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Schweigen als Verteidigung. Der kenianische Präsident ist vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erschienen. Doch dort will er nur seinen britischen Anwalt Steven Kay (Hinterkopf rechts) sprechen lassen. Er selbst schweigt demonstrativ.
© AFP

Uhuru Kenyatta auf der Anklagebank: Kenias Präsident ist für den Weltstrafgerichtshof nicht zu fassen

Der Internationale Strafgerichtshof hat Kenias Präsident Uhuru Kenyatta nach Den Haag zitiert. Die Anklage wirft der Regierung in Nairobi fehlende Kooperation vor. Der Verteidiger verlangt Freispruch.

Mit dem Prozess gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta hat sich der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag offensichtlich übernommen. Bei einer „Statuskonferenz“ am Dienstag und Mittwoch wollten die Richter Klarheit darüber gewinnen, ob es eine realistische Chance gibt, den Prozess irgendwann zu eröffnen. Vor dreieinhalb Jahren hat der IStGH Anklage gegen Kenyatta erhoben. Derweil wurden er und sein Vize-Präsident William Ruto, dessen Prozess vor einem guten Jahr begonnen hat, in ihre Ämter gewählt. Der Chefanklägerin Fatou Bensouda sind dagegen sieben wichtige Zeugen abhanden gekommen, weshalb sie Anfang September eine „dauerhafte Verschiebung“ des Prozessauftakts beantragt hat.

Die Anklagebehörde verlangt vom Gericht die Feststellung der „Nicht-Kooperation“ der Regierung in Nairobi. Der Generalstaatsanwalt habe nicht kooperiert und erbetene Dokumente nicht oder nur unvollständig geliefert. Dabei geht es um Telefonlisten, Bank- und Steuerdaten. Der Generalstaatsanwalt Githu Muigai wies das am Dienstag zurück und sagte, die „Anfragen waren nicht präzise genug“.

Es geht um Mord, Vergewaltigung, Vertreibung

Bensouda wirft Kenyatta vor, für die Organisation und Finanzierung von Racheakten gegen die ethnischen Gruppen der Opposition nach der Wahl Ende Dezember 2007 verantwortlich zu sein. Es geht dabei um Mord, Vergewaltigung, Vertreibung. Kenyattas Vize steht seit September 2013 wegen der gleichen Verbrechen vor Gericht. Allerdings stand Ruto 2007 noch auf der anderen Seite.

Kenyatta erschien am Mittwoch im schwarzen Anzug mit weißem Hemd und dunkler Krawatte und ließ seinen britischen Staranwalt Steven Kay erklären: „Ich werde die Fragen in seinem Namen beantworten. Er will keine Aussagen machen.“ Kenyatta und Ruto haben die Wahl im März 2013 gewonnen, weil sie den IStGH als „weiße“ und „koloniale“ Justiz „des Westens“ denunziert haben. Dazu passt, dass sich Kenyatta von einem weißen Anwalt vertreten lässt, der schon an der Verteidigung des ehemaligen serbischen Premiers Slobodan Milosevic beteiligt war, bevor der sich selbst verteidigte.

Kenyatta sieht sich als "Privatmann" vor Gericht

Kenyatta besteht darauf, nicht als Präsident, „sondern privat“ vor Gericht zu stehen. Deshalb übertrug er vor seiner Abreise in Nairobi am Montag seine Macht vorübergehend an seinen Vize, „um die Souveränität Kenias“ nicht zu untergraben. Kenyatta wurde von mehr als 100 Abgeordneten begleitet, die vor dem Gerichtshof mit Bannern ein Ende des Prozesses forderten und im Gericht die Besuchertribüne füllten. Das hatten sie auch schon zum Prozessauftakt gegen Ruto getan. Am Montag vor dem Parlament hatte Kenyatta betont: „Mein Gewissen ist rein. Ich bin unschuldig.“ Kenyatta wurde am Mittwoch zudem von Repräsentanten der ostafrikanischen Regionalorganisation Igad begleitet, die eine Vertagung des Prozesses bis nach dem Ende seiner Amtszeit als Präsident verlangte. Kenia stehe wegen der Terrorakte der somalischen Islamistenmiliz Al Schabaab vor großen Sicherheitsherausforderungen, argumentiert die Igad.

Seit ihrem Amtsantritt sind Kenyatta und Ruto vor allem damit beschäftigt, ihre Prozesse in Den Haag zu untergraben. Die Afrikanische Union verlangte im vergangenen Jahr, prinzipiell keine amtierenden Präsidenten vor Gericht zu stellen. Als vor einem guten Jahr des Westgate-Einkaufszentrum von Al-Schabaab- Terroristen angegriffen wurde, wurde Kenyattas Prozesseröffnung erstmals vertagt. Seither haben sieben Zeugen ihre Aussagen widerrufen oder sind nicht mehr auffindbar. Fatou Bensouda, die hätte beweisen sollen, „dass niemand mehr ungestraft davonkommt“, musste erleben, dass niemand lebensmüde genug ist, gegen einen regierenden Präsidenten auszusagen.

Präsidenten vor Gericht

Die Zahl der Präsidenten und Ex-Präsidenten, die sich wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen vor Gericht haben verantworten müssen, ist überschaubar. Verurteilt wurde bisher nur ein einziger: Der ehemalige Präsident von Liberia, Charles Taylor, wurde von einem Sondergerichtshof für seine Verbrechen im Bürgerkrieg des Nachbarlands Sierra Leone verurteilt. Er sitzt seine Strafe in einem britischen Gefängnis ab.

Slobodan Milosevic, Ex-Staatschef von Serbien, starb während der Verhandlung vor dem Jugoslawien-Tribunal.

Vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt sind bisher drei Präsidenten: Uhuru Kenyatta ist der einzige, der aktuell im Amt ist. Angeklagt ist er aber für Taten, die ihm als Verbündeter des Ex-Präsidenten Mwai Kibaki zur Last gelegt werden.

Gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al Baschir liegt ein Internationaler Haftbefehl vor. Seit 2009 hat ihn aber niemand verhaften wollen. Und Laurent Gbagbo, der ehemalige Präsident der Elfenbeinküste, der nach einer verlorenen Wahl nicht weichen wollte, ist von seinem Nachfolger Alassane Ouattara an den IStGH ausgeliefert worden. Wie Taylor kommt er nach einer Niederlage vor Gericht.

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