Krise der Koalition: Keine Angst vor Neuwahlen!
Die große Koalition sollte arbeiten - und nicht im permanenten Rosenkrieg untergehen. Wenn sie das nicht schafft, muss sie gehen. Ein Kommentar.
Eigentlich hätte diese Causa lange abgeräumt gehört, so klar lag der Ausgang auf der Hand. Eigentlich. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz darf weder Anlass für eine Koalitionskrise noch für einen Koalitionsbruch sein. Nicht im Mindesten. Er ist Chef einer nachgeordneten Behörde, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade noch so fein wie spitz angemerkt hatte. So muss er sich verhalten. Tut er es nicht, muss er entlassen werden. In diesem Fall: Hans-Georg Maaßen. Er, der von Amts wegen die Verfassung schützen soll, hat sie verletzt. Er hat Politik gemacht, ohne demokratische Legitimation. Für ihn als politischen Beamten gilt aber unverrückbar der Primat der Politik. Also, klar: Abgang. Stattdessen wird Maaßen befördert. Das kann ja wohl nicht wahr sein.
Nun ist es so: Nicht nur Maaßen, auch Horst Seehofer hat sich disqualifiziert. Seehofer hat durch sein Verhalten die Kanzlerdemokratie infrage gestellt, wie sie unsere Verfassung ausdrücklich will. Er, der selbst ernannte „Erfahrungsjurist“. Und Merkel? Die nimmt es hin, das auch noch. Bestimmt, damit der CSU-Chef nicht schon vor der Bayernwahl als Bundesinnenminister gehen muss. Dass die SPD das alles mitmacht – unglaublich. Maaßen muss ja im Kabinett als Staatssekretär bestätigt werden.
Das Risiko dieser Entscheidung ist hoch. Erstens liegen die Hintergründe offen zutage. Zweitens: Ein Beamter, der sich vorwagt wie Maaßen, wagt auch noch anderes, nach dem Motto „Mir doch egal, wer unter mir an der Regierung ist“. Die maßlose Forderung nach Verdoppelung des Verfassungsschutzes zeigt Hybris.
Ganz Europa braucht eine stabile Bundesregierung
Eigentlich muss jetzt ganz dringend richtig regiert werden. Der Bundespräsident hat ja recht: Nicht nur Deutschland, ganz Europa braucht eine stabile Bundesregierung. Koalitionen sind keine Liebesheirat, aber einen permanenten Rosenkrieg hält keiner aus. Es muss doch verantwortungsbewusst eine Agenda abgearbeitet werden, um das Leben 4.0 zu gestalten. Von der Digitalisierung über die Globalisierung bis zur Rente, Konzepte dafür müssen diskutiert werden können, ohne dass sich alle gleich zerstreiten. Kurzfristige Vorteile haben langfristig Nachteile. Pathetisch gesagt: Der Amtseid verlangt, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Und das ist nur das Nötigste. Verlangt ist eine Regierung, die nicht vor allem an sich, sondern an die nachfolgenden Generationen denkt.
Demokraten müssen geduldig sein - aber auch nicht alles erdulden
Die amtierende Koalition ist schon schwer ins Amt gekommen und macht es jetzt im Amt allen schwer. Wer soll das gut finden? CDU, CSU und SPD haben sich verpflichtet, eine anspruchsvolle Agenda zu formulieren und sie dann abzudienen. Wenn das dieses Regierungsbündnis nicht leisten kann – dann muss es den Weg frei machen.
Keine Angst vor Neuwahlen, keine Angst vor der AfD. Wahlkampf ist die Zeit der Auseinandersetzung, der klaren Kante. Soll niemand an die Grundfesten des demokratischen Verständnisses und an die Verfassung rühren! Nach allem, was sich zugetragen hat, in Chemnitz und anderswo, ist es höchste Zeit für klare Kante gegenüber denen, die für die AfD stehen. Demokraten müssen geduldig sein, dürfen aber auch nicht alles dulden.
So wie bisher kann es in jedem Fall nicht weitergehen. Weil es unwürdig ist. Weil das Land es sich nicht leisten kann. Und weil niemand dieses Gewürge will, erst recht nicht gewählt hat.