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Nach der Bundestagswahl 2017 könnte nach aktuellen Umfragen auch einen Jamaika-Koalition möglich sein.
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Bundestagswahl: Jamaika hätte den Schwung des Neuen

Eine mögliche Jamaika-Koalition aus Schwarz-Gelb-Grün wird sich nicht auf faulen Kompromissen ausruhen können. Dem Ansehen von Politik kann das nur förderlich sein. Ein Kommentar.

Von Antje Sirleschtov

Noch sieben Tage bis zur Bundestagswahl, doch zumindest das kann man jetzt schon sagen: Die Deutschen sind ihrer Kanzlerin vielleicht müde – aber nur ein bisschen. Geschieht nicht noch ein Wunder, wird Angela Merkel wohl weiter regieren.

Aber mit wem? Die Sozialdemokraten werden Argumente finden, um sich selbst die Fortsetzung der großen Koalition schmackhaft zu machen. Das also geht schon mal. Eine große Koalition aber wäre die Fortsetzung des Status quo mit einer kraftlosen Regierungschefin und einer gedemütigten SPD. Wonach sich das anfühlt? Nicht nach Veränderung oder gar Aufbruch. Dann schon eher nach einer immerwährenden Suche des kleinsten gemeinsamen Nenners.

Also ein Bündnis von Union, Liberalen und Grünen, Jamaika-Koalition genannt? Nur Angsthasen können hier gleich in Abwehrhaltung gehen. Alle drei Parteien regieren – in unterschiedlichen Konstellationen – schon jetzt in den Bundesländern und beweisen dort, dass sie sehr wohl in der Lage sind, Bewahrendes mit Veränderung zu verbinden. Warum sollte das im Bund nicht gelingen? Zumal ja in einer Koalition von drei (im Grunde vier) Parteien die Faszination schon im Kern angelegt ist, die darin liegt, dass man sich auf faulen Kompromissen nicht ausruhen kann. Denn einer wird immer dabei sein, der die Truppe in Schwung bringt. Und vielleicht gelingt es Liberalen und Grünen sogar, Merkel aus dem Reich des Ungefähren zu treiben, sie zur Positionierung zu zwingen. Dem Ansehen von Politik könnte das nur förderlich sein.

Grünen müssen Courage zeigen

Christian Lindner jedenfalls scheint die Chance des Augenblicks erkannt zu haben. Wenn er von seiner neuen FDP als Partei der „vernünftigen“ Mitte spricht, dann klingt das wie eine Art Versicherung, aus der Hybris der Westerwelle- FDP gelernt zu haben. Und natürlich auch nach Eingeständnis von Schwäche: Eben noch in der außerparlamentarischen Opposition, zieht Lindner mit einer Debütanten-FDP in den Bundestag. Und würde im Fall von Schwarz-Gelb von der Union gnadenlos überrollt. Mit Cem Özdemir am Tisch und Winfried Kretschmann im Hintergrund sähen Koalitionsverhandlungen aber auch für ihn ganz anders aus.

Doch wo bleiben die Grünen bloß? Jetzt ist die Gelegenheit, die Union zu einem Einwanderungsgesetz zu treiben, das ökonomisch geboten ist und human gestaltet werden muss. Wann, wenn nicht jetzt wollen die Grünen zeigen, dass sie das Klima schützen und gleichzeitig neue wirtschaftliche Potenziale entwickeln können? Ist das nicht genug? Ja, es stimmt, liberale und grüne Programme trennt viel. Aber reicht eine solche Feststellung schon, um sich vor Verhandlungen zu zieren oder den Ärger der linken Basisgruppen schon vorher zu fürchten?

Wenn das im Wahlkampf gezeigte Selbstvertrauen der Grünen nicht nur Pfeifen im Wald war, sie also gestalten wollen, statt weitere Jahre nur am Werk der anderen zu meckern, dann wäre jetzt der Moment, Courage zu zeigen. Entkleidet von aller Wahlkampfrhetorik treffen nämlich mit FDP und Grünen zwei aufeinander, die aus ihrem Standpunkt der gesellschaftlichen Mitte heraus der Wille eint, dieses Land moderner, vielfältiger, ja sogar gerechter zu machen. In der Wahl der Instrumente mögen sie unterschiedlicher Auffassung sein. Grund genug, den Weg nach Jamaika von vorneherein zu scheuen, ist das aber nicht.

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