zum Hauptinhalt
Matthias Katsch, Sprecher des Betroffenenverband "Eckiger Tisch". Katsch ist ehemaliger Schüler des Canisius-Kollegs Berlin, einer Jesuitenschule.
© Arne Dedert/dpa

Missbrauchsopfer der katholischen Kirche: Kirche hatte "nie ein Interesse, alle Opfer zu erfassen"

Die katholische Kirche muss sich ihrer Schuld stellen, fordert der Sprecher der Missbrauchsopfer-Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch.

Der Sprecher der Initiative „Eckiger Tisch“ von Missbrauch Betroffener, Matthias Katsch, fordert die katholische Kirche in Deutschland auf, sich ihrer Schuld zu stellen und mehr für die Aufklärung von Missbrauch zu tun als bisher. Er sagte dem Berliner „Tagesspiegel“ (Sonntagausgabe), dass die Dimensionen in Deutschland bei einer unabhängigen Aufklärung wie zuletzt in den USA ähnlich dramatisch sein könnten wie dort: „Für die deutsche Studie durften ja ganze Bereiche der Kirche gar nicht untersucht werden“, sagte Katsch – „die Ordensgemeinschaften etwa, darunter also auch das Canisius-Kolleg in Berlin, an dem ich Opfer wurde. Auch die Heimerziehung und die Frauen-Kongregationen wurden nicht berücksichtigt.“

Die Institution Katholische Kirche habe auch „nie ein Interesse“ gehabt, „alle Opfer zu erfassen“, sagte Katsch dem „Tagesspiegel“ – sie habe „das Verbrechen des Kindesmissbrauchs gar nicht wahrgenommen, sondern hatte vielmehr den Verstoß des Klerikers gegen sein Zölibat-Versprechen im Blick“. Im Kirchenrecht sei das bis heute so.

„Die Bischöfe fahren diese Kirche an die Wand", kritisiert Katsch die Bischofskonferenz der katholischen Kirche, die keine konkreten Schritte beschlossen habe: „Jetzt will man über bestimmte Themen nachdenken. Offensichtlich wollen sich die Bischöfe sehr viel Zeit lassen beim Thema Missbrauch. Das ist sehr wenig angesichts der Bestürzung, die sie zuvor gezeigt hatten“, sagte Katsch. Die Kirche entschädige Opfer bisher auch nicht: „Sie leistet nur eine symbolische Anerkennung. Der Unterschied ist enorm.“ Denn durch Anerkennung des Leids, nicht aber der Schuld werde diese „allein auf die Täter abgewälzt, aber die Mitschuld der Institution für die Tat und den Umgang mit der Tat beiseitegewischt. Das erleben Opfer als ein zweites Verbrechen“ und als eine Mischung aus Herblassung und schlechtem Gewissen.

Das Zölibat ist für Katsch nur ein Teil des Problems: „Es geht um den missbräuchlichen Umgang mit Macht, das überkommene Verständnis von Sexualität und das neurotische Verhältnis zur Homosexualität. Die Rolle des Priesters und die priesterliche Lebensform muss angegangen werden, auch wenn es keinen direkten Zusammenhang von Missbrauch und Zölibat gibt. Der Kampf gegen Missbrauch wird erfolglos bleiben, wenn das Pflichtzölibat mit seinen Nebenwirkungen aufrechterhalten bleibt.“

Matthias Katsch arbeitet als Unternehmensberater und war von 1973 bis 1981 Schüler des Berliner Canisius-Kollegs. Er wurde dort Missbrauchsopfer von Serientätern und hat mit anderen Betroffenen die Initiative „Eckiger Tisch“ gegründet. Der Verein streitet für Aufklärung, Hilfe und Entschädigung für die Betroffenen im Kontext der katholischen Kirche. Katsch ist seit 2015 Mitglied des Betroffenenrats beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung und arbeitete 2010/2011 bei Katsch am Runden Tisch sexueller Kindesmissbrauch mit.

Das vollständige Interview mit Matthias Katsch lesen Sie im gedruckten Tagesspiegel am Sonntag oder im E-Paper.

Zur Startseite