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Manuela Schwesig (39) ist Familienministerin und stellvertretende SPD-Parteichefin. Zuvor war sie Sozialministerin in Schwerin.
© Thilo Rückeis

Familienministerin Manuela Schwesig: "Kind und Job - beides muss möglich sein"

Familienministerin Manuela Schwesig sprach mit dem Tagesspiegel über ihren Spagat zwischen Amt und Familie, den Umbau der Arbeitswelt und Forderungen der SPD. Für sie persönlich ist am Sonntag Politik tabu.

Frau Schwesig, in einer großen Zeitung stand am Wochenende ein Essay mit dem Titel: „Man muss wahnsinnig sein, um ein Kind zu kriegen.“ Ist das so?

Im Gegenteil: Es macht wahnsinnig glücklich, ein Kind zu bekommen und großzuziehen.

Aber muss man vielleicht wahnsinnig sein, um ein Kind zu haben und gleichzeitig auch noch zu arbeiten?

Nein. Viele Frauen und Männer wünschen sich, dass sie Beruf und Familie vereinbaren können. Das wird ein Schwerpunkt meiner Familienpolitik sein: Ich will damit aufräumen, dass Eltern immer wieder das Gefühl vermittelt bekommen, sie müssten sich zwischen Kind und Job entscheiden. Beides muss möglich sein.

Vier Ministerinnen und Minister der neuen Regierung haben erklärt, dass sie Familie und Politik unter einen Hut kriegen wollen. Sie sind dabei, Sigmar Gabriel, Andrea Nahles und Ursula von der Leyen. Ist das eine private Marotte oder ein familienpolitischer Fortschritt?

Ich sehe in diesen Bekenntnissen einen familienpolitischen Fortschritt. Politik ist nun einmal ein sehr familienunfreundlicher Beruf. Wir leben alle unter dem Druck, ständig präsent zu sein und immer sofort und schnell zu reagieren. Wir haben ein Zeichen gesetzt, dass es möglich sein muss, sich auch in Spitzenjobs Zeit für Familie zu nehmen. Wir wollen das Gleiche wie viele andere Eltern auch.

Soll Ihr Bekenntnis andere Menschen ermutigen, die Interessen ihrer Familien an ihrem Arbeitsplatz einzufordern?

Ein Zeichen reicht da nicht aus. Wir müssen konkret das Leben von Familien verbessern, indem wir vor allem die Arbeitswelt familienfreundlicher machen. Da müssen auch die Unternehmen mitziehen, denn die Politik kann das alleine nicht richten. Wir wollen durch einen Dreiklang von Geld, Zeit und Infrastruktur Familien unterstützen.

Glauben Sie, dass der Vizekanzler der größten Wirtschaftsnation Europas es hinkriegt, jeden Mittwochnachmittag für seine kleine Tochter zu reservieren?

Ja. Ich wünsche ihm, dass dieser Spagat gelingt. Sigmar Gabriel liegt seine Familie am Herzen. Ich finde es toll, dass er sich vorgenommen hat, regelmäßig seine Tochter aus der Kita abzuholen.

Auch Sie wollen Politik und Familie vereinbaren. War es für Ihren Sohn wirklich eine gute Nachricht, dass seine Mutter als Ministerin nach Berlin wechselt?

Ich habe meinen Mann und auch meinen Sohn vorher gefragt, was sie von dieser Idee halten. Es ist für meinen Sohn nicht wichtig, dass ich nun Bundesministerin bin. Aber es hat Auswirkungen auf sein Leben, dass mein Arbeitsort nun Berlin ist. Er hat ziemlich entspannt reagiert, er findet Berlin eine spannende Stadt. Natürlich bedeutet das nun für mich einen Spagat. Ich habe es als Landesministerin so gehandhabt, dass ich mir den Mittwochnachmittag frei hielt. Das will ich weiter tun. Es sind doch nicht die Mitarbeiter am besten, die den ganzen Tag im Büro sitzen. Man kann sich auch am Nachmittag seiner Familie widmen und abends dann zu Hause noch viel erledigen.

Ziehen Sie mit Ihrer Familie nach Berlin?

Mein Lebensmittelpunkt bleibt Schwerin. In der Nähe hat mein Mann seinen Job, dort geht unser Sohn zur Schule und nachmittags in den Hort. Ich werde einige Tage in Berlin sein, allerdings werde ich auch mein Home Office in Schwerin für Büroarbeit nutzen. Und natürlich bin ich als Ministerin viel in ganz Deutschland unterwegs. Trotzdem: Ich will mir weiter den Mittwochnachmittag freihalten.

Der Bundestag könnte Sie aber ins Plenum zitieren.

In Sitzungswochen werde ich in Berlin sein, da halte ich mir den Freitagnachmittag frei. Am Sonntag ist Politik für mich ohnehin tabu. Soweit das irgendwie geht.

