Autobahngesellschaft: Koalition vertagt die Abstimmung
Die Koalitionsspitzen rudern zurück - der Bundestag entscheidet erst Anfang Juni über die umstrittene Autobahngesellschaft. Wird der Regierungsentwurf noch stärker verändert?
"Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“, sagte Thomas Oppermann am Dienstag, als er bekanntgab, dass die Abstimmung über das große Bund-Länder-Finanzpaket samt Gründung einer Autobahngesellschaft des Bundes verschoben wird. Das Parlament soll jetzt nicht schon am Freitag darüber abstimmen, sondern erst in der nächsten Sitzungswoche, also wohl am 1. Juni oder am 2. Juni. Es ist das letzte große Vorhaben der großen Koalition. Aber in den Koalitionsfraktionen m Bundestag rumort es nach wie vor gewaltig. Vor allem bei den Sozialdemokraten. Die frühe Abstimmung hatte der SPD-Fraktionschef – zusammen mit seinem Kollegen Volker Kauder von der Union – durchdrücken wollen.
Nun hat Oppermann offenbar erkannt, dass die Sache noch gar nicht abstimmungsreif ist. „Für die SPD-Fraktion kommt eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft nur in Frage, wenn eine Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür rechtssicher ausgeschlossen wird“, sagte er. „Für die Beratung der erforderlichen Grundgesetzänderungen werden wir uns die notwendige Zeit nehmen. Es ist gut, dass die Koalition sich einvernehmlich darauf geeinigt hat, dass die Reform der Bund-Länder-Finanzen verschoben und diese Woche noch nicht verabschiedet wird."
Längere Sitzung der SPD-Fraktion
Zeit genommen hat sich die SPD-Fraktion am Dienstag in der Tat. Die Sitzung begann eine Stunde früher, um den internen Streit zu klären. Die Haushalts- und Verkehrspolitiker der Fraktion hatten sich schon in der vorigen Woche stundenlang miteinander beschäftigt, um zu einer gemeinsamen Linie zu kommen. Die Fraktionslinke wiederrum hat noch einmal eigene Vorstellungen, wie die Autobahngesellschaft aufgestellt werden soll. Auch in der Unionsfraktion, die am Dienstag ebenfalls das Thema beriet, gibt es noch Dissens. Denn die schwarz-roten Mitglieder im Haushaltsausschuss des Bundestages haben den Regierungsentwurf für die Infrastrukturgesellschaft des Bundes, die sich künftig um das Planen und Bauen der Autobahnen kümmern soll, stark verändert. Privatisierungsmöglichkeiten wurden herausgenommen, eine stärkere Kontrolle durch Parlament und Bundesrechnungshof wurden eingebaut.
Das Organisationsmodell von Dobrindt, das er auch mit Blick nach Bayern gebastelt hatte, wurde praktisch völlig gekippt. Wie es heißt, versuchen der Verkehrsminister und die CSU nun, den Kompromiss der Haushaltspolitiker wieder zurückzudrehen. Ein Satz des CDU-Haushaltspolitikers Eckhardt Rehberg vom Dienstag war daher auch an die eigenen Kollegen in der Fraktion gerichtet: „Unionsseitig haben wir uns bei den Beratungen intensiv für die Interessen des Bundestages und des Bundes eingesetzt.“ Zum Hintergrund muss man wissen, dass das Bauen und Planen der Fernstraßen bisher Sache der Länder ist. Der Bund ist nur Auftrag- und Geldgeber. Mit einer Organisation, in der eine Reihe regionaler Tochtergesellschaften vorgesehen ist, versuchte Dobrindt, einen gewissen Landeseinfluss zu wahren. Denn in München, zumindest beim dortigen Verkehrsminister Joachim Herrmann, kam die Entmachtung der Länder beim Straßenbau nie gut an. Der Kompromiss der Haushaltspolitiker der Koalition im Bundestag bedeutet aber eine noch stärkere Zentralisierung.
Sind Privatisierungsmöglichkeiten wirklich verhindert?
