in der gebeten wurde, die plötzlichen Kostensteigerungen bei gut 30 größeren und kleineren Verkehrsprojekten zu erklären. Mit dem Entwurf für 2016 wird nämlich eine vom Haushaltsausschuss durchgedrückte Neuerung umgesetzt, wonach das Verkehrsministerium erhebliche Kostensteigerungen bei Bauprojekten gegenüber dem Vorjahr offenlegen muss.

Damit kommt mehr Transparenz in die oft etwas undurchsichtigen Kostenplanungen bei Verkehrsprojekten, die beteiligten Verwaltungen – bei den Bundesstraßen zahlt der Bund, die Länder aber erledigen die Planung – können Steigerungen nicht mehr so leicht verschleiern wie bisher. Aus der Antwort auf die Grünen-Anfrage ergibt sich, dass die nachgefragten Maßnahmen, zu denen auch die Ortsumgehung Oberau gehört, zusammen um knapp 270 Millionen Euro teurer geworden sind als noch im Haushalt 2015 beziffert. Die durchschnittliche Kostensteigerung betrug etwa 40 Prozent.

Die Ortsumgehung in Dobrindts Wahlkreis (die natürlich schon in Planung war, als der CSU-Mann noch gar nicht Abgeordneter war) ist keineswegs der dickste Brocken bei den nun publik gewordenen Kostensteigerungen. Die Ortsumgehung Bad Wünneberg zum Beispiel war binnen eines Jahres plötzlich um 45 Prozent teurer, bei einem Autobahnabschnitt zwischen Mettmann und Hilden lag das Kostenplus bei 74 Prozent, die Instandsetzung der Rheinbrücke Leverkusen verteuerte sich gar um 93 Prozent. 

Nun sind Kostensteigerungen immer möglich, weil sich Material unerwartet verteuert, weil ungeahnte Probleme etwa im Untergrund auftauchen, weil sich Bauwerke in einem noch schlechteren Zustand befinden als gedacht. Bisweilen werden auch erhöhte Grunderwerbskosten genannt.

Die Inflation macht jede Planung teurer

Andererseits ist ein Teil der Kostensteigerungen schlicht inflationsbedingt. Bei der Ortsumgehung, die Dobrindt zum  Lokalhelden gemacht hat, ist das ebenfalls so. Mehr als die Hälfte der Kostensteigerung, gut 16 Millionen Euro, werden durch den geplanten Tunnelbau verursacht. Laut Ministerium sind drei Viertel dieses Zuwachses für den Tunnel „inflationsbedingte Kostensteigerungen von 2010 bis 2014“. Bei den Grünen fragt man sich nun freilich, warum diese allgemein bekannte Preissteigerung über Jahre hinweg nicht schon in früheren Etats berücksichtigt wurde und warum nicht schon im Haushalt 2015 die Kostensteigerung um 18 Prozent vermerkt war.

Für die Grünen-Verkehrspolitikerin Valerie Wilms sind die Kostensteigerungen auch systembedingt – weil eben die Planungen in den Ländern stattfinden, während der Bund bezahlt. "Es besteht ein klarer Anreiz für die Länder, die Kosten von Bauprojekten

möglichst niedrig anzusetzen und bei der Planung nicht allzu genau hinzuschauen“, sagte sie. Stehe ein Projekt erst einmal im Haushalt, werde es auch gebaut - koste es was es wolle. „Mit der goldenen Kreditkarte eines anderen kauft man eben gerne ein. Das Straßenfinanzierungssystem, bei dem die Länder planen und der Bund bezahlt, ist in einer Schieflage. Daran muss sich endlich etwas ändern."

 Wohin mit den Bundesstraßen?

Überlegungen dazu gibt es schon lange. Nur zu einem Ergebnis kommen die Verantwortlichen in Bund und Ländern nicht. Einerseits gäbe es die Möglichkeit, dass der Bund auch die Planung der Straßen übernimmt, für die er zahlt. Andererseits könnte er die Bundesstraßen komplett an die Länder übertragen (mit einem finanziellen Ausgleich) und wäre nur noch für die Autobahnen zuständig, Planung inklusive. Oder aber - dritte Möglichkeit - für den Fernverkehr wichtige Bundesstraßen werden vom Bund geplant und finanziert, die nachrangigen von den Ländern. In jedem Fall wären dann Planungs- und Finanzverantwortung in einer Hand.

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