Kräftemessen der US-Demokraten: Kein Totalausfall, aber auch kein klarer Sieger
Elizabeth Warren punktet in Des Moines gegen Bernie Sanders, Joe Biden bringt es mit seinem Schlusswort auf den Punkt: „Zur Wahl steht der Charakter Amerikas.“
Das war's also. Dies war die letzte Chance der US-demokratischen Präsidentschaftsbewerber, sich vor den ersten Vorwahlen auf offener Bühne miteinander zu messen.
In weniger als drei Wochen bestimmen die Wähler in Iowa, welcher Demokrat aus ihrer Sicht am 3. November Präsident Donald Trump eine zweite Amtszeit streitig machen soll. Und bisher geht es munter auf und ab in den Umfragen, viele Wähler sind noch unentschlossen in der Wahl ihres Favoriten.
Was war nicht alles erwartet worden, bevor die sechs derzeit stärksten Bewerber (von insgesamt noch zwölf) die Bühne in Des Moines in Iowa betraten. In den Tagen zuvor hatten sich die neuen Spannungen zwischen den zwei links stehenden Senatoren Bernie Sanders, dem in manchen Umfragen in Iowa auf einmal Führenden, und Elizabeth Warren aufgebaut.
Letzter Aufreger waren Berichte über ein privates Vier-Augen-Gespräch der beiden im Jahr 2018, bei dem Sanders zu Warren gesagt haben soll, er glaube nicht daran, dass eine Frau die Präsidentschaftswahl gewinnen könne.
Die Debatte beginnt mit Außenpolitik
Auch mit scharfen Attacken von Sanders auf den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden war gerechnet worden – weil der sich anders als der Senator aus Vermont 2003 zunächst für den Irak-Krieg ausgesprochen hatte. Eine Entscheidung, für die Biden sich seither häufig entschuldigt hat, die Sanders aber gerne anführt, um sich von Biden abzusetzen.
Er selbst stimmte damals als einer der wenigen Abgeordneten gegen den amerikanischen Militäreinsatz und klingt auch heute manchmal wie Trump, wenn er wie der davon spricht, die "endlosen Kriege" zu beenden.
Bei Kandidaten wie Pete Buttigieg, dem früheren Bürgermeister aus South Bend in Indiana, und der Senatorin Amy Klobuchar wiederum hatten Beobachter vermutet, dass sie alles daran setzen würden, in dieser so wichtigen Debatte auffallend gut abzuschneiden.
Die Chancen dazu hatten sie, gerade der Veteran Buttigieg, der gerne seinen Einsatz in Afghanistan hervorhebt, der ihn von seinen Mitbewerbern unterscheidet. Denn die komplette erste halbe Stunde ging es um Außenpolitik und konkret um den Konflikt mit dem Iran, den Präsident Trump mit der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani vor mehr als einer Woche befeuert hatte. Und um die Frage, wer in solchen Situationen als ehestes als "Commander in Chief" infrage komme.
Der große Streit bleibt aus
Doch: Sowohl der große Streit als auch die großen Ausreißer blieben aus. Nach mehr als zwei Stunden Diskussion konnte man eigentlich nur festhalten, dass es einmal mehr keinen ganz klaren Sieger gab.
Kein Anwärter war ein Totalausfall, alle hatten ihre guten Momente, auch der Milliardär Tom Steyer, der zwar noch nie zuvor in ein Amt gewählt wurde, aber darauf verweisen kann, was er alles bereits in Sachen Klimaschutz erreicht hat. Doch keinem gelang es letztlich, entscheidend zu punkten. Wähler, die an diesem Abend sehnsüchtig auf Erleuchtung gewartet hatten, wurden wohl eher enttäuscht.
Das lag vielleicht auch daran, dass an diesem Dienstagabend die "Breaking News" nicht von der TV-Debatte kamen, die der Sender CNN und die Zeitung "Des Moines Register" austrugen. Sondern einmal mehr aus der Hauptstadt Washington, wo neue Berichte in der Ukraine-Affäre um Trump öffentlich wurden, wegen der die Demokraten im US-Kongress derzeit ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten vorantreiben.
