Digitalunterricht in Coronavirus-Krise: Karliczek rügt Schulbetrieb als seit langem „eher mittelmäßig“
Die Bildungsministerin erwartet zudem keine schnellen Verbesserungen. Der Bundeselternrat hält Rückkehr in Schul-Regelbetrieb nach den Ferien für „blauäugig“.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat große Defizite im Schulunterricht der vergangenen Monate eingestanden. Beim digitalen Lernen zu Hause habe es „enorme Unterschiede“ gegeben. Vielfach seien Schülerinnen und Schüler digital „prima unterrichtet“ worden, sagte Karliczek der „Bild am Sonntag“. „Es gab aber auch Schulen, an denen Lehrer während der Krise so gut wie gar keinen direkten Kontakt zu den Schülern hatten. Dann ist es klar, dass die Kinder Lernrückstände aufbauen. Das schmerzt jeden Bildungsminister – auch mich.“
Es sei sicher eine absolute Ausnahmesituation für alle in der Schule und viele hätten sich sehr angestrengt, sagte Karliczek weiter. Aber: „Wir sind seit Langem in der Schulbildung eher nur gutes Mittelmaß. Vielleicht irgendwo zwischen einer Zwei und Drei. Das hat auch die jüngste Pisa-Studie gezeigt. Entsprechend lief Schule auch jetzt in der Pandemiezeit im Großen und Ganzen eher mittelmäßig.“
Mittelmaß könne aber nicht Deutschlands Anspruch sein. „Wir müssen besser werden – jetzt in der Corona-Zeit und vor allem danach. Wir brauchen einen neuen Aufbruch im Schulwesen.“.
Sollten wieder Schulen geschlossen werden, erwartet die Ministerin aber keine schnellen Verbesserungen. „Es wird sicher weiter von Schule zu Schule Unterschiede geben. Die Rückstände sind teilweise recht groß. So realistisch müssen wir sein, trotz der Anstrengungen von Bund und Ländern“, sagte Karliczek.
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Harte Kritik an der geplanten Rückkehr zum Regelunterricht kam unterdessen vom Bundeselternrat und vom Deutschen Lehrerverband. „Es ist völlig blauäugig, jetzt so zu tun, als sei Corona nach den Ferien einfach vorbei. Dass die Schulen jetzt einfach wieder in den Regelbetrieb wechseln sollen, liegt doch nur daran, dass es einen Mangel an Personal und Räumen gibt“, sagte der Vorsitzende des Bundeselternrates, Stephan Wassmuth, dem Blatt.
Er rechnet fest damit, dass es im kommenden Schuljahr zu regionalen Lockdowns kommen wird, glaubt aber nicht, dass die Länder dafür gerüstet sind: „Die Konzepte dafür sind mangelhaft. Wir brauchen endlich einen qualifizierten Fernunterricht, damit Eltern nicht wieder in die Rolle der Lehrer gedrängt werden. Die Homeschooling-Situation der vergangenen Monate darf sich nicht wiederholen.“
Auch die Konzepte für eine mögliche Rückkehr zum Fernunterricht nannte Wassmuth „mangelhaft“. „Wir brauchen endlich einen qualifizierten Fernunterricht, damit Eltern nicht wieder in die Rolle der Lehrer gedrängt werden“, sagte er. Die Homeschooling-Situation der vergangenen Monate dürfe sich nicht wiederholen.
Es gebe zwar durchaus tolle Ideen für Fernunterricht, warnte aber, dass viele Lehrer von Regularien ausgebremst werden oder komplett überfordert sind. „Wenn gemeinsame Standards für den Fernunterricht fehlen, wird Bildung immer mehr zum Glücksspiel.“
Eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland (76 Prozent) findet einer Umfrage für die Zeitung zufolge die Rückkehr zur Schulnormalität zwar richtig, doch nur 49 Prozent denken, dass die Schulen für den regulären Betrieb gewappnet sind. 45 Prozent der haben Angst, dass Schulen bei regulärem Unterricht zu Infektionsherden werden. Eine Mehrheit von 51 Prozent glaubt das nicht.
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Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger teilt die Bedenken. „Alle bisherigen Konzepte können nicht davon ablenken, dass die Schulen weder auf den Normalbetrieb noch auf den Fernunterricht gut vorbereitet sind. Hier wird der Öffentlichkeit Sand in die Augen gestreut!“
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So sei es völlig unklar, wie die Hygienekonzepte der Länder umgesetzt werden sollen. „Die Isolierung von Lerngruppen wird spätestens in der Oberstufe mit ihrem Kurssystem nicht mehr funktionieren, die Lüftungskonzepte scheitern schon allein daran, dass nicht alle Klassenräume Fenster haben, die man öffnen kann.“
Besondere Kritik äußerte Meidinger an dem Umstand, dass nicht zwischen älteren und jüngeren Schülern unterschieden werde: „Es ist fatal, dass Schüler aller Altersstufen in einen Topf geworfen werden. Wir wissen, dass sich das Virus bei jungen Kindern ganz anders verbreitet als bei jungen Erwachsenen. Die meisten Konzepte unterscheiden aber nicht zwischen Erstklässlern und Abiturienten.“
Mecklenburg-Vorpommern startet in einer Woche nach den Sommerferien als erstes Bundesland wieder mit der Schule. Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) versprach dem Bericht zufolge einen „täglichen, verlässlichen Regelbetrieb“. Sie sagte: „In Mecklenburg-Vorpommern sind die Infektionszahlen erfreulich niedrig. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur möglich, sondern auch absolut notwendig, dass wir das Recht der Schülerinnen und Schüler auf Bildung und Teilhabe so weit wie unter Pandemiebedingungen möglich wieder umsetzen!“