Diesel-Skandal: Koalition hat sich geeinigt, doch die Industrie spielt nicht mit
Die Bundesregierung will mit neuen Angeboten die Unsicherheit für Dieselfahrer ausräumen. Doch noch immer ist unklar, wer die Maßnahmen bezahlt.
Nach rund sechsstündigen Beratungen haben sich die Spitzen der großen Koalition auf ein Maßnahmenpaket gegen Diesel-Fahrverbote geeinigt. Beschlossen wurde ein „Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten“, wie am frühen Dienstagmorgen in Berlin mitgeteilt wurde.
Die Besitzer älterer Diesel-Fahrzeuge in besonders schadstoffbelasteten Städten und deren Umland sollen nach dem Willen der Koalitionsspitzen zwischen einem Umtausch- und einen Nachrüstangebot wählen können. "Die deutschen Automobilhersteller haben dem Bund zugesagt, den Fahrzeughaltern von Euro 4 und Euro 5 Diesel-Fahrzeugen ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten anzubieten", heißt es in dem Reuters am Dienstag vorliegenden Beschlusspapier des Koalitionsausschusses aus der Nacht zum Dienstag.
Wolle ein Euro-5-Halter dagegen eine Hardware-Nachrüstung mit einem SCR-System und sei diese verfügbar und geeignet, erwarte der Bund vom jeweiligen Autohersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich Einbau übernehme. Die Hardware-Nachrüstungen sollen den Stickoxidausstoß auf weniger als 270 mg/km reduzieren. Die Haftung trügen die Nachrüster, hieß es in dem Dokument.
Nach der Sitzung hatte SPD-Chefin Andrea Nahles bereits verkündet, es gebe eine Verständigung zu umstrittenen Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel. Diese Verständigung gilt allerdings wohl nur für die drei Parteien der großen Koalition. Mit den Auto-Herstellern ist noch keine Einigung über die Übernahme der Kosten getroffen worden.
So haben sich etwa BMW und Opel entschlossen, keine Nachrüstungen zu bezahlen. Sie werden wohl ausschließlich Prämien beim Erwerb eines anderen Fahrzeugs in Aussicht stellen. Aus Sicht von Opel seien die Nachrüstungen "ökonomisch nicht sinnvoll und technologisch nicht ausgereift". Auch VW widersprach der im Konzeptpapier der großen Koalition der Angabe, die Hersteller würden die Kosten voll übernehmen. Im Vorfeld hatten die Wolfsburger eine Kostenübernahme in Höhe von 80 Prozent zugesagt.
Der schon immer übliche Neuwagenrabatt heißt ab jetzt also Umtauschprämie. Sonst ändert sich nix. Und der betrogene Autofahrer wird weiter allein gelassen!
schreibt NutzerIn heiko61
Nach den jüngsten Regierungskrisen wollten Union und SPD auch Handlungsfähigkeit beweisen. In Bayern und Hessen werden in diesem Monat die Landtage neu gewählt. Nahles sprach mit Blick auf die Diesel-Problematik von einer ausgesprochen komplexen Einigung.
Auch ausländische Hersteller wollen bei Prämien mitziehen
Bereits nach dem Dieselgipfel von Bund und Autobranche 2017 hatten die deutschen Hersteller Prämien von bis zu 10.000 Euro aufgelegt. Diese nahmen mehr als 200.000 Kunden in Anspruch, wie es im Juli hieß. Dieser Effekt reichte der Regierung aber nicht. Generell können Kunden beim Autokauf mit Rabatten von einigen Tausend Euro rechnen.
Dem Importeursverband VDIK zufolge wollen auch ausländische Hersteller bei den Prämien mitziehen. Von den vom Verband vertretenen Herstellern werde "eine Vielzahl nach Bekanntgabe der Rahmenbedingungen attraktive Umtauschprämien anbieten", sagte Reinhard Zirpel, Präsident des Verbands der Internationalen Kraftfahrzeughersteller dem Tagesspiegel. Eine Beteiligung an Hardware-Nachrüstungen lehnen die Hersteller aus dem Ausland allerdings ab. Diese "stoßen bei uns auf rechtliche, technische und wirtschaftliche Bedenken", sagte Zirpel.
Hintergrund für die neuen Maßnahmen ist zu schmutzige Luft in vielen deutschen Städten. Diesel-Abgase sind ein Hauptverursacher dafür. Daher drohen Fahrverbote für ältere Diesel. In Hamburg sind schon zwei Straßenabschnitte für sie gesperrt. In Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot geplant. Kürzlich hatte ein Gericht auch Fahrverbote für die Innenstadt der Pendlermetropole Frankfurt am Main ab 2019 angeordnet. Die EU-Kommission macht ebenfalls Druck und will Deutschland per Klage beim Europäischen Gerichtshof zur Einhaltung der Grenzwerte zwingen, die schon seit 2010 verbindlich sind.
Neben Maßnahmen gegen Diesel-Fahrverbote ging es bei dem Gipfel im Kanzleramt am Montag auch um Details für die Zuwanderung von Fachkräften. Auch hier errangen die Spitzen von Union und SPD einen Kompromiss. (dpa, Reuters)