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Ab Samstag gilt in allen Regionen ab einer Inzidenz von 100 eine Ausgangssperre,
© dpa

Ausgangssperre ab Samstag auch in Berlin: Klagewelle gegen Bundes-Notbremse rollt an

FDP, Freie Wähler und weitere Gruppen haben eine Verfassungsbeschwerde gegen die Notbremse angekündigt. Für Merkel wäre das Kippen eine schwere Niederlage.

Mit einer Klagewelle sollen die ab diesem Wochenende fast überall in Deutschland geltenden Ausgangssperren von 22 Uhr bis 5 Uhr gekippt werden. Auch in Berlin greift diese Maßnahme, deren Start für Samstag festgelegt worden ist und für alle Regionen mit einer Inzidenz von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern in sieben Tagen gilt.

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Bundesweit liegt der Schnitt bei 176. Das bedeutet, dass die Ausgangsbeschränkungen noch für Wochen gelten könnten – wenn sie vor Gericht Bestand haben.

Ein Fingerzeig kommt nun aus Mecklenburg-Vorpommern. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Greifswald hat die in der Corona-Landesverordnung zuvor bereits verankerte Ausgangssperre für Regionen mit hohen Inzidenzen für unzulässig erklärt. Es bewertete sie als „unverhältnismäßigen und schwerwiegenden Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit“.

Gekippt und gleich eine neue Ausgangssperre

Das Kuriose: Ab Samstag gelten trotz des Urteils in diesen betroffenen Regionen wieder Ausgangssperren – nun aber gemäß des geänderten und soeben in Kraft getretenen Bundesinfektionsschutzgesetzes. Damit werden bundeseinheitliche Regeln, die sogenannte Corona-Notbremse, festgeschrieben.

Gegen diese kann nur beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geklagt werden. FDP, Freie Wähler und viele weitere Klägergruppen haben schon Verfassungsbeschwerde angekündigt. Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die auf diese Durchgriffsrechte des Bundes für eine konsequentere Pandemie-Bekämpfung gepocht hatte, wäre ein Kippen in Karlsruhe eine schwere Niederlage, wenige Monate vor Ende ihrer Amtszeit.

Moniert wird unter anderem, dass sich die Regelung allein an der Inzidenz orientiert. Auch das niedersächsische OVG mit Sitz in Lüneburg hatte jüngst eine für die Region Hannover verhängte Ausgangsperre gekippt.

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Auto Autofahren nach 22 Uhr untersagt

Die nun bundesweit geltenden Ausgangssperren sehen vor, dass man nach 22 Uhr nicht mehr mit dem Auto herumfahren darf, wenn man nicht Ausnahmetatbestände wie einen Notfall oder berufliche Gründe anbringen kann. Auch Bahnreisen zu touristischen Zwecken sind untersagt. Erlaubt sind von 22 Uhr bis 24 Uhr noch Sport oder Spaziergänge.

Hält die von ihr gewünschte Ausgangssperre in Karlsruhe? Kanzlerin Angela Merkel
Hält die von ihr gewünschte Ausgangssperre in Karlsruhe? Kanzlerin Angela Merkel
© imago/photothek

Viel Arbeit für die Verfassungsrichter

Auch Berliner Politiker von SPD, Linke und Grünen haben Verfassungsbeschwerde gegen die Maßnahme eingelegt. „Die Ausgangssperre so wie sie vom Bundesgesetzgeber beschlossen wurde, ist ineffektiv und völlig unverhältnismäßig und verfassungswidrig“, sagte Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

„Wenn man Grundrechtseingriffe macht, muss man schauen, ob die Maßnahmen überhaupt geeignet sind.“ Das sei hier fraglich, das Infektionsrisiko draußen sei sehr gering.

Der Berliner Kultursenator und Bürgermeister Klaus Lederer (Linke) kritisierte die Notbremse beim Linke-Parteitag in Berlin am Freitagabend als „unsozial und rein symbolisch“. Er sprach von einer „bürgerrechtlich hochproblematischen und weitgehend wirkungslosen Ausgangssperre“.

Ihre Verfassungsbeschwerde legen Schlüsselburg und weitere Linken-Politiker in Abstimmung mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte ein. Diese hatte ein Gutachten veröffentlicht, wonach die vom Bund entwickelte Ausgangssperre verfassungswidrig ist.

Auf diese Expertise baut auch der SPD-Politiker Sven Kohlmeier. Er will ebenfalls Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen. „Die Klage wird am Sonntag rausgehen“, sagte er. Kohlmeier sprach von einer „deutlich verbreiteten Haltung in der SPD-Fraktion“.

Auch die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Petra Vandrey schloss sich der Klage an. Möglicherweise würden sich noch weitere Politiker anschließen, sagte Kohlmeier.

Die SPD hatte im Bundestag die Maßnahme mit beschlossen, und die SPD-regierten Länder stoppten sie auch nicht im Bundesrat. (mit dpa)

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