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Das mit Steinkohle betriebene Kohlekraftwerk Jaworzno im Oberschlesischen Industriegebiet.
© Jan Woitas/dpa

Gipfel in Polen: Klimaschutz braucht soziale Abfederung

Das Steuersystem muss umgekrempelt und grüner Strom endlich billiger werden. Doch den Regierungen fehlt der Mut. Ein Kommentar.

Wie lässt sich der Übergang in eine neue, klimaneutrale Wirtschaft für die Menschen in den Industrieländern gerecht gestalten? Bisher wurde diese Frage bei Klimakonferenzen noch nie so deutlich gestellt wie bei der jetzt beginnenden in Kattowitz. Die polnische Regierung hat eine Erklärung dazu vorbereitet.

Darin heißt es, Klimaschutz ohne soziale Abfederung etwa für die Kohlekumpel werde keine Akzeptanz finden und berge erhebliche politische Risiken für Regierungen. Diese Einschätzung ist angesichts der Proteste in Frankreich, die sich an höheren Spritpreisen entzündeten, nur allzu realistisch.

Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie

Ging es bei den Klimakonferenzen um Moral, dachte man bisher an die Menschen in Entwicklungsländern. Sie haben zur Klimakrise kaum beigetragen, leiden aber schon heute viel mehr unter den Folgen als die Industrienationen. Climate Justice – Klimagerechtigkeit, fordern Umweltorganisationen deshalb seit Langem für den globalen Süden.

Hinzu tritt jetzt das Konzept der „Just Transition“, des gerechten Übergangs für die Arbeitnehmer im industrialisierten Norden. Das ist ein gutes Zeichen, denn es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie eines Umbaus von Wirtschaft und Konsum. Dabei soll niemand zurückgelassen werden, fordert die internationale Gewerkschaftsbewegung, aus der der Gedanke der Just Transition stammt.

Grüner Strom muss billiger werden

Damit ist der Weg frei, den sozialen Preis von konsequentem Klimaschutz ehrlich anzuschauen und gerechte Antworten zu finden. So hat Deutschland mit die höchsten Strompreise in Europa. Das liegt nicht nur an der Energiewende, sondern auch an den hohen Steuern und Abgaben auf Elektrizität.

Würde man grünen Strom billiger machen und die fossilen Energien teurer, könnte es sich rechnen, mit strombetriebenen Wärmepumpen zu heizen statt mit Öl. Die Wärmewende würde endlich angepackt, der Ausstoß von Treibhausgasen könnte stark sinken. Die Besitzer einer Ölheizung aber müssten dann mehr zahlen oder umrüsten.

Wäre das gerecht? Wenn sie die Investitionen steuerlich absetzen könnten, wahrscheinlich ja. Um das Steuersystem klimaneutral umzukrempeln, fehlt der Regierung jedoch der Mut. Bis zur Bayernwahl war das ohnehin ausgeschlossen. Höhere Spritpreise hätten zu viel Konfliktstoff in dem Flächenland gebracht.

Doch auch nach der Wahl weigern sich Wirtschafts- und Finanzminister standhaft, über eine CO2-Steuer nachzudenken, obwohl es durchaus Modelle gibt, die Einnahmen gerecht zu verteilen. So zahlt die Schweiz die Einnahmen aus ihrer CO2-Steuer über die Krankenversicherung an die Bürger zurück.

Die Politik muss den Ängsten der Verbraucher offensiv begegnen

Das Dilemma der Politik besteht darin, dass sich eine klimaneutrale Wirtschaft zwar langfristig rechnet, wie erst kürzlich wieder die neue EU-Strategie für ein klimaneutrales Europa bis 2050 zeigte. Von den ersparten Schäden durch klimabedingtes Extremwetter mal ganz abgesehen, wären die Investitionen ein Jobmotor.

Die Wirtschaft würde stärker wachsen als ohne Klimaschutz. Aber hier und heute müssten Wirtschaft und Verbraucher mit ganz neuen Rahmenbedingungen zurechtkommen. Allein Umstellung auf Elektromobilität weckt die Angst vor massiven Jobverlusten, weil Elektroautos so viel einfacher herzustellen sind als Verbrenner. Die Just Transition ist ein Weg, diesen Ängsten zu begegnen und das Versprechen einer besseren Zukunft auf einem gesunden Planeten einzulösen.

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