Die Koalition und die Flüchtlinge: Der winzige Kompromiss
Die Einigung auf Registrierungszentren verschafft der Koalition nur vorübergehend Luft. Die eigentlichen Probleme sind damit nicht gelöst.
Am Tag danach nur Sieger – zumindest in der großen Koalition: CDU, CSU und SPD feierten ihren Kompromiss zur Flüchtlingspolitik am Freitag als Beweis für die Handlungsfähigkeit ihrer gemeinsamen Regierung. Und natürlich nahmen alle drei Parteien für sich in Anspruch, sich durchgesetzt zu haben.
Den Anfang machte schon am frühen Morgen Horst Seehofer, der die Reporterin des ARD-„Morgenmagazins“ zum Frühstück in die bayerische Landesvertretung eingeladen hatte. Als „sehr, sehr gut“, pries der bayerische Ministerpräsident die Vereinbarung mit CDU und SPD. Man habe sich mit Zustimmung der SPD auf die schärfsten Regeln zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen geeinigt, „die es jemals in unserem Land gab“.
Die Sozialdemokraten wiederum lobten sich selbst dafür, Seehofer und der Union die Idee von Transitzonen ausgetrieben zu haben, die aus ihrer Sicht nichts anderes als riesige Haftanstalten gewesen wären. „Die Transitzonen sind vom Tisch. Die Regierungskrise ist beendet, wir gehen jetzt wieder an die Arbeit“, verkündete Fraktionschef Thomas Oppermann. Vergleichsweise bescheiden trat CDU-Generalsekretär Peter Tauber auf: „Die Einigung ist ein weiterer wichtiger Baustein, um Asylverfahren beschleunigen und Abschiebungen schneller durchführen zu können“, sagte er.
Tatsächlich dürfte der Kompromiss vom Donnerstagabend der Koalition nur vorübergehend Luft verschaffen. Denn alle Beteiligten wissen: Die Einrichtung von Registrierungszentren, die so hart umstritten war, kann den Druck kaum lindern. Schnell entschieden werden soll in diesen Zonen nur über einen geringen Anteil der Flüchtlinge. Gerade 2,4 Prozent der Menschen, die über die Grenze kommen, stammen aus sicheren Herkunftsstaaten oder haben aus anderen Gründen so gut wie keine Bleibeperspektive.
Die Länderchefs sind weiterhin unzufrieden
Und kaum war die Botschaft von der Handlungsfähigkeit der Koalition unters Volk gebracht, da begann schon die nächste Konfrontation mit der unschönen Realität – beim Treffen der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder. Die sollen nun regelmäßig stattfinden, alle drei, vier Wochen, denn die Ländervertreter sind mit ihren Informationen aus ihren bis ganz nach unten verzweigten Verwaltungen, mit ihren Polizeikräften, mit ihrem direkten Draht in ihre Kommunen in der Flüchtlingskrise so etwas wie die Wirklichkeitsverstärker für die Entscheider im Bund. Jedenfalls sehen sich die Ministerpräsidenten in dieser Rolle, schon seit Langem. Und seit sie mit ihren weitaus höheren Prognosen der Flüchtlingszahlen schon vor einem Jahr richtig lagen und seither immer noch richtiger, fühlen sich die Länderchefs als Boten des Tatsächlichen in einem Berliner Regierungsapparat, von dem sie glauben, dass er bisweilen nicht so richtig weiß, was eigentlich läuft.
Und seit über einem Jahr beten die Ministerpräsidenten ihre Forderung herunter, dass das Hauptproblem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sei. Das Nadelöhr, wie sie sagen, der Flaschenhals, das größte Hindernis auf dem Weg zu einem geordneten Verfahren für die Registrierung, die Unterbringung und am Ende auch die Integration von Flüchtlingen. Zwar waren sie erleichtert, als der auch in Länderkreisen geschätzte Hans-Jürgen Weise die Leitung des Bamf übernahm. Doch wer sich am Freitag anhörte, was Ländervertreter über das abendliche Treffen berichteten, der hörte die erste Ernüchterung schon deutlich heraus. Es sei keine zufriedenstellende Veranstaltung gewesen, hieß es etwa.
Probleme mit dem Flüchtlingsausweis
Weise will offenbar mit seinem nur langsam wachsenden Mitarbeiterstab im Bamf den aufgelaufenen Antragsstau bis April abarbeiten. Das klingt nach zügiger Auftragserledigung. Doch berichten Länderbeamte an ihre Chefs, dass das Bundesamt derzeit im Monat so viele Anträge von Flüchtlingen bearbeite, wie an drei Tagen nach Deutschland kämen. Weise, so sagen Teilnehmer, habe auch über den geplanten Flüchtlingsausweis berichtet. Der soll jetzt offenbar nicht als Plastikkarte kommen, in die man die Gesundheitskarte gleich integrieren könnte, sondern zunächst nur in Papierform. Die Plastikversion, so Weise, müsse europaweit ausgeschrieben werden, dann dauere das anderthalb Jahre. Daran hatte dann selbst Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) Zweifel.
Unzufrieden sind die Ministerpräsidenten auch damit, dass das zügige Abschieben von rechtskräftig abgelehnten Asylbewerbern stockt, weil Ersatzpapiere nicht ausgestellt werden. Das verweigern oder verzögern die Botschaften der Herkunftsländer. In den Ländern wünscht man sich hier mehr Druck durch das Außenministerium.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fasste die Haltung der Länder am Freitag trocken so zusammen: Für die schnellere Bearbeitung von Asylverfahren fehle immer noch Personal vom Bund, die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern müsse erleichtert, Abschiebehindernisse müssten aus dem Weg geräumt werden.