Mercosur-Abkommen mit Brasilien: Keine bedingungslosen Handelsabkommen mit Rassisten
Handelspolitik kann die Welt gerechter machen. Darum sagen wir: Die EU muss Brasilien auf Menschenrechte verpflichten. Ein Gastbeitrag.
Brasilien hat vor wenigen Tagen einen rechtsextremen Präsidenten gewählt. Einen Mann, der sich offen für Folter ausgesprochen und die Zeit der Militärdiktatur verherrlicht hat. Ein Mann der mit rassistischen, sexistischen und homophonen Äußerungen Schlagzeilen gemacht hat. Ein Mann, der das Pariser Klimaabkommen kündigen und den Amazonas-Regenwald zur Abholzung freigeben will. Die Welt ist mit diesem Präsidenten wieder ein Stück gefährlicher geworden. Und für die Europäische Union sind die Herausforderungen noch einmal ein Stück größer geworden.
In einer Welt, die zunehmend ins Chaos gerät, muss die EU der Garant für Sicherheit und friedliche Zusammenarbeit sein. Sie muss dafür sorgen, dass das internationale System auf Regeln basiert und nicht auf dem Recht des Stärkeren. Und sie muss gerade jetzt und trotz allem dafür eintreten, dass die Werte der EU, für Menschenrechte, für Arbeitnehmerschutz und für die Bekämpfung der Klimakrise vorangebracht werden.
Aus unserer Sicht könnte ausgerechnet in der Handelspolitik ein Schlüssel für diese Aufgaben liegen. Denn die Europäische Union ist der größte Wirtschaftsraum der Welt. Für viele Länder zählt sie zu den wichtigsten Handelspartnern. Damit besitzt die EU die Kraft und Stärke, Bedingungen für Marktzugang und Zollerleichterungen einzufordern. Das gilt auch für Brasilien. Schon jetzt verschifft Brasilien jedes Jahr Waren im Wert von über 30 Milliarden Euro in Richtung Europa. Und dabei soll es nicht bleiben: Die EU verhandelt mit dem südamerikanischen Mercosur, einem Staatenbund aus Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, über ein Handelsabkommen, das die Handelsbeziehungen weiter vertiefen wird.
Menschenrechtsklauseln gehören in EU-Verträge
Bisher entspricht das Mercosur-Abkommen allerdings dem klassischen Muster der EU-Kommission für Handelsabkommen: Reichlich Liberalisierung für die Wirtschaft, aber wenig Regeln für den Schutz von Umwelt, Menschenrechten und Verbrauchern. Nach der Wahl Jair Bolsonaros zum brasilianischen Präsidenten verbietet es sich aus unserer Sicht, hier einfach so weiter zu machen.
Die EU könnte die Zivilbevölkerung in Brasilien gerade jetzt unterstützen und schützen, wenn sie in ihrer Handelspolitik zu einem Umdenken kommt und die Durchsetzung von Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz zur Bedingung ihrer Handelsverträge machen würde.
Die Instrumente dafür liegen längst auf dem Tisch! In vielen EU-Handelsverträgen gibt es Menschenrechtsklauseln. So kann die EU im Fall schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen im Partnerland politischen Druck aufbauen und Handelsvergünstigungen wie niedrigere Zölle zu entziehen. Allerdings nutzt die EU diese Klauseln bisher kaum. Das muss sich ändern. Auch nach dem Abschluss von Handelsverträgen muss die Menschenrechtslage regelmäßig und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft vor Ort überprüft werden. Wenn Brasiliens neue Regierung die Rechte von Homosexuellen, politischen Gegnern oder ethnischen Minderheiten verletzt, muss die EU Teile oder das ganze Handelsabkommen aussetzen.
Deutschland kennt nur die Sorge um die Exportwirtschaft
Anders als in bisherigen Handelsverträgen muss die EU zudem auf Nachhaltigkeitskapitel setzen, die mehr sind als schmückende Prosa: Regelungen zum Umweltschutz oder für Arbeitnehmerrechte müssen einklagbar und sanktionierbar sein. Wenn Bolsonaro sich tatsächlich aus dem Pariser Klimavertrag verabschiedet oder den Amazonas weiter abholzen lässt, muss das Folgen für die Handelsbeziehungen mit Europa haben. Der französische Präsident Macron hat hier den Weg vorgegeben, als er bei der UN-Vollversammlung ankündigte, dass Handel mit der EU nur noch für Länder möglich sein kann, die das Pariser Klimaabkommen respektieren. Doch das Echo der anderen EU-Mitgliedsländer blieb überschaubar. Gerade die Bundesregierung stellt sich quer. Zu groß ist die Sorge, dass die Exporte der deutschen Wirtschaft leiden könnten.
Wir glauben, die Zeit für solch eine Argumentation ist vorbei. Aus unserer Sicht ist die Zeit dafür gekommen, die EU Handelspolitik endlich als das zu nutzen, was sie sein könnte: als Instrument, um diese Welt ein Stück gerechter zu machen. Das Mercosur-Abkommen mit diesem brasilianischen Präsidenten unverändert durchzuziehen, ist hingegen der falsche Weg.
- Katharina Dröge ist Sprecherin für Handelspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, Anna Cavazzini ist Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Europa der Grünen
Katharina Dröge, Anna Cavazzini