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Sowohl die Anhänger als auch die Gegner eines Brexits berufen sich auf Sir Winston Churchill.
© AFP

Großbritannien und die EU: Jetzt soll Churchill über den Brexit entscheiden

Die Umfragen zum britischen EU-Referendum sind mal knapp, mal deutlich. Gegner und Befürworter kramen nun in der Geschichte. Die Wettquoten dagegen sind recht eindeutig.

To stay or not to stay – die Frage wird in knapp sechs Wochen geklärt sein. Dann haben die Briten sich entschieden. Dass das Referendum über den Austritt oder Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union näher rückt, Termin ist der 23. Juni, dass nun die heiße Phase beginnt, das erkennt man auch daran, dass die gegnerischen Lager Winston Churchill, den Superhelden der Landesgeschichte, auf die Bühne zerren und fragen: Wie hätte er sich entschieden?

Das ist zwar absurd, weil die Situation heute eine völlig andere ist als zu Lebzeiten des Premiers, dessen unentschiedenes Credo lautete, Britannien habe mit Europa zu tun, gehöre aber nicht dazu („with Europe, but not of it“). Aber das hält die Streithähne, insbesondere auf der Rechten, nicht davon ab, den 1965 gestorbenen Tory-Politiker zu verorten.

Der bekannte Historiker Andrew Roberts meint, Churchill würde für den Austritt votieren, eine Ansicht, die auch der populäre Austritts-Befürworter Boris Johnson teilt. Dagegen vertreten Premier David Cameron und der Churchill-Enkel Nicholas Soames, ein pro-europäischer Tory-Parlamentarier, die Meinung, Churchill sei kein „isolationist“ gewesen. Und Brexit bedeute Isolation, sagt Cameron. Dass Johnson nun die Einschätzung verkündete, die EU verfolge ein ähnliches Projekt wie Adolf Hitler, nur auf einem anderen Weg - den europäischen Superstaat nämlich - hat die Spaltung der Konservativen am Wochenende nochmals deutlich gemacht. Soames kommentierte mit einem gewissen Understatement, Johnson sei damit "zu weit gegangen".

Alte wollen raus, Junge möchten bleiben

Die Umfragen sind derweil nicht ganz eindeutig. Die Übersicht der „Financial Times“ ergab zuletzt einen knappen Vorsprung der Europa-Befürworter (46 Prozent) gegenüber den Austritts-Anhängern (43 Prozent), während elf Prozent noch nicht entschieden sind. Für den Austritt sind viele Ältere über 60 Jahre, während die Jugend (bis 24 Jahre) recht eindeutig für den Verbleib in der EU ist. Das gilt auch für die Anhänger von Labour und der Liberaldemokraten.

Bei den Wählern der Konservativen gibt es eine knappe Mehrheit für den Austritt, bei den Anhängern der Ukip-Partei (eine Art britische AfD) sind es nahezu alle. Die Schotten wollen mehrheitlich nicht raus (aus der EU; aber wenn es so käme, dann wohl doch aus der Union mit England). Die Arbeiterschaft neigt klar zum Austritt, die Besserverdienenden sind deutlich für die EU.

Doch zeigen die einzelnen Umfragen nach wie vor deutliche Unterschiede. Das Institut ICM kam zuletzt auf 46 Prozent für den Austritt, 44 Prozent für den Verbleib – YouGov dagegen auf 42 Prozent „stay“ und 40 Prozent „go“. Eine ORB-Umfrage im April ergab ein Patt von 50 zu 50 der Entschiedenen (unentschieden war hier freilich ein Fünftel der Befragten). Nun meldete ORB, dass 55 Prozent fürs Bleiben stimmen wollten, 40 Prozent für den Austritt. Survation und Ipsos Mori kamen zuletzt auf einen Zehnpunktevorsprung der Brexit-Gegner (49 zu 39 Prozent).

Aber es gibt noch andere Indikatoren. Denn das Wetten hat Brüssel den Briten noch nicht verboten. Und natürlich wird auf der Insel auch auf den Ausgang des Referendums Geld gesetzt. Vor dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum 2014 und der Parlamentswahl vor einem Jahr lagen die Wettquoten näher am späteren Ergebnis als die Umfragen. Und nach den Wettquoten läuft es aktuell auf einen Sieg des Pro-EU-Lagers hinaus und auf eine Niederlage der Brexit-Befürworter. Der Ökonom David Bell von der Universität Stirling hat aus dem Schnitt aller Wettquoten zuletzt eine Wahrscheinlichkeit von nur etwa einem Drittel für ein Austritts-Votum errechnet.

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