Was trägt Ihr Mann dazu bei, damit das funktioniert?

Manuela Schwesig (39) ist Familienministerin und stellvertretende SPD-Parteichefin.
Manuela Schwesig (39) ist Familienministerin und stellvertretende SPD-Parteichefin. Zuvor war sie Sozialministerin in Schwerin.
© Thilo Rückeis

Viel. Mein Mann hat seine Arbeitszeit reduziert und arbeitet zudem einen Tag von zu Hause aus. Für uns ist die Partnerschaft auf Augenhöhe bei Kindererziehung und Beruf der Schlüssel zu einem glücklichen Familienleben. Deshalb können wir beide Familie und Beruf in Einklang bringen. Die Väter haben heute den Anspruch, nicht nur zum Gutenachtkuss nach Hause zu kommen.

Wünschen Sie sich, dass viele Väter dem Beispiel Ihres Mannes folgen und zurückstecken zugunsten der Partnerin?

Ich weiß, dass viele Väter dazu auch bereit sind und das auch gerne machen würden. Das Problem ist, dass sie für diesen Wunsch in der Arbeitswelt noch oft belächelt werden und Chefs glauben, wer die Familie so wichtig nehme, missachte deshalb seinen Job. Ich will, dass niemand wegen seiner Kinder auf den Job verzichten muss, weder die Mutter noch der Vater. Deshalb will ich als Familienministerin die Partnerschaftlichkeit unterstützen. Meine Vision ist die Familienarbeitszeit. Das bedeutet, wir müssen Vollzeit für Eltern neu definieren. Vollzeit sollten für Eltern mit kleinen Kindern nicht 40, sondern zum Beispiel 32 Stunden sein.

Das müssen Sie uns erläutern.

Es darf kein Nachteil sein, wenn Eltern kleiner Kinder ihre Arbeitszeit reduzieren. Ich wünsche mir eine Arbeitskultur, in der Arbeitgeber auf die Bedürfnisse junger Familien flexibel reagieren.

Finanzielle Einbußen müssen die Eltern dann trotzdem hinnehmen.

Das „ElterngeldPlus“, das im Koalitionsvertrag steht, ist in dieser Hinsicht ein großer Fortschritt. Eltern, die wegen Kindern ihre Arbeitszeit reduzieren, werden finanziell unterstützt. Und es soll einen Bonus geben, wenn beide Partner das tun. Zudem wollen wir einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit schaffen. Das ist wichtig, weil viele Frauen die Erfahrung gemacht haben, dass sie mit Teilzeit nicht nur finanzielle Nachteile erleiden, sondern in eine berufliche Sackgasse einbiegen. Bislang hatten sie oft keine Chance, wieder in Vollzeit zurückzukehren.

Wie wollen Sie diese familienfreundliche Arbeitskultur schaffen?

Diese Regierung wird auf diesem Feld sehr schlagkräftig sein. Die neue Arbeitsministerin und die neue Familienministerin haben das gleiche Ziel und werden an einem Strang ziehen. Andrea Nahles und mir ist dieses Thema sehr wichtig. Es wird Zeit, dass die Arbeitswelt familienfreundlicher wird. Wir werden Gesetze erlassen, aber natürlich auch gesellschaftliche Partner gewinnen. Und wir werden an die Unternehmen Forderungen stellen. Es kann nicht sein, dass die Unternehmen sich beklagen, dass sie keine Fachkräfte haben, dann aber nicht bereit sind, auf Fachkräfte unter den Eltern mehr Rücksicht zu nehmen.

Die neue Regierung ist noch keine drei Wochen im Amt und streitet schon heftig. Wollen Sie ein so schlechtes Koalitionsklima wie bei Schwarz-Gelb?

Wir sind unterschiedliche Parteien, da gibt es unterschiedliche Meinungen. Nicht jede Diskussion ist gleich ein heftiger Streit. Die Wortmeldungen zeigen doch, dass man sein Handy über die Feiertage auch mal abschalten sollte. Ich habe das jedenfalls getan (lacht).

Haben Sie sich vorgenommen, als Ministerin SPD-Positionen zu vertreten, die nicht im Koalitionsvertrag stehen?

Ich werde nicht verheimlichen, dass es weiter Unterschiede gibt. Die SPD hat ein modernes Familienbild, wir stehen für die Öffnung der Gesellschaft, insbesondere was die volle Gleichberechtigung von eingetragenen Lebenspartnerschaften angeht. Wir konnten uns damit nicht vollständig durchsetzen im Koalitionsvertrag im Hinblick auf das Adoptionsrecht. Trotzdem werde ich als Familienministerin weiter dafür werben, dass solche Paare nicht benachteiligt werden.

Das Gespräch führte Hans Monath.

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