Streit um Impfstoff: Kein Durchbruch bei Gespräch zwischen EU und Astrazeneca
Laut dem Impfstoffhersteller Astrazeneca gibt es keine Verpflichtung zur Lieferung bestimmter Mengen an die EU. Brüssel weist dies zurück.
Der Streit zwischen der EU und dem britisch-schwedischen Impfstoffhersteller Astrazeneca konzentriert sich immer mehr auf die Auslegung des Vertrages, den beide Seiten im vergangenen Jahr geschlossen haben. Während Firmenchef Pascal Soriot keine Verpflichtung seines Unternehmens zur Lieferung bestimmter Mengen des Vakzins sieht, hat die EU-Kommission die gegenteilige Auffassung.
Um das Problem zu lösen, das mit dem Lieferausfall für die EU entstanden ist, tagte am Mittwochabend erneut der EU-Lenkungsausschuss mit dem Unternehmen. Die Schaltkonferenz brachte allerdings keinen Durchbruch. „Wir bedauern die immer noch mangelnde Klarheit über den Fahrplan der Auslieferungen“, twitterte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Sie forderte erneut einen Plan für die rasche Auslieferung der Impfstoff-Dosen, die die EU für das erste Jahresviertel reserviert habe.
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Der Streit löst zunehmend auch in Deutschland Unruhe aus. Obwohl sich auf den Impfstoff des Unternehmens große Hoffnungen insbesondere bei der geplanten Verabreichung durch Hausärzte richten, hat das Unternehmen eine drastische Kürzung der Liefermenge angekündigt. Am kommenden Samstag wollen die Gesundheitsminister der Bundesländer und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über die Verwendung des Impfstoffs von Astrazeneca beraten.
EU-Zulassung des Impfstoffs wird am Freitag erwartet
Mit Spannung wird erwartet, ob die EU-Arzneimittelagentur EMA möglicherweise Einschränkungen für die Verwendung des Impfstoffs macht. Als nicht ausgeschlossen gilt, dass zunächst einmal nur eine Zulassung für unter 65-Jährige erfolgt. Aus der EMA hieß es am Mittwoch lediglich, man werde den Impfstoff für die Gesamtbevölkerung beurteilen und dann sehen, "welche Untergruppen einen genügenden Schutz haben", damit die Zulassung erteilt werden könne. Im Fall einer Nicht-Zulassung für über 65-Jährige hätte dies Folgen für die flächendeckende Versorgung von Senioren - in Deutschland wie in den übrigen EU-Ländern.
In dem seit Tagen schwelenden Streit zwischen der EU und Astrazeneca erklärte Firmenchef Pascal Soriot in einem Interview mit der "Welt" und weiteren Zeitungen die Lieferschwierigkeiten des Konzerns gegenüber der EU mit dem Zeitpunkt der Vereinbarung mit Brüssel. Die EU habe ihren Liefervertrag drei Monate später als Großbritannien abgeschlossen. Dort läuft die Produktion des bereits verimpften Vakzins unbeeinträchtigt weiter.
EU-Kommission: Unternehmen reserviert britische Werke
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides wies die Darstellung Soriots, dass sich der Konzern gegenüber der EU nicht zur Lieferung bestimmter Mengen verpflichtet habe. Die Hersteller von Impfstoffen hätten ein "moralische, gesellschaftliche und vertragliche Verantwortung", sagte sie. Aus EU-Kommissionskreisen hieß es derweil, das Problem bestehe darin, dass das Unternehmen entgegen der Vereinbarung mit der EU seine Produktionsketten getrennt habe und die britischen Werke für LIeferungen ins Vereinigte Königreich reserviere.
Kyriakides erklärte, die EU lehne die Logik "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" ab. "Das mag beim Metzger um die Ecke funktionieren, aber nicht in Verträgen", erklärte die Gesundheitskommissarin. Dies gelte auch für die Vorab-Vereinbarungen, welche die EU mit den Impfstoffherstellern geschlossen habe.