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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Fraktionschef Volker Kauder begrüßen sich vor der Fraktionssitzung von CDU/CSU am Dienstag. Im Hintergrund unterhält sich CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt.
© Soeren Stache/dpa
Update

Nach Drohbrief aus Bayern: Kauder ruft zur verbalen Abrüstung in Flüchtlingsfrage auf

Bayern droht der Bundesregierung in einem Brief mit einer Verfassungsklage, wenn sie die Grenzen nicht wirksam sichert. SPD-Fraktionschef Oppermann warnt vor einem Koalitionsbruch.

Im Unions-Streit über die Flüchtlingspolitik hat die bayerische Staatsregierung ihre Forderungen an den Bund nun schriftlich formuliert. In dem lange angekündigten Brief, den das Kabinett am Dienstag beschlossen und auf den Weg gebracht hat, fordert das CSU-regierte Bayern eine wirksame Sicherung der deutschen Grenze, um so eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen zu erreichen. Wenn die Bundesregierung nicht handelt, will Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Klage einreichen.

Wörtlich werde von der Bundeskanzlerin verlangt, "unverzüglich" wieder Recht und Ordnung beim Grenzschutz und der Einreise wiederherzustellen, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. Das Versenden des Briefs sei ein formeller Akt im Zusammenhang mit der von Bayern bereits seit Wochen angedrohten Klage gegen den Bund vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Vor solch einer Klage sei es nötig, dem Partner unmissverständlich klar zu machen, was gefordert werde. "Das ist kein Drohbrief, das ist ein Brief, in dem steht, was wir erwarten", sagte Herrmann.

Nach der Ankündigung Bayerns, Verfassungsklage gegen die Bundesregierung einreichen zu wollen, falls es keinen wirksamen Schutz der Grenzen im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszuzug gebe, hat SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die CSU vor einem Scheitern der Koalition gewarnt. "Das ist die Ankündigung des Koalitionsbruchs. In einer Koalition schreibt man keine Drohbriefe, sondern löst Probleme", sagte Oppermann am Dienstag in Berlin. "Es hat einen solchen Fall in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben." Eine Schließung der Grenzen wäre "ein schwerer Schlag für Europa und vielleicht sogar der Anfang vom Ende", prognostizierte der SPD-Fraktionschef.

Zugleich suggeriere die CSU durch ihr Vorgehen, dass die Regierung nicht mehr in der Lage sein, Probleme zu lösen, was "Wasser auf die Mühlen der rechten Parteien" sei. Es sei unerträglich, dass aus CDU und CSU mittlerweile täglich neue Querschläge kämen. "Damit wird die Lösung der Flüchtlingskrise immer schwieriger“, erklärte Oppermann.

Streit um Asylpaket II geht weiter

Unions-Fraktionschef Volker Kauder forderte die Politiker der Koalitionsparteien nach Oppermanns Auftritt zur verbalen Abrüstung auf. "Ich appelliere an alle in dieser große Koalition, an alle, abrüsten, verbal, und sich darauf zu besinnen, dass Lösungen kommen", sagte Kauder vor der Sitzung der Unions-Fraktion. Die Bevölkerung sei in der Flüchtlingskrise verunsichert und erwarte nun Antworten der Regierung.

Kauder mahnte zugleich die rasche Billigung der Asylrechts-Verschärfungen an. Das Asylpaket II liege seit Wochen vor und könne nicht verabschiedet werden, sagte der CDU-Politiker. "Das kann so nicht weiter gehen", kritisierte Kauder. Zuvor hatten führende SPD-Politiker die CSU und diese wiederum die Sozialdemokraten für die Blockade verantwortlich gemacht.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen erreichen.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen erreichen.
© dpa

Das Asylpaket II werde von Seehofer "blockiert", sagte Oppermann. "Es gibt noch Diskussionsbedarf beim Thema Familiennachzug nicht zuletzt aufgrund der CSU", hatte vor dem Beschluss aus Bayern bereits der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), gesagt. Nach seinen Angaben soll über das Gesetzespaket beim Treffen der Ministerpräsidenten der Länder mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstagabend in Berlin gesprochen werden.

Der Schwerpunkt der Diskussion drehe sich um den Familiennachzug, sagte Grosse-Brömer. Die Parteichefs hatten vereinbart, den Nachzug von engen Familienmitgliedern für bestimmte Flüchtlingsgruppen für zwei Jahre auszusetzen. Danach war es zum Streit zwischen CDU, CSU und SPD darüber gekommen, ob auch Syrer von dieser Regelung betroffen sein sollen.

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, macht in diesem Zusammenhang der SPD schwere Vorwürfe. Sie zweifele manchmal daran, ob die SPD-Spitze wirklich die Flüchtlingszahlen reduzieren wolle, sagte sie am Dienstag in Berlin. Als Beispiel nannte sie den Familiennachzug von Flüchtlingen. In der Vereinbarung stehe schwarz auf weiß, dass der Familiennachzug für Menschen mit einem subsidiären - also eingeschränkten - Schutzstatus von nur einem Jahr Aufenthaltsdauer vorübergehend ausgesetzt werden solle. Sie selbst werde immer von SPD-Kommunalpolitikern gedrängt, dies endlich umzusetzen. "Da fordere ich Zuverlässigkeit der SPD ein", sagte Hasselfeldt.

CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt kritisiert SPD

Während CSU-Chef Horst Seehofer in der Flüchtlingspolitik vor allem Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußert, attackierte die CSU-Landesgruppenvorsitzende mehrfach die SPD. Diese mache keine eigenen Vorschläge zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen und verzögere die Umsetzung des Beschlossenen meist mit dem Hinweis, dass noch das "ein oder andere Kabinettsmitglied oder einer der Partei-Vizes" ein Veto einlegten. "Der Koalitionspartner ist hauptsächlich damit beschäftigt, das wegzuwischen, was von uns auf den Tisch kommt", erklärte Hasselfeldt.

Die drei Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD hatten sich nach langem Streit Anfang November auf ein Bündel neuer Maßnahmen verständigt, um den Zuzug von Flüchtlingen besser zu kontrollieren. Geplant ist demnach unter anderem die Einrichtung von Registrierzentren für bestimmte Flüchtlinge, eine Begrenzung des Familiennachzugs und weiter erleichterte Abschiebemöglichkeiten. Das Paket sollte ursprünglich bereits Ende vergangenen Jahres im Kabinett behandelt werden. (dpa, rtr, AFP, Tsp)

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