Wie die Machtkämpfe innerhalb der Fraktionen und zwischen Parlament und Regierung enden, ist unklar. Rehberg betonte, man habe mit der SPD in vielen Fragen eine große Übereinstimmung erzielt. Den neuralgischen Punkt aber sprach er auch an: „Der immer wieder vorgetragene Vorwurf, dass Autobahnen privatisiert werden können, trifft nicht zu.“ Das aber sieht man in der SPD-Fraktion etwas anders. Dort reichen vielen Abgeordneten die von den Haushältern vereinbarten Privatisierungshürden nicht aus. Sie wollen mehr. Schon ist davon die Rede, dass das Vorhaben der Autobahngesellschaft aus dem Gesamtpaket herausgelöst werden soll.
Denn bei der Autobahngesellschaft geht es nicht zuletzt um die Frage, ob und wie weit es möglich sein wird, deutsche Autobahnen in die Hände von privaten Betreibern zu geben. Und damit im Zusammenhang mit der Mauterhebung für Pkw und Lkw zu einer völlig neuen Finanzierung des Fernstraßenbaus zu kommen. Möglicherweise mit einem Ergebnis ähnlich wie in Frankreich, wo einige Großkonzerne sich das Autobahnnetz und die Einnahmen aus der Nutzungsgebühr teilen, während der Staat Einfluss auf das Fernstraßennetz verliert.
Kompromiss im Haushaltsausschuss
Die Haushaltspolitiker der Koalition wollen das verhindern. Sie fordern daher vor allem, dass die Autobahngesellschaft ausschließlich über den Bundesetat finanziert wird. Einen Nebenhaushalt, in den die Mauteinnahmen fließen würden und der sich zudem eigenständig verschulden könnte, lehnen sie ab. Die Maut würde also zuerst in den Bundeshaushalt fließen – ihre Höhe wäre damit Parlamentssache. Kredite könnte die Gesellschaft nicht mehr aufnehmen, auch die Möglichkeit, Altschulden des Bundes auf die Gesellschaft zu übertragen, soll es nicht geben.
Eine Beteiligung von Privaten an der Gesellschaft, und zwar unmittelbar wie auch mittelbar, wird ausgeschlossen. Das soll im Artikel 90 des Grundgesetzes dauerhaft verankert werden. Hier haben die SPD-Haushälter eine schärfere Formulierung durchgesetzt, die auch stille Beteiligungen ausschließen soll. Die Planung und die Finanzierung von einzelnen Projekten bedürfen der Zustimmung des Haushalts- und des Verkehrsausschusses des Bundestags. Die Zahl der Tochtergesellschaften wird auf drei beschränkt, sie sind „unveräußerlich“ und sollen nur unterstützende Funktion haben, also nicht eigenständig arbeiten.
Bis zu neun regionale Organisationseinheiten sind erlaubt, aber nur als „nicht selbstständige Einrichtungen“. Über eigenständige Tochtergesellschaften wäre eine Teilprivatisierung von Autobahnnetzen möglich geworden, etwa im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP). Diese sind zwar weiterhin möglich, aber begrenzt auf eine Länge von 100 Kilometern (solche gibt es jetzt schon) und nicht in Verbindung mit anderen Vorhaben. In der SPD gibt es Bestrebungen, auch hier eine Absicherung im Grundgesetz zu suchen, um „Teilnetz- ÖPP“, also eine Quasi-Privatisierung großer Strecken zu verhindern.
Eine Trennung von Bund-Länder-Finanzpaket (mit dem neuen Finanzausgleich) und Autobahngesellschaft forderten am Dienstag auch die Linken-Fraktionschefs Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht. "Das verantwortungslose Ränkespiel innerhalb der großen Koalition zur Einführung einer Autobahnprivatisierung durch die Hintertür darf nicht zu einer Blockade der Bund-Länder-Finanzreform führen und damit zu Lasten der Länder gehen", sagte sie. Freilich war die Einführung der Autobahngesellschaft eine Bedingung der Bundesregierung, dem Finanzausgleichsmodell der Länder letztlich zuzustimmen.
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