Zehn Jahre iPhone: Kleines Gerät mit ganz großer Wirkung
Das Smartphone versklavt und befreit uns, macht uns klüger und dümmer. Und in Entwicklungsländern ist das Gerät auch für die Emanzipation der Frauen enorm wichtig. Ein Kommentar.
Wie sehr das Smartphone das Leben verändert hat, zeigt sich vor allem dann, wenn es gestohlen wird oder verloren geht. Banküberweisungen sind plötzlich nicht mehr möglich, die Kontakte weg. Wer sich auf das Abenteuer Smarthome eingelassen hat, kann möglicherweise nicht einmal mehr die Heizung in Gang bringen. Das Gerät, das seinen Siegeszug vom Manager-Blackberry über das iPhone, das gerade zehn Jahre alt geworden ist, bis zu dessen erfolgreichen Konkurrenten aus aller Welt angetreten hat, beherrscht den Alltag. Und das nicht nur in der entwickelten Welt, wie in Deutschland, wo 78 Prozent der Bevölkerung ein Smartphone besitzen – und sich täglich im Schnitt zwei Stunden am Tag damit beschäftigen.
Das Smartphone ist die Basis für ganz neue Wirtschaftszweige. Mit Apps für die mobilen Anwendungen sind Entwickler reich geworden. Rein mobile Dienste wie WhatsApp, aber auch soziale Medien wie Twitter, Facebook oder Instagram werden meistens von mobilen Geräten wie Smartphones oder Tabletcomputern bedient, auch wenn einige noch auf dem PC funktionieren. Sie sind die Basis für das autonome Fahren, für die Digitalisierung der Energieversorgung und der gesamten industriellen Produktion. Und sie sind Datenkraken, mit deren Hilfe Internetkonzerne und Geheimdienste jederzeit wissen können, wo sich jemand aufhält, wen er kennt und wie oft er ins Internet geht.
In Europa fragen sich einige schon, ob die Geräte Menschen in eine moderne Sklaverei zwingen und ob oder wie sie ihnen wieder entkommen können. In Entwicklungsländern haben sie für viele Menschen einen Weg aus Abhängigkeiten gewiesen und reale Probleme gelöst.
Das mobile Geld ist eine Revolution in Afrika
In Kenia, wo 38 Millionen der etwa 43 Millionen Einwohner ein Smartphone oder zumindest ein Mobiltelefon besitzen, haben findige junge Programmierer eine App entwickelt, die selbst mit einem uralten Mobiltelefon genutzt werden kann. Statt einer WhatsApp-Nachricht kommt dort eben eine Kurznachricht als SMS an. Sie ermöglicht Bauern, die Preise für ihre Produkte abzufragen und zu entscheiden, ob sich der Aufwand lohnt, die Güter zum Markt zu tragen. Mit ihr lernen Amateurkleinbauern, ihre Felder besser zu bestellen. Katastrophenversicherungen zahlen Hirten über das Mobiltelefon Geld aus, wenn die Dürre länger anhält. Wenn Menschen in den Trockengebieten hungern, schickt ihnen die Regierung eine bescheidene Sozialhilfe auf ihr Handy Hilfsorganisationen zahlen Gehälter und Nahrungsmittelhilfe mobil.
Das mobile Geld, erfunden von Safaricom, einem ehemaligen Staatsmonopolisten, hat zunächst in Kenia und dann in immer mehr afrikanischen Ländern einfach alles verändert. Arme, die nie eine Chance auf ein Konto bei einer regulären Bank hatten, bekommen es nun mit ihrem Mobiltelefon. Um Geld zu verschicken, muss nicht mehr ein teurer Geldtransferkonzern genutzt werden. Es wird einfach von einem Mobiltelefon auf ein anderes überwiesen. Der Empfänger kann es sich bei jedem Kiosk abholen, der auch Telefonguthaben verkauft.
Für die Emanzipation nicht nur afrikanischer Frauen ist das mobile Geld in etwa so wichtig, wie es die Waschmaschine für Frauen in den Industrieländern der 1950er Jahre war. Sie verfügen nun selbst über ihr Geld – ihre Männer, Freunde, Brüder oder Väter haben keinen Zugriff mehr darauf. Mithilfe mobiler Geräte können Wahlbeobachter Ergebnisse sofort verbreiten. Sie stärken die Demokratie durch bessere Information und verschaffen Minderheiten Gehör. Zugleich schwächen die neuen Kommunikationswege aber auch demokratische Strukturen, weil sie in Windeseile Falschmeldungen und Hasspropaganda in alle Welt verschicken.
Das Smartphone wird auch die Zukunft prägen: uns versklaven und befreien, klüger machen – und dümmer. Es wird uns Energie sparen helfen und unsere Autos steuern. Es ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.