Jamaika-Sondierungen: Jamaika-Unterhändler wollen in Bildung und Digitalisierung investieren
Nachdem es in den Jamaika-Sondierungen gekracht hatte, bemühten sich Union, FDP und Grüne am Montag um einen umgänglichen Ton - und einigten sich über Grundsätze der Bildungs- und Digitalpolitik.
Man hört wenig von der Kanzlerin zur Zeit. Lächelnd geht sie die paar Schritte von der Limousine zur Tür der Parlamentarischen Gesellschaft, dorthin, wo CDU, CSU, FDP und Grüne um Leitlinien für eine Jamaika-Koalition ringen. Stunden später steigt sie dann meist wieder ins Auto, manchmal etwas angestrengt, immer, ohne etwas zu sagen. So geht das seit zwei Wochen, während Jamaika-Protagonisten wie Alexander Dobrindt, Jens Spahn, Christian Lindner, Wolfgang Kubicki, Katrin Göring-Eckardt, Cem Özdemir oder Jürgen Trittin an wenigen Mikrofonen vorbei gehen. Muss die Kanzlerin nicht eingreifen?
Das tut sie. Am Verhandlungstisch sowieso. Um nach einer ersten Sondierungsrunde zu Klimaschutz und Migration mit ziemlich viel Aufregung für etwas mehr Ruhe zu sorgen, hat sie CSU-Chef Horst Seehofer, FDP-Chef Lindner und Özdemir und Göring-Eckardt in der Bayerischen Landesvertretung getroffen. Als vertrauensbildende Maßnahme sollte das dreistündige, geheime Treffen am Sonntagabend verstanden werden. Wohl mit Erfolg.
Teilnehmer loben immer wieder die sachliche Atmosphäre
In die Sondierung am nächsten Morgen starten die möglichen Koalitionspartner jedenfalls ganz anders, als sie vergangene Woche auseinander gegangen sind. Lindner spricht in einem Facebook-Video vom „Mut-Montag“. Er meint das Thema Bildung, aber immerhin, das klingt positiv. Göring-Eckardt rät im Deutschlandfunk allen, „jetzt mal einen Gang runterzuschalten“. Das sei nicht einfach und brauche eben Zeit. Dobrindt, der CSU-Provokateur, bleibt zwar in seiner Rolle, hofft aber auf „mehr Vernunft“ (bei den anderen).
Und Seehofer gibt sich vorsichtig zuversichtlich: „Wir müssen ja eine stabile Regierung bilden, das wollen wir. Und dazu müssen wir vor allem inhaltlich ein Zukunftsprojekt formulieren.“ Er habe seit 1982 an allen Koalitionsverhandlungen teilgenommen, sagte der bayerische Ministerpräsident. „Die waren noch nie einfach, ganz gleich mit welchem Partner.“
Dass es am Montag als erstes um Bildung geht, passt gut zu den halbwegs geglätteten Wogen. Fast auf die Minute pünktlich nach zwei Stunden ist man denn auch erst mal durch. Und auch beim Thema Arbeit, Soziales, Rente und Pflege melden die Möchtegern-Koalitionäre um kurz nach 13.00 Uhr den Schluss der ersten Sondierungsrunde. Am Nachmittag geht es um die innere Sicherheit, nicht gerade ein Selbstläufer. Trotzdem loben Teilnehmer immer wieder die sachliche Atmosphäre.
"Der Pulverdampf vom letzten Donnerstag ist verflogen"
Als die Generalsekretäre am frühen Abend auftauchen, um Ergebnisse zu Bildung und Digitalisierung vorzustellen, hört man sie gemeinsam lachen, bevor sie zu sehen sind. Die Einigung auf mehr Investitionen in Bildung und Forschung scheint alle zufriedenzustellen. Die „Denkpause“ seit vergangenem Donnerstag habe gut getan, sagt Andreas Scheuer, CSU. „Der Pulverdampf vom letzten Donnerstag ist verflogen“, sagt Michael Kellner, Grüne. Eine „sehr aufgeräumte Arbeitsatmosphäre“ lobt Nicola Beer, FDP. Und Peter Tauber von der CDU betont: „Wir arbeiten in aller Ruhe.“
Die Ausgaben für Bildung und Forschung wollen sie bis zum Jahr 2025 auf insgesamt mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigern - wie, das ist noch nicht ganz klar: Zum bisherigen Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung heißt es in einem gemeinsamen Papier: „Über die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen muss noch gesprochen werden, insbesondere über die Frage des Kooperationsverbotes.“ Zudem wollen die möglichen Koalitionäre eine Modernisierung der Ausbildungsförderung BAföG erreichen, damit mehr Studierende als bisher einen Anspruch erhalten können.
Parteien wollen digitale Teilhabe allen Bürgern ermöglichen
Im Bereich der Digitalisierung wollen die vier Parteien die digitale Teilhabe aller Bürger ermöglichen und dabei die Sicherheit und die persönliche Freiheit jedes Einzelnen gewährleisten. Ein modernes Datenrecht soll digitale Bürgerrechte und die Datensouveränität gewährleisten. In den weiteren Sondierungen solle insbesondere darüber gesprochen werden, wie ein flächendeckender Breitbandausbau in Gigabitgeschwindigkeit bis zum Jahr 2025 erreicht werden könne.
Am Nachmittag begann dann die „Reflexionsrunde“ mit 50 Teilnehmern aller Sondierungsgruppen. Dabei soll es nicht so sehr ums Inhaltliche gehen, mehr um einen Erfahrungsaustausch.
Am Donnerstag sollen dann die beiden bisher größten Streitthemen, bei denen die Verhandler sich am schlimmsten in der Wolle hatten, wieder auf den Tisch kommen: Klima und Migration. Dann dürfte sich zeigen, ob die Parteien wirklich aufeinander zugehen, oder ob es wieder kracht. (dpa/Tsp)
Jörg Blank, Ruppert Mayr, Martina Herzog, Teresa Dapp