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Der Impfstoff von Astrazeneca wird voraussichtlich am Freitag von der EU zugelassen.
© REUTERS

Impfstoff von Astrazeneca: Erhält das Vakzin erst einmal nur für unter 65-Jährige eine Zulassung?

Am Freitag wird die Zulassung des Impfstoffs von Astrazeneca erwartet. In der Koalition gilt es als denkbar, dass es dabei erst einmal eine Einschränkung gibt.

Im Kampf gegen das Coronavirus soll in Deutschland bald ein dritter Impfstoff helfen - nach Biontech/Pfizer und Moderna wird die europäische Arzneimittelagentur EMA am Freitag voraussichtlich den Impfstoff des Herstellers Astrazeneca zulassen. Die Behörde schließt allerdings nicht aus, dass dieser in Europa nur für eine bestimmte Altersgruppe genehmigt wird. Für ältere Menschen lägen wenige Testdaten vor, sagte EMA-Chefin Emer Cooke im Gesundheitsausschuss des Europaparlaments..

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Auch in der Bundesregierung gilt als denkbar, dass der Impfstoff zunächst nur für Menschen unter 65 Jahren eingesetzt werden kann. Das würde bedeuten, dass die Bundesregierung ihre Corona-Impfstrategie ändern muss. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, es gebe in jeder Altersgruppe Menschen mit Vorerkrankungen, die sich Impfungen erhofften. Den Impfstoff werde man daher in jedem Fall „natürlich auch gut gebrauchen können“.

Gesundheitsministerium weist Bericht zurück

Das Gesundheitsministerium wies aber einen Bericht zurück, dass es bei Älteren eine geringere Wirksamkeit von nur acht Prozent gebe. Auf den ersten Blick scheine es so, als ob dort etwas verwechselt worden sei, hieß es. „Rund acht Prozent der Probanden der Astrazeneca-Wirksamkeitsstudie waren zwischen 56 und 69 Jahren, nur drei bis vier Prozent über 70 Jahre.“

Astrazeneca hat gegenüber der EU überraschend angekündigt, im ersten Vierteljahr die Zusagen bei der Lieferung des Impfstoffs nicht einhalten zu können. Auch Biontech/Pfizer hatte Lieferprobleme wegen Umbauarbeiten in einem Werk in Belgien zugeben müssen.

Sanofi unterstützt Biontech ab Juli bei der Abfüllung

Ab Juli erhält Biontech allerdings Unterstützung vom französischen Pharmakonzern Sanofi, der ankündigte, beim Abfüllen des Impfstoffs zu helfen. „In unserem Werk in Frankfurt werden wir das Produkt verpacken, das uns ab Juli von Pfizer-Biontech geliefert wird“, sagte Sanofi-Generaldirektor Paul Hudson der Zeitung „Le Figaro“. „Wir sollten in der Lage sein, bis Ende des Jahres mehr als 100 Millionen Dosen zu liefern, die für die Europäische Union und damit teilweise für Frankreich bestimmt sind“, sagte Hudson. Da Sanofi mit seinem Hauptimpfstoff einige Monate hinter dem Zeitplan zurücklege, habe man sich im Unternehmen gefragt, "wie wir uns jetzt nützlich machen könnten“. Da die Sanofi-Produktionsstätte in der Nähe des Biontech-Hauptsitzes in Mainz liege, werde das die Sache erleichtern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte am Dienstag die Impfstoff-Hersteller beim digitalen Davos-Forum auf, ihre Verpflichtungen einzuhalten. Europa habe Milliardensummen zur Impfstoffentwicklung beigesteuert, sagte sie zur Begründung.

EU wartet weiter auf Nachbesserung des Lieferangebots

Zuvor war am späten Montagabend eine Schaltkonferenz des EU-Lenkungsausschusses mit einer Vertreterin von Astrazeneca ohne greifbares Ergebnis zu Ende gegangen. Die Vertreterin blieb trotz der deutlichen Kritik der EU bei der Ankündigung des Unternehmens, der zufolge es im ersten Quartal zu einem deutlichen Ausfall bei den eigentlich zugesagten Lieferungen kommen werde. Ursprünglich hatte das Unternehmen angekündigt, im ersten Vierteljahr 80 Millionen Impfdosen an die EU zu liefern. Die EU-Kommission und die europäischen Mitgliedstaaten erwarten spätestens bis Freitag eine Nachbesserung des Lieferangebots sowie eine Antwort auf die Frage, ob das Unternehmen bereits wie zugesagt in die Vorproduktion der EU-Impfdosen eingestiegen ist.

EU-Abgeordeter Liese: „Das stinkt doch zum Himmel“

Das Astrazeneca-Vakzin wird seit Anfang des Jahres bereits in Großbritannien verimpft. Der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) sagte im Deutschlandfunk, derzeit lasse das britisch-schwedische Unternehmen Impfstoff für Großbritannien in Deutschland abfüllen. „Das stinkt doch zum Himmel“, sagte Liese angesichts der Aussage der Firma, die geringere Liefermenge für die EU hänge mit Problemen in der europäischen Lieferkette zusammen. Das Unternehmen will trotz des Wegfalls eines Teils der EU-Vakzine an den geplanten Lieferungen für Großbritannien festhalten.
Um den Verdacht zu entkräften, dass Drittländer der EU Impfdosen vertragswidrig zu einem höheren Preis wegschnappen, plant die Brüsseler Kommission bis Ende der Woche die Einführung eines Transparenzmechanismus. Daraus soll hervorgehen, in welchem Maß Vakzine von der EU aus in Drittländer exportiert werden. Ein Kommissionssprecher stellte allerdings klar, dass damit kein Exportverbot verbunden sei. Dennoch muss sich Astrazeneca möglicherweise auf negative Folgen gefasst machen, falls es bei einer drastischen Drosselung der Liefermenge bleibt, hieß es in Brüssel. Das könnte etwa für künftige Zulassungsverfahren in der EU gelten.

Insider: Unternehmen setzte Ausfallquote wohl bewusst tief an

Ein Insider sagte dem Tagesspiegel, das Problem mit Astrazeneca sei nicht nur rechtlicher Art, da die Produktion der Firma in Belgien einfach im Moment nicht laufe. Auch für den Standort in Belgien habe die EU eine Vorfinanzierung übernommen, um Produktionskapazitäten zu sichern. Daher entstehe vertragsrechtlich massiver Druck für das Unternehmen. Dies ändere aber nichts daran, dass der Firma Kapazitäten fehlten. Vermutlich habe der Konzern einen drastischen Wegfall der geplanten Lieferungen im ersten Quartal um ganze 60 Prozent angekündigt, um anschließend bei einer möglichen Nachbesserung Verhandlungsspielraum zu haben, sagte der Insider weiter.

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