Neues im Impeachment-Prozess
So soll der ukrainische Generalstaatsanwalt einem Geschäftspartner von Trumps persönlichem Anwalt Rudy Giuliani belastendes Material in Zusammenhang mit Joe Biden angeboten haben. Im Gegenzug habe der Ukrainer die Abberufung der damaligen US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, gefordert.
Das belegen nach Angaben der "Washington Post" neue Dokumente, die dem Kongress am Dienstag von Giulianis ehemaligem Partner Lev Parnas übergeben wurden. Abberufen wurde die Topdiplomatin später tatsächlich, ihre Zeugenaussage ist eine der wichtigsten im Verfahren.
Zudem war in den Stunden vor der TV-Debatte klar geworden, wie die Demokraten im Repräsentantenhaus beim Impeachment weiter vorgehen. An diesem Mittwoch wollen sie die Übermittlung der Anklagepunkte gegen Trump an den Senat beschließen. Außerdem wollen sie festlegen, welche Abgeordneten ihre Anklage in der anderen Parlamentskammer vertreten sollen. Beide Schritte sind Voraussetzung für den formellen Start des Amtsenthebungsverfahrens im Senat.
Drei Senatoren auf der Bühne
Natürlich war das überhaupt erst dritte Impeachment-Verfahren gegen einen US-Präsidenten auch in Iowa ein Thema. Immerhin müssen die drei Senatoren auf der Bühne (Sanders, Warren und Klobuchar) bei dem vermutlich in der kommenden Woche beginnenden Prozess vor Ort in Washington sein – statt im Wahlkampfendspurt in Iowa und New Hampshire, den beiden frühesten Vorwahlstaaten.
Aber die Bewerber unterscheiden sich kaum in ihrer Sicht auf das Thema – und Bidens Rolle in der Ukraine-Affäre wird als eine Opferrolle wahrgenommen. Die bekannt gewordenen Bestrebungen des Trump-Lagers, an womöglich belastendes Material über ihn und seinen Sohn Hunter Biden zu kommen, haben bisher nicht dazu geführt, dass Biden an Beliebtheit verloren hat. Eher im Gegenteil.
Genau dieses Argument machte der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama denn auch gegen Ende der Runde. "Ich kriege ja alle seine Schläge ab", sagte Biden mit Blick auf den Präsidenten, der die Rolle der Bidens immer wieder thematisiert. Das zeige, dass auch Trump davon ausgehe, dass er ihn herausfordern werde.
Warren punktet gegen Sanders
Aus dem erwarteten offenen Streit zwischen Sanders und Warren wiederum wurde lediglich ein kurzer Wortwechsel. Sanders behauptete, nichts über die schlechten Chancen von Frauen gesagt zu haben. Zudem sagte er zu, jede Frau und jeden Mann zu unterstützen, die von der Demokratischen Partei nominiert würden. Warren betonte im Gegenzug, dass sie anderer Meinung als Sanders sei, aber keinen Streit "mit ihrem Freund Bernie" wolle.
Einen Treffer konnte Warren dann doch noch landen, als sie die Zuschauer aufforderte, sich beim Thema Siegeschancen gegen Trump doch mal die Männer neben ihr anzuschauen. "Zusammengenommen haben sie zehn Wahlen verloren", sagte sie. Die einzigen auf der Bühne, die bisher jede ihrer Wahlen gewonnen hätten, seien die Frauen. "Amy und ich", sagte sie in Richtung der Senatorin aus Minnesota, Klobuchar.
Biden pocht auf seine Erfahrung
Auch Biden, der in nationalen Umfragen weiterhin solide führt, überstand einmal mehr eine Fernsehdebatte, ohne größere Fehler zu machen. Seine wiederholten Hinweise, was er in seiner jahrzehntelangen Karriere parteiübergreifend erreicht, welche Koalitionen er geschmiedet habe, kommen wohl bei denen gut an, die darauf hoffen, dass die Spaltung Amerikas überwindbar ist und das Land international wieder an Ansehen gewinnt.
Richtig gut war Biden vor allem bei seinem Schlusswort. Da schien auf, warum den erfahrenen 77-Jährigen viele von denen für den geeigneten Kandidaten halten, die unter der Ära Trump leiden. "Zur Wahl steht Charakter. Der Charakter Amerikas", sagte er. "Wir müssen die Welt durch unser Vorbild leiten, nicht durch unsere Macht."