Steueroase Niederlande: Europas Doppelmoral im Kampf gegen die Steuerflucht
Europas Regierungen dulden einen Dauerskandal: Offenkundig herrschen in Den Haag griechische Verhältnisse. Ein Kommentar
Jeroen Dijsselbloem, Finanzminister der Niederlande und Vorsitzender der Eurogruppe, gibt gerne den harten Hund, vor allem beim Umgang mit Griechenland. Die Regierung in Athen solle endlich „Fortschritte“ belegen und „nicht bloß Absichten“ verkünden, forderte er jüngst. Aber, so versicherte er, „wenn die griechische Regierung die Steuerflucht bekämpfen will, dann unterstütze ich das natürlich“.
Exemplarisch ist der Fall des kanadischen Minenkonzerns „Eldorado“
Ach ja? Da könnte er einiges tun. Vergangene Woche veröffentlichte das Amsterdamer Forschungszentrum für Multinationale Unternehmen eine Studie darüber, wie niederländische Finanzbehörden es transnationalen Konzernen ermöglichen, im großen Stil Gewinnsteuern zu vermeiden, auch und gerade in Griechenland. Exemplarisch ist der Fall des kanadischen Minenkonzerns „Eldorado“, der in Hellas drei Goldminen betreibt. Um die dort erzielten Gewinne außer Landes zu schaffen, ließ der Konzern sein griechisches Tochterunternehmen knapp 100 Millionen Euro Kredit bei einer Briefkastenfirma in den Niederlanden aufnehmen. Die anfallenden Zinsen mindern zwar die Gewinne in Griechenland, aber ein Doppelbesteuerungsabkommen verbietet es den griechischen Behörden, eine Quellensteuer zu erheben. Der vermeintliche Kreditgeber soll ja in Amsterdam steuerpflichtig sein.
Tatsächlich hat diese Firma nicht einmal einen Angestellten, dafür jedoch Kredite in gleicher Höhe bei einem weiteren Pseudo-Unternehmen im karibischen Barbados, dem die Zinsen zufließen. Dort wiederum werden Gewinne praktischerweise fast gar nicht besteuert, und so sparten die kanadischen Goldgräber allein in den vergangenen zwei Jahren etwa 1,7 Millionen Euro an Steuern auf ihre in Griechenland erzielten Erträge. Mit anderen Worten: Herr Dijsselbloem und die ihm unterstehenden Behörden betreiben Beihilfe zur Steuerflucht zum Schaden des griechischen Fiskus.
Und das gilt nicht nur in diesem Fall. Viele weitere in Griechenland tätige Unternehmen bedienen sich der Gewinnverschiebung ins holländische Nirgendwo. Insgesamt halten sich Konzerne aus aller Welt dort an die 12 000 solcher Briefkastenfirmen. Dafür hat das Steuerfluchtzentrum an der Nordsee auch noch Steuersätze von unter zwei Prozent für Lizenzzahlungen aus dem Ausland im Angebot. Das beschert dem Land ein paar tausend Jobs für Berater und Buchhalter und je nach Schätzung ein bis vier Milliarden Euro Steuereinnahmen. Gleichzeitig verursacht diese Praxis aber anderswo einen Schaden, der mindestens das Zehnfache beträgt.
All das ist allerdings keineswegs neu. Furore machte schon vor zwei Jahren der Fall des Kaffeekonzerns Starbucks, der mittels Lizenzzahlungen an seine Amsterdamer Phantomholding die Steuerlast in Europa auf ein Prozent drückte. Damals versprach der finanzpolitische Sprecher der mitregierenden Partei der Arbeit baldige Abhilfe, weil „beide Regierungsparteien diese Briefkastenfirmen satt“ hätten. Zuletzt erklärte auch Minister Dijsselbloem, es sei „das Letzte, was die Niederlande wollen, dass Unternehmen ihre Gewinne so lange verschieben, bis sie keine Steuern mehr zahlen“.
Augenzwinkerndes Einverständnis der übrigen EU-Regierungen
So versprechen Hollands Regierende ihren europäischen Partnern also nun schon seit Jahren eine Reform, aber nichts passiert. Offenkundig herrschen in Den Haag griechische Verhältnisse.
Das Ärgerliche daran ist nicht nur die dreiste Doppelmoral. Noch schwerer wiegt das augenzwinkernde Einverständnis, mit dem die übrigen EU-Regierungen den Dauerskandal decken, so, wie sie es auch in Irland tun, und wie es bis vor Kurzem auch für Luxemburg galt, dessen Finanzbehörden unter der Ägide des heutigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker jahrzehntelang das gleiche schmutzige Geschäft betrieben.
Und selbst jetzt, nachdem im Fall Luxemburg die antisozialen Steuerdeals im Detail dokumentiert sind („Luxleaks“), kommen die nötigen Reformen kaum voran. Die EU-Kommission will zwar die Regierungen nun verpflichten, sich gegenseitig über steuerliche Abmachungen mit ausländischen Firmen zu unterrichten. Doch diese Pflicht gibt es eigentlich schon seit 1977. Nur hat sich eben keine Regierung daran gehalten.
So stünde Dijsselbloem und seinen Kollegen mehr Bescheidenheit beim Umgang mit den vermeintlichen Reformverweigerern in Athen gut zu Gesicht. Der Schaden, den ihr Laissez-faire bei den Steuertricks der Konzerne anrichtet, steht den drohenden Verlusten durch Griechenlands Schulden in nichts nach.
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