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Überzeugungsarbeit in Brüssel: Die britische Regierungschefin Theresa May am Sonntag.
© imago/Xinhua

Brexit-Deal: Jetzt erst beginnt Mays größte Schlacht

Die britische Regierungschefin May will den Brexit-Deal durchs Unterhaus bringen. Eines könnte ihr dabei zu Hilfe kommen: der Zeitfaktor. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es kommt nicht oft vor, dass ein EU-Gipfel so sang- und klanglos über die Bühne geht wie das jüngste Treffen zum Brexit. Wer sich aber jetzt besonders lautstark in Brüssel zu Wort meldete, war Theresa May. Die beim Gipfel abgesegnete Trennungsvereinbarung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich öffne den Weg in eine „bessere Zukunft“, versicherte sie. Wenn die Scheidung erst einmal endgültig vollzogen ist, kann Großbritannien nach den Worten der Premierministerin endlich der Bewegungsfreiheit von EU-Bürgern einen Riegel vorschieben, der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entkommen und muss nicht länger „riesige Summen“ nach Brüssel überweisen. Die Erklärung Mays war vor allem eines: der Auftakt einer Schlacht um die öffentliche Meinung, die in den nächsten Wochen über Großbritannien toben wird.

May möchte als Siegerin vom Platz gehen, wenn das Unterhaus vor Weihnachten über die Vereinbarung abstimmt, die beim EU-Gipfel soeben eine vergleichsweise niedrige Hürde genommen hat. Die Last-Minute-Verhandlungen zwischen Madrid, London und Brüssel um den Status der britischen Exklave Gibraltar waren nur ein Klacks im Vergleich zu dem, was May demnächst im britischen Parlament bevorsteht. Denn bis auf Weiteres ist überhaupt nicht absehbar, wie die britische Premierministerin eine Mehrheit für den Deal im Unterhaus zusammenbekommen will.

Drei Szenarien sind denkbar

Angesichts des Widerstands bei den Brexiteers im Lager der britischen Konservativen und bei den nordirischen Unionisten von der DUP wird auch auf dem Kontinent in den kommenden Wochen das Rätselraten über den Brexit weitergehen. Drei Optionen sind möglich. Erstens: Der Brexit kommt geregelt zu Stande und folgte damit dem Drehbuch, das im knapp 600 Seiten starken Austrittsvertrag beschrieben wird. Zweitens: Es kommt zum ungeregelten Brexit mitsamt einer Wiedereinführung von Zollkontrollen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Und als drittes Szenario bleibt ein zweites Referendum und ein Exit vom Brexit denkbar. Darauf wetten sollte man allerdings nicht.

May setzt auf die britische Öffentlichkeit

Dass May inmitten dieser chaotischen Lage gebetsmühlenhaft die Vereinbarung mit der EU als „einzig möglichen Deal“ verteidigt und sich unbeirrt zeigt, dürfte selbst ihren Gegnern Respekt einflößen. Der britischen Premierministerin geht es vermutlich weniger darum, die Brexiteers etwa von den Vorzügen der mühsam gefundenen Regelung für Nordirland zu überzeugen. Vielmehr dürfte sie darauf setzen, dass sich am Ende doch noch eine Mehrheit der Unterhausabgeordneten auf ihre Seite schlägt, je näher das Schreckensszenario eines „No Deal“ rückt. Gleichzeitig wähnt die Regierungschefin jenseits des Regierungsbezirks von Westminster nicht zu Unrecht eine öffentliche Meinung auf ihrer Seite, die mehrheitlich eines will: ein Ende der endlosen Scheidungsverhandlungen.

Aber auch wenn der EU-Austritt Großbritanniens am 29. März 2019 geregelt vonstatten geht, ist das Brexit-Drama nicht beendet. In Brüssel einigten sich die Gipfelteilnehmer darauf, dass beide Seiten langfristig eine Freihandelszone ohne Zölle anpeilen wollen. Es werden wohl Jahre vergeht, bevor ein entsprechendes Abkommen steht. So gesehen, markierte der Gipfel nicht den Anfang vom Ende der Brexit-Verhandlungen, sondern eher das Ende des Anfangs.

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