Affäre um Steuerdeals: Juncker vor EU-Ausschuss: „Sie überschätzen meine Talente“
Luxemburgs früherer Premier Juncker sagt vor dem LuxLeaks-Ausschuss aus – und weist jede Verantwortung für das System von Steuervergünstigungen von sich.
Was lange währt, muss nicht gut werden. Nach vielen vergeblichen Anläufen ist EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Donnerstag im Sonderausschuss des Europaparlaments aufgetreten, der die sogenannte LuxLeaks-Affäre aufklären soll, also die lukrativen Steuerdeals für Großunternehmen im Großherzogtum – und nicht nur dort. Viel hatten sich die Abgeordneten von der Anhörung des früheren Luxemburger Regierungschefs und Finanzministers versprochen. Der Erkenntniswert der Veranstaltung jedoch hielt sich in sehr engen Grenzen.
Seine politische Verantwortung für die Praxis in seinem Heimatland stritt Juncker rundheraus ab: „Ich habe in Luxemburg kein System der Steuerhinterziehung, der Steuerhintertreibung oder der Steuervermeidung zu Lasten anderer europäischer Staaten erfunden“, behauptete der 60-Jährige: „Sie überschätzen meine Talente.“
Das Großherzogtum sei ein Rechtsstaat, die Steuerbehörden für die Umsetzung der Gesetze zuständig und „Luxemburger Beamte sehr allergisch gegen ministerielle Einflussnahme“. Er habe sich, so Juncker, auch nie mit Beratungsgesellschaften getroffen und sich die Steuerpolitik diktieren lassen. Auch mit der Commerzbank will er „nie über die Gestaltung ihrer Steuerlast gesprochen“ haben.
Neben der eigenen Unschuld verbreitete der Kommissionschef vor allem eine Botschaft: Das „Unwort LuxLeaks“ solle bitte aus dem politischen Abkürzungsvokabular gestrichen werden, da es nicht nur um den „Tatort Luxemburg“ gehe, sondern um eine Reihe von EU-Staaten.
Es hatte auch mit dem Format zu tun, dass Juncker sich als Vorkämpfer für eine gerechtere Steuerpolitik präsentieren konnte, der schon 1991 eine europäische Angleichung der Mehrwertsteuer durchsetzte: Nur eineinhalb Stunden waren für die Befragung angesetzt, die wegen eines kurzfristig angesetzten Votums zur Flüchtlingspolitik dann auch noch auf 75 Minuten reduziert wurde. Da Juncker und Steuerkommissar Pierre Moscovici zudem einführende Statements zustanden und der Kommissionschef wegen anderer Termine vorzeitig ging, erwiderte er in kaum 20 Minuten ganze acht Fragen. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold nannte das eine „Farce“.
Nachfragen waren ebenfalls nicht vorgesehen. Das war im Falle des Linken Fabio De Masi besonders bedauerlich. Der hatte von Juncker mehr darüber wissen wollen, warum im Bericht von Jeannot Krecké über Steuerbetrug in Luxemburg aus dem Jahr 1997 eine Seite fehle, die einer dortigen Journalistin zufolge in Junckers Besitz ist. Dessen Antwort beschränkte sich darauf, dass er eigens am Vortag von seinem ehemaligen Wirtschaftsminister versichert bekommen habe, dass Krecké selbst von einer Veröffentlichung abgesehen habe, weil dies dem luxemburgischen Staat geschadet hätte. „Ich hätte Juncker gerne noch gefragt“, ärgerte sich De Masi, „ob er denn nun über die Seite verfügt und, wenn ja, warum er sie nicht zur Verfügung stellt.“
Die Regie der Befragung lag in der Hand des christdemokratischen Ausschussvorsitzenden Alain Lamassoure. Er hatte im Namen der großen Koalition seiner Europäischen Volkspartei mit den Sozialdemokraten, die Juncker ins Amt gewählt hat, von Anfang an ein „Tribunal“ verhindern wollen. Nun organisierte er, wie mehrere Abgeordnete bestätigten, gegen deren erklärten Willen ein Kreuzverhör, das gar keines sein konnte.
Lamassoure erntete dafür heftige Kritik aus den eigenen Reihen. „Er möchte der nächste Präsident des Parlaments werden und fährt dafür einen Kuschelkurs“, sagte CDU-Mann Werner Langen, „Da wird alles unter den Teppich gekehrt.“ Dass Juncker versprach, den „Dschungel“ der Steuerungerechtigkeit zu lichten, reicht Langen nicht. „Wenn wir die Vergangenheit nicht kennen, ist es unmöglich, die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.“
Christopher Ziedler