Autobahngesellschaft: Koalition einig - SPD sieht Privatisierungsgefahr gebannt
Nach hartem Ringen verständigen sich die Koalitionäre im Bundestag auf die Gründung der neuen Autobahngesellschaft. Die CSU holt noch Zugeständnisse an Bayern heraus.
Etwas mehr Privatisierungsbremsen im Grundgesetz für die Sozialdemokraten, mehr Landeseinfluss beim Planen von Autobahnen für die CSU – mit einem Handwerkerkompromiss haben die Spitzen der Koalitionsfraktionen am Mittwoch den seit Wochen schwelenden Konflikt um die Gründung einer Bundesautobahngesellschaft beendet. Und damit das große Bund-Länder-Finanzpaket gerettet, dessen Mittelpunkt der neue Finanzausgleich ist. An diesem Donnerstag werden die Fraktionen von Union und SPD in Sondersitzungen über die Lösung in Kenntnis gesetzt, die nötige Zweidrittelmehrheit – wegen einer ganzen Reihe von Grundgesetzänderungen – gilt offenbar als sicher, obwohl es bei den Sozialdemokraten noch Unzufriedenheit geben könnte. Endgültig beschlossen werden soll das Paket im Bundestag Anfang Juni.
In der Autobahngesellschaft – offiziell Infrastrukturgesellschaft Verkehr – soll frühestens ab 2021 die Planung und das Bauen von Autobahnen beim Bund zentralisiert werden. Bisher erledigen das die Länder im Auftrag des Bundes. Die Neuordnung der Straßenbauverwaltung war eine Bedingung der Bundesregierung, den Ländern im Finanzausgleich mit gut neun Milliarden Euro zusätzlich entgegenzukommen. Doch kamen im Bundestag schnell Befürchtungen auf, die Regierung könnte die Gesellschaft, die privatrechtlich als GmbH gegründet wird, zu einer Privatisierungsstrategie nutzen. Etwa indem sie Private an der Gesellschaft beteiligt oder sogar große Teile des Autobahnnetzes an private Betreiber vergibt. Das aber wollten vor allem die Haushaltspolitiker der Koalitionsfraktionen nicht, weshalb sie den Regierungsentwurf massiv abänderten. Privatisierungsmöglichkeiten wurden ausgeschlossen, die Gesellschaft darf sich nicht eigenständig verschulden, ihre Finanzierung läuft ausschließlich über den Bundeshaushalt, was auch für die Mauteinnahmen gilt. Die Koalitionäre weiteten die Kontroll- und Steuerungsrechte von Parlament und Bundesrechnungshof deutlich aus. Zudem wurde das Organisationsmodell von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stärker zentralisiert.
Was soll in die Verfassung?
Umstritten war vor allem, welche Privatisierungsbremsen ins Grundgesetz sollten. Während der Union Absicherungen im einfachen Gesetz genügten, wollten die Sozialdemokraten – unterstützt vom Rechnungshof – grundgesetzliche Absicherungen. Zwei konnte die SPD jetzt durchsetzen: Zum einen wird eine Beteiligung Dritter an der Gesellschaft (und deren Tochtergesellschaften) sowohl unmittelbar als auch mittelbar ausgeschlossen, zum anderen wird in der Verfassung verankert, dass größere zusammenhängende Teile der Autobahnen (Teilnetze) nicht in Form öffentlich-privater Partnerschaften gebaut und betrieben werden dürfen. Während Unions-Fraktionschef Volker Kauder mit Blick auf die Privatisierungsbefürchtungen sagte, die SPD habe sich „mehr Sorgen als notwendig gemacht“, betonte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann betonte, man habe jetzt eine „wasserdichte Hülle um die Gesellschaft gezogen“. Für weitere ÖPP sehe er ohnehin keinen Bedarf, weil der Bund genügend Mittel habe, um ohne Private auszukommen. Im Lager der Haushälter wurde der Kompromiss mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Die SPD-Verhandlerin Bettina Hagedorn sagte dem Tagesspiegel: „Im Ergebnis ist das Glas eher halb voll als halb leer.“
Zugeständnisse an Bayern
Der Preis für die Grundgesetzabsicherung war das Zugeständnis an Bayern, dass die Gesellschaft – wie ursprünglich von Dobrindt geplant – regionale Tochtergesellschaften gründen darf, die eine gewisse Selbständigkeit haben dürften. Die Haushälter wollten dagegen nur unselbständige regionale Organisationseinheiten unter direkter Kontrolle der Muttergesellschaft in Berlin. Nun können die Länder wohl doch etwas mehr in die Autobahngesellschaft und ihre Planungen hineinwirken, zumal über eine Klausel im Gesetz – auch das ein dringender bayerischer Wunsch – ermöglicht wurde, dass Länder auf Antrag die Planfeststellungsverfahren beim Autobahnbau weiterhin selber erledigen dürfen.
Mit dem Kompromiss vom Mittwoch ist der Weg frei für die Zustimmung zum Bund-Länder-Finanzpaket, das Kauder als "eines der größten Reformwerke" der Koalition bezeichnete. Er sei sich in den letzten Wochen nicht mehr immer ganz sicher gewesen, "dass das reibungslos funktioniert". In der Tat waren die Diskussionen zwischen Parlament und Regierung, zwischen den Koalitionären im Bundestag und auch innerhalb der Fraktionen zum Teil heftig. Die entscheidenden Runden zur Autobahngesellschaft in der vorigen Woche dauerten teils mehr als zwölf Stunden. Am Dienstagabend machten dann die Fraktionsspitzen gemeinsam mit Dobrindt den Sack zu, nachdem noch am Montagabend die eigentlich für diesen Freitag vorgesehene Schlussabstimmung im Bundestag abgeblasen worden war. Wie glatt der Kompromiss nun durch die Fraktionen geht, ist offen - insbesondere bei den Sozialdemokraten haben Parteilinke nach wie vor Bedenken, weil ihnen die grundgesetzlichen Absicherungen nicht genügen.
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