Nach Missbrauchsstudie: Justizministerin Barley pocht auf Öffnung aller Kirchenarchive
Die katholische Kirche müsse mehr tun zur Aufklärung des Missbrauchsskandals, fordert die SPD-Politikerin. "Das Problem ist die Wagenburgmentalität."
Nach der Veröffentlichung einer Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche pocht Bundesjustizministerin Katarina Barley darauf, dass alle diesbezüglichen Unterlagen offen gelegt werden. „Natürlich erwarte ich von der Kirche, dass sie ihre Akten zugänglich macht“, sagte die SPD-Politikerin der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Der Studie zufolge sollen zwischen 1946 und 2014 insgesamt 1670 katholische Kleriker 3677 meist männliche Minderjährige sexuell missbraucht haben. Der Leiter der Untersuchung, Harald Dreßing, hatte nach deren Veröffentlichung einen mangelnden Aufklärungswillen in weiten Teilen der Kirche beklagt. Das Ausmaß des Missbrauchs als auch der Umgang der Verantwortlichen damit sei erschütternd gewesen.
Barley betonte: „Der Rechtsstaat akzeptiert keine Geheimarchive. Alle Unterlagen in den kirchlichen Archiven können von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt und ausgewertet werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.“ Auf die Frage, ob es sich bei der systematischen Vertuschung von Kindesmissbrauch um organisierte Kriminalität gehandelt habe, sagte sie der „Zeit“: „Nein, das hat mit organisierter Kriminalität nichts zu tun.“ Denn es sei nicht der Daseinszweck der katholischen Kirche, Kinder zu missbrauchen. Allerdings: „Das Problem ist in der Tat eine Wagenburgmentalität, die lieber die Organisation schützt als das Wohl der Kinder.“
Die Studie war 2014 von der Bischofskonferenz in Auftrag gegeben worden. Kritiker bemängelten, der tatsächliche Umfang des Missbrauchs habe nicht annähernd abgebildet werden können. Den Autoren der Untersuchung sei etwa kein Zugang zu Originaldokumenten in den Kirchenarchiven eingeräumt worden. Zudem fehlten Aussagen von Opfern, auch seien Missbrauchsfälle etwa in katholischen Heimen, Anstalten und Psychiatrien oder in den zahlreichen Ordensgemeinschaften nicht berücksichtigt worden. Obendrein werden in der Studie keine Namen genannt. (dpa)
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