Premier Störe dämpft Erwartungen: Kann norwegisches Gas Gazprom-Lieferungen ersetzen?
Auf der Suche nach Alternativen zu russischen Gaslieferungen fällt der Blick auf Norwegen. Am Mittwoch ist Regierungschef Jonas Gahr Störe im Kanzleramt.
Angesichts einer drohenden Aggression Russlands gegen die Ukraine wird in Deutschland zunehmend darüber diskutiert, ob der militärische Ernstfall auch das Aus für das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 bedeuten würde. Dies Szenario wirft allerdings die Frage nach Alternativen zu Gaslieferungen aus Russland auf.
Da trifft es sich, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) an diesem Mittwoch den norwegischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Störe zu einem Gespräch und Abendessen im Kanzleramt empfängt. Europas zweitgrößter Gaslieferant nach der russischen Gazprom ist der norwegische Konzern Equinor.
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Gegenwärtig bezieht Deutschland mehr als die Hälfte der Erdgasimporte aus Russland. Russlands Präsident Wladimir Putin hat damit ein Machtmittel in der Hand, andererseits ist Russland dringend auf die Einnahmen aus dem Energiegeschäft angewiesen. Norwegen liefert wiederum nur rund die Hälfte der Gasmenge, die von Russland bereitgestellt wird: Nach Angaben von Equinor beträgt in Deutschland der Anteil norwegischen Erdgases zwischen 20 und 25 Prozent.
Nach den Worten von Michael Kern von der Deutsch-Norwegischen Handelskammer bieten Importe aus Norwegen – nicht nur für das fossile Gas, sondern auch für blauen und grünen Wasserstoff – politische Vorteile: „Norwegen ist ein interessanter Lieferant, weil es politisch stabil ist und dieselben Werte teilt.“ Kern fügt allerdings mit Blick auf die Energiewende hinzu: „Ob die Mengen ausreichen, steht auf einem anderen Blatt, denn beim Wasserstoff ist der Bedarf in Deutschland enorm.“
Vor seinem Besuch in Berlin dämpfte auch Ministerpräsident Störe die Erwartungen. „Wir liefern ein Drittel des Gasbedarfs Deutschlands, aber wir drehen bei voller Kapazität", sagte er am Dienstag im ZDF. „Wir haben keine Reserven, mit denen wir andere Dinge ersetzen könnten.“
Norwegens Konzern Equinor versprach zusätzliche Lieferungen
Beim Erdgas, das die Ampel-Parteien laut Koalitionsvertrag für eine Übergangszeit als „unverzichtbar“ erklärt haben, dürfte sich Norwegen indes schwertun, die Lücke bei einem Wegfall russischer Lieferungen zu füllen. Zwar hatte der Konzern Equinor wegen der drastisch gestiegenen Energiepreise im vergangenen September versprochen, bis Jahresende zwei Milliarden Kubikmeter mehr zu liefern. Dies fällt allerdings kaum ins Gewicht, wenn man sich russische Liefermengen vor Augen hält. Die bestehende Pipeline Nord Stream 1 hat eine jährliche Lieferkapazität von 55 Milliarden Kubikmetern.
Nach den Worten von Michael Kern beschränkt sich Equinor, das sich zu 67 Prozent im Besitz des norwegischen Staates befindet, derzeit auf den Ausbau der Gasförderung innerhalb der bestehenden Felder in der Nordsee. Ob sich mit der Regierungsübernahme durch den Sozialdemokraten Störe im vergangenen Oktober etwas an dieser Strategie ändere, bleibe abzuwarten, so Kern. Die Diskussion um ein mögliches Aus für Nord Stream 2 wird derweil in der norwegischen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
Auch in Österreich wird Nord Stream 2 in Frage gestellt
Der österreichische EU-Abgeordnete Andreas Schieder, dessen Land über den Konzern OMV ebenfalls an Nord Stream 2 beteiligt ist, spricht sich unterdessen ebenfalls für eine Infragestellung des Projektes aus. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei die zusätzliche Pipeline durchaus sinnvoll gewesen, so Schieder. Wegen der Zuspitzung an der ukrainisch-russischen Grenze stellten sich jetzt aber „angesichts der geopolitischen Situation einige Fragen“, sagt der Abgeordnete, der im EU-Parlament zur Fraktion der Sozialdemokraten gehört.
Der Parlamentarier unterstützt die Forderung, dass eine militärische Eskalation zum Aus für die Pipeline führen müsse. Mittelfristig sei ohnehin ein Ausstieg aus der Gasenergie unvermeidlich, wenn die EU ihre ehrgeizigen Klimaziele erreichen wolle, sagt er. Bis zum Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen in der Gemeinschaft um 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 sinken. Und bis 2050 will die EU klimaneutral sein.