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Matteo Salvini
© AFP/Miguel MEDINA

Matteo Salvini: Italiens Innenminister in Not

Der rechte Lega-Chef wird beim Thema Migration bloßgestellt – vom Fernsehen und der eigenen Regierung. Er reagiert entsprechend gereizt.

Es war eine denkwürdige Szene: Verbunden per Live-Schaltung hatte Matteo Salvini am Sonntagabend in einer TV-Talkshow gerade erklärt, dass die Häfen für NGO-Schiffe geschlossen blieben und kein einziger Flüchtling italienischen Boden mehr betrete. Da liest ihm der Moderator eine gerade dem Newsticker entnommene neue Agenturmeldung vor, wonach die 47 geretteten Flüchtlinge, die sich seit mehreren Tagen auf der „Sea Watch 3“ der gleichnamigen deutschen Hilfsorganisation befanden, in Lampedusa an Land gegangen seien.

Italiens Innenminister war sichtlich überrumpelt und blickte auf sein Mobiltelefon: „Während Sie das vorlesen, sehe ich es auch“, erklärte Salvini. Er hatte von nichts gewusst.

Dass er vor laufender Kamera bezüglich der geschlossenen Häfen korrigiert wurde, war für Salvini eine Schmach. Die Anordnung, die Flüchtlinge der „Sea Watch 3“ an Land gehen zu lassen, stammte vom Staatsanwalt von Agrigento, Luigi Patronaggio.

Dieser hat das Schiff zugleich beschlagnahmen lassen und gegen den Kapitän des Schiffs ein Ermittlungsverfahren wegen Begünstigung der illegalen Immigration eingeleitet. Als Salvini sich wieder gefasst hatte, unterstellte er dem sizilianischen Staatsanwalt, dass die Beschlagnahmung der „Sea Watch 3“ lediglich ein Vorwand gewesen sei, um die Flüchtlinge nicht mehr länger auf dem Schiff festzuhalten.

Auf den 61-jährigen früheren Mafia-Jäger Patronaggio ist Salvini schlecht zu sprechen. Der Staatsanwalt hatte im vergangenen August auch gegen den Innenminister ein Verfahren eingeleitet, weil er 177 Flüchtlinge auf dem Schiff „Diciotti“ der Küstenwache während fast zwei Wochen nicht hatte an Land gehen lassen. Der Vorwurf an den Innenminister: Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch.

Salvini konnte einen für ihn potentiell sehr gefährlichen Prozess dank seiner parlamentarischen Immunität vermeiden. Jetzt droht er dem Staatsanwalt, den Spieß umzudrehen: „Wir werden prüfen, ob er sich ebenfalls der Begünstigung der illegalen Einwanderung schuldig gemacht hat.“ Und: „Wenn der Patronaggio den Innenminister spielen will, dann soll er sich wählen lassen.“

Dem Innenminister, der sich seinen Anhängern kurz vor den Europawahlen noch einmal als „harten Hund“ empfehlen wollte, fährt inzwischen aber nicht nur die Justiz, sondern auch die eigene Regierung in die Parade. So wartet Salvini seit über einer Woche darauf, dass Regierungschef Giuseppe Conte und der Koalitionspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung, grünes Licht zu seinem neuen Sicherheitsdekret geben, mit dem saftige Geldstrafen für private Rettungsorganisationen eingeführt werden sollen. Künftig sollen nach dem Willen des Innenministers die NGOs zwischen 3500 und 5500 Euro Strafe pro gerettetem Flüchtling bezahlen.

In Umfragen hat die Lega bereits Prozente eingebüßt

Dass das Retten von Menschen zur Straftat gemacht werden soll, akzeptieren seine Koalitionspartner nicht. Die