SPD-Personalkarusell: Katarina Barley wird neue Familienministerin
Der Rücktritt von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Sellering bringt Bewegung in die SPD: Bundesfamilienministerin Schwesig wechselt nach Schwerin. Katarina Barley und Hubertus Heil erhalten neue Aufgaben.
Nach dem Rücktritt von Erwin Sellering als Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzender von Mecklenburg-Vorpommern dreht sich in der SPD das Personalkarusell: Die bisherige SPD-Generalsekretärin Katarina Barley wird neue Bundesfamilienministerin. Sie löst ihre Parteikollegin Manuela Schwesig ab, die als Ministerpräsidentin nach Mecklenburg-Vorpommern wechselt.
Die bisherige Generalsekretärin Barley soll kommende Woche das Familienministerium übernehmen. Ihre Aufgabe sieht sie dabei vor allem im Kampf um grundsätzliche Haltungen. In den knapp vier Monaten bis zur Bundestagswahl gebe es keine großen Gesetzgebungsvorhaben mehr, sagte Barley am Dienstag in Berlin. Aber es gebe laufende Projekte und „vor allem die große Linie, die gesellschaftspolitische Linie, und um die geht es.“ Wie man zu Gleichberechtigung, Vielfalt und Demokratie stehe, sei eine „grundsätzliche Frage“.
„Ich freue mich sehr auf dieses Amt“, sagte Barley weiter, die bisher den Wahlkampf in der SPD-Parteizentrale gemanagt hat. „Wenn ich mir ein Ministerium hätte aussuchen können, dann wäre es dieses gewesen.“ Sie sei aber auch „ausgesprochen gerne“ Generalsekretärin gewesen, das Willy-Brandt-Haus sei „ausgesprochen gut aufgestellt“. Zuletzt war die SPD in Umfragen auf 25 Prozent abgesackt.
Neuer Generalsekretär und damit Nachfolger Barleys soll der SPD-Wirtschaftsexperte Hubertus Heil werden, der den Posten des Generalsekretärs bereits zwischen 2005 und 2009 innehatte. Der Niedersachse soll bis zum außerordentlichen Parteitag im November Generalsekretär bleiben. Zuvor war der Vorsitzende der NRW-Landesgruppe im Bundestag, Achim Post, als Favorit für die Nachfolge Barleys gehandelt worden. Heil wird damit auch für die Organisation des Bundestagswahlkampfs zuständig sein. SPD-Chef Martin Schulz lobte Heil als erfahrenen Wahlkämpfer. „Ich werde mich nicht darauf konzentrieren, über Koalitionen zu philosophieren“, sagte Heil am Dienstag in Berlin. „Die SPD hat einen hervorragenden Kanzlerkandidaten und ein ordentliches Programm“, nun müsse die Partei dafür kämpfen, dass daraus „gute Wahlergebnisse werden“. Alles weitere werde er „in den nächsten Tagen“ mitteilen.
Sellerings Krebsdiagnose erfordert die Rochade
Die Nachfolge in Mecklenburg-Vorpommern soll bei einem Sonderparteitag der Landes-SPD am 1. Juli besiegelt werden. Sellering wird nach Worten des Regierungssprechers sein Amt bis zur Wahl des Nachfolgers weiterführen. Sollte er dazu behandlungsbedingt nicht in der Lage sein, werde sein Stellvertreter, Innenminister Lorenz Caffier (CDU), die Geschäfte übernehmen.
Sellering hatte am Vormittag überraschend seinen sofortigen Rücktritt als Regierungschef von Mecklenburg-Vorpommern aus gesundheitlichen Gründen angekündigt - zwei Tage vor der routinemäßigen Ministerpräsidentenkonferenz, die er derzeit leitet. Eine überraschende Krebsdiagnose mache das nötig, sagte er am Dienstag in Schwerin. Eine schnelle und intensive Behandlung des Lymphdrüsenkrebses zwingt Sellering zum Rückzug. „Bei mir ist vor einigen Tagen völlig überraschend eine Lymphdrüsen-Krebserkrankung festgestellt worden, die umgehend eine massive Therapie erfordert", sagte Sellering zur Begründung seines Rücktritts.
"Nach fast neun Jahren als Ministerpräsident scheide ich mit großer Dankbarkeit aus diesem Amt, das es mir ermöglicht hat, einen Beitrag für eine gute Zukunft unseres Landes zu leisten“, sagte Sellering. In seiner Rücktritts-Erklärung führte Sellering aus, das Land habe an Wirtschaftskraft gewonnen. Die Arbeitslosigkeit sei spürbar zurückgegangen. Es seien wichtige Verbesserungen für Familien und Kinder erzielt worden. „Und wir haben es geschafft, die Verschuldung des Landes abzubauen.“ Ihm persönlich sei immer sehr wichtig gewesen, für mehr Respekt vor ostdeutschen Lebensleistungen einzutreten.
Unauffällig und pragmatisch
Der 67-Jährige, der 1994 als Richter aus Nordrhein-Westfalen in den Osten wechselte, hatte die Regierung seit 2008 geführt, als Nachfolger von Harald Ringstorff. In den zwei Jahren davor war er Sozialminister im Kabinett Ringstorff, zwischen 2000 und 2006 arbeitete er als Justizminister des Landes. Sozialdemokrat wurde der aus einem konservativen Elternhaus stammende Jurist erst 1994, als er Richter am Verwaltungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern wurde. Er ist Vater von drei Kindern, das jüngste, aus der zweiten Ehe, kam erst 2014 zur Welt.
Im Kreis der Ministerpräsidenten gehört Sellering zu den Unauffälligen, ist aber wegen seiner sachlichen und pragmatischen Art geschätzt. Kritik, aber auch Zustimmung zog er auf sich, als er 2009 in einem Zeitungsinterview gesagt hat: „Ich verwahre mich dagegen, die DDR als totalen Unrechtsstaat zu verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gutes gab.“ Diese Einschätzung hat er seither mehrfach wiederholt, er will hier keine Schwarz-Weiß-Malerei betreiben. Ein Linker ist Sellering deswegen nicht: Nach seinen beiden Wahlsiegen 2011 und 2016 setzte er die von Ringstorff geerbte Koalition mit der CDU fort. Aus der vergangenen Landtagswahl 2016 ging die SPD als stärkste Kraft hervor.
SPD-Chef Schulz würdigt Sellering
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz würdigte die Entscheidung Sellerings: "Politik wird von Menschen gemacht, und Menschen sind verletzlich." Er habe erst am Montagabend in einem langen Gespräch von Sellerings Krankheit erfahren. Nun wünsche er ihm Kraft für den anstehenden Kampf: "Wir sind in voller Solidarität bei ihm und seiner Familie."
Manuela Schwesig ist schon stellvertretende Landesvorsitzende, ihre politische Karriere begann im Schweriner Landtag und in der Landesregierung, in der sie – unter Sellering – von 2008 bis 2013 Sozialministerin gewesen ist. Schwesig ist damit nicht zum ersten Mal Sellerings Nachfolgerin: Sie übernahm bereits 2008 das Schweriner Sozialministerium von ihm.
Schwesig ist in gewisser Weise ein politisches Ziehkind des nun zurückgetretenen Ministerpräsidenten. Die gebürtige Brandenburgerin - Jahrgang 1974 – machte nach der Übernahme des Sozialministeriums in Schwerin (zuvor arbeitet sie als Finanzbeamtin) schnell Karriere. So gehörte sie 2009 schon zum „Kompetenzteam“ von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Vier Jahre später berief sie auch Peer Steinbrück in sein Team für den Bundestagswahlkampf; da war Schwesig schon das weibliche und junge „Ost-Gesicht“ der SPD. Die resolute Sozialdemokratin übernahm in der großen Koalition dann das Amt der Familienministerin; immer wieder geriet sie mit ihren Vorschlägen in Konflikt mit den Ministern der Union. (mit dpa/epd)