100 Tage US-Präsident: Joe Bidens Methode? Überraschung durch Tiefstapeln
Nach Donald Trump waren die Erwartungen an Biden niedrig. Nach 100 Tagen zeigt sich: Die Aufgabe, es besser zu machen, hat er mehr als erfüllt. Ein Kommentar.
Nach vier Jahren Donald Trump waren die Hürden für Joe Biden denkbar niedrig. Er musste es einfach nur besser machen. Nun sind die ersten 100 Tage rum. Und obwohl Nachrichtenportale weltweit nach vier daueraufgeregten Jahren ein nachlassendes Interesse an Berichten aus der neuen Welt vermelden, sind es 100 geradezu revolutionäre Tage. Zu beobachten ist eine US-Regierung, die so wirkt, als habe sie sich während vier langer Jahre vorbereitet, das Ruder zu übernehmen, und die darum konzentriert und mit voller Kraft ablegen kann.
Die vielleicht wichtigste Erkenntnis: Es braucht keinen Super- oder Medien-Star im Weißen Haus, um das mächtigste Land der Welt zu regieren. Mindestens genauso zielführend ist es, wenn diese Aufgabe von einem Team angegangen wird. Ein solches Verständnis des Regierungsgeschäfts kann man als modern bezeichnen.
Nach Jahren, in denen Trump und vor ihm Barack Obama aus unterschiedlichen Gründen die Aufmerksamkeit magnetisch auf sich zogen, laufen Bidens Auftritte ungewohnt unspektakulär ab – und häufig sind sie auch überraschend schnell vorbei. Ein glänzender Redner ist der 78-Jährige nicht.
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Ist das schlimm? Eigentlich nicht. Denn anstelle des Präsidenten werben oft andere Regierungsmitglieder um Zustimmung für die anstehenden politischen Projekte, und Experten erklären sachlich, worauf es bei der Pandemie und anderen Krisen ankommt.
Ein Präsident, der Probleme nicht kleinredet
Wie die Regierung ihre selbstgesteckten Ziele – unter anderem beim Impfprogramm – erheblich schneller erreicht hat als angekündigt, verstärkt den Eindruck: Hier sind wieder Erwachsene am Werk. Dass wohl absichtlich niedrigere Zielmarken gesetzt wurden, um das positive Überraschungsmoment auszukosten, kann man als politische Trickserei abtun.
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Aber es ist ein durchaus bewährtes Mittel, das Biden nicht erfunden hat. Zudem unterscheidet sich diese Kommunikationsstrategie wohltuend von großmäuligen Versprechungen à la „Das Virus wird bald schon verschwinden“ oder „Wir lösen den Nahostkonflikt“, mit denen Trump so gerne Schlagzeilen machte.
Die nächsten Wahlen kommen bestimmt
Ein Präsident, der Probleme nicht kleinredet, sondern sie benennt und dennoch Hoffnung und Aufbruchsstimmung verbreitet, hat deutlich größere Chancen, langfristig erfolgreich zu sein. Ja, die Krisen und Probleme Amerikas, die nun Bidens Krisen und Probleme sind, sind gewaltig: allen voran die Folgen der Pandemie, die die sozialen Verwerfungen verstärkt, die tiefe Spaltung der Gesellschaft, die zahlreichen internationalen Konflikte, die den Präsidenten von Tag eins an fordern.
Aber mit der schnellen Verabschiedung des Corona-Hilfspakets haben seine Demokraten frühzeitig Handlungsfähigkeit demonstriert. Und die Zustimmung in der Bevölkerung zu weiteren billionenschweren Programmen ist hoch. Das ist wertvolles politisches Kapital, das schnell genutzt werden soll – die nächsten Wahlen kommen bestimmt.
Auch in der Außenpolitik wartet Biden nicht ab, bis die Frage geklärt ist, ob die USA noch als moralische Super Power taugen. Er handelt einfach und versucht, etwa beim Thema Klimaschutz, andere mitzuziehen. Das nennt man gute Führung. Die Partner goutieren das, die Rivalen respektieren es hoffentlich. Gut möglich, dass Biden die niedrigen Erwartungen gerade recht waren – er musste es ja nur besser machen. Nach 100 Tagen lässt sich festhalten: Diese Aufgabe hat er mehr als erfüllt.