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Irans Präsident Hassan Ruhani.
© Noah Seelam/AFP

Sanktionen gegen Teheran: Kann der Iran Trump überstehen?

Zwischen Trotz und Hoffnung auf die US-Wahlen zerstreitet sich die Führung in Teheran über die wirtschaftliche Ausrichtung des Landes. Ein Gastbeitrag.

Djavad Salehi-Isfahani ist Professor für Volkswirtschaft an der Universität Virginia Tech, Senior Fellow for Global Economy and Development an der Brookings Institution und Research Fellow am Economic Research Forum (ERF) in Kairo. Aus dem Englischen übersetzt von Jan Doolan. Copyright: Project Syndicate, 2019.

Seit sich die USA unter Präsident Donald Trump im Mai 2018 aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran zurückgezogen und wieder Sanktionen gegen das Land verhängt haben, ist die Wirtschaftsleistung des Iran deutlich zurückgegangen. Obwohl ein wirtschaftlicher Zusammenbruch nicht unmittelbar bevorsteht, spielt die Zeit gegen den Iran. Angesichts der Turbulenzen in der US-Politik und einer Präsidentschaftswahl am Horizont steht die iranische Führung nun vor der unangenehmen Aufgabe, zu entscheiden, ob und wie sie den Dialog mit einer Trump-Regierung suchen soll, die ihr zwar feindselig gegenübersteht, aber einen öffentlichkeitswirksamen Erfolg braucht.

Wie so häufig in der Außenpolitik ist sich die iranische Führung uneinig über das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Verhandlungen mit Trump. Manche denken möglicherweise, dass es sich lohnt, mit der Rückkehr an den Verhandlungstisch bis nach der US-Präsidentschaftswahl 2020 zu warten, doch falls Trump die Wahl wieder gewinnt, wird seine Stellung stärker denn je sein und ihn deutlich weniger offen für Zugeständnisse machen. Zudem könnte die wirtschaftliche Lage im Iran in einem Jahr düster sein, was seine Verhandlungsposition weiter schwächen würde.

Die iranische Wirtschaft schrumpft in diesem Jahr um 9,5 Prozent

Der aktuelle Zustand der iranischen Wirtschaft ist schwer einschätzbar. Angaben über den kumulativen Rückgang der Wirtschaftsleistung seit Wiedereinführung der Sanktionen schwanken zwischen fünf Prozent und 15 Prozent. Während die Iraner behaupten – und als Beleg entsprechende Daten vorgelegt haben –, dass die Wachstumsentwicklung seit dem Frühjahr positiv war, sind außenstehende Beobachter hiervon nicht überzeugt. Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass die iranische Wirtschaft in diesem Jahr um kolossale 9,5 Prozent schrumpfen wird, und das zusätzlich zum Rückgang des Vorjahres um 4,9 Prozent, der durch iranische Daten bestätigt wird.

Vor diesem Hintergrund herrscht unter iranischen Politikern derzeit eine erbitterte Debatte über die langfristigen Wachstumsaussichten und wirtschaftliche Entwicklungsstrategie des Landes. Auf der einen Seite stehen die iranischen Hardliner, angeführt vom Obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei, die die Wirtschaft neu strukturieren möchten, damit sie einer internationalen Isolation besser standhalten kann.

Schon jetzt, so die Hardliner, zeige die Wirtschaft Anzeichen der Erholung, auch wenn das für die Ölexporte nicht gelte. Zunächst einmal habe die iranische Währung, der Rial, nach ihrem Absturz um 70 Prozent im Jahr 2018 ein Drittel ihres Wertverlusts aufgeholt. Kürzlich veröffentlichte Daten malen zudem ein günstiges Bild der Beschäftigungsentwicklung. Die Wirtschaft hat etwa 800 000 Arbeitsplätze geschaffen, ein Drittel davon in der Industrie, und die Arbeitslosenquote lag bei 10,5 Prozent, ihrem niedrigsten Stand in sieben Jahren.

Iranische Banken sind inzwischen überwiegend insolvent

Diese Entwicklungen legen nahe, dass die Beschränkungen in Bezug auf die Ölexporte den Iran zwingen, seine Wirtschaft zu diversifizieren. Die Hardliner im Lande argumentieren, die US-Sanktionen würden die „Widerstandswirtschaft“ aktivieren, die weniger abhängig vom Handel im Allgemeinen und vom Handel mit dem Westen im Besonderen sei. Dies würde zudem die mit der Globalisierung einhergehende „kulturelle Invasion“ verhindern.

Doch Präsident Hassan Ruhanis reformorientierte, von Technokraten dominierte Regierung hat kein Interesse daran, die Jahrzehnte währenden Bemühungen für eine Wirtschaftsöffnung und gegen die Dominanz des Staates rückgängig zu machen. Die wirtschaftliche Erholung des Iran, so die Technokraten und Neoliberalen, sei vorübergehender Art. Angesichts der Tatsache, dass die Regierung Geld drucken müsse, um das durch den Verlust von Öleinnahmen verursachte Haushaltsloch zu stopfen, würde der Rial früher oder später unter schweren Inflationsdruck geraten. Und die Fähigkeit der Regierung, die Inflation zu bekämpfen, unterliege schweren Beschränkungen, nicht zuletzt weil eine stärkere Währung den Wettbewerbsvorteil zunichtemachen würde, der die Erholung bei den Arbeitsplätzen verursacht habe.

Jedenfalls, so das Lager der Reformer, dürfte die Erholung auf dem Arbeitsmarkt unter dem gegenwärtigen Sanktionsregime kaum mehr als ein oder zwei Jahre Bestand haben, da es die ausländischen Investitionen verringere und dem Iran den Zugang zu für eine wirtschaftliche Umstrukturierung erforderlichen Technologien versperre. Der öffentliche Sektor des Iran, der sich schwer tut, die derzeitigen Ausgaben abzudecken, kann den Verlust an ausländischen Investitionen nicht auszugleichen. Der private Sektor wiederum sieht sich einer Kreditverknappung ausgesetzt, weil die iranischen Banken inzwischen überwiegend insolvent sind.

Harte Sanktionen stärken die iranischen Hardliner

Derzeit unternimmt der Iran Schritte, um seine Aktivitäten im Bereich der Urananreicherung auszuweiten – ein deutliches Zeichen an eine internationale Gemeinschaft, die ihn im Stich gelassen hat. Der Iran hatte die von Trump erneut verhängten Strafsanktionen nicht verdient, weil er nicht gegen die Bestimmungen des Nuklearabkommens verstoßen hatte. Indem der Iran der Welt zeigt, dass er nicht nachgeben wird, hofft er, das derzeitige Patt zu beenden, ohne den US-Forderungen nachzugeben.

Der Iran ist nicht die einzige Partei, die eine Entscheidung treffen muss. Die westlichen Regierungen müssen nun entscheiden, wie sie auf die iranischen Anreicherungsmaßnahmen reagieren – die freilich weiterhin deutlich unter dem für die Herstellung von Nuklearwaffen notwendigen Niveau liegen. Plumpe Sanktionsregimes mögen den Iran in schwere Bedrängnis bringen, doch hat ihre Wirksamkeit klare Grenzen. Zudem stärken sie die Stellung der iranischen Hardliner und untergraben die gemäßigten Reformer des Landes. Das ist eine Dynamik, die die Risiken, die durch die Sanktionen eigentlich abgemildert werden sollten, verschärft.

Statt die Sanktionen – etwa durch neuerliche Verhängung von UN-Maßnahmen – lediglich weiter zu intensivieren, sollte die internationale Gemeinschaft einen nuancierteren Ansatz verfolgen, der den Iran zu größerer Offenheit hinführt, statt zu versuchen, ihn zur Unterwerfung zu zwingen. Eine derartige Herangehensweise würde die Aussichten auf erfolgreiche Verhandlungen sowohl vor als auch nach den US-Wahlen mit Sicherheit verbessern.

Djavad Salehi-Isfahani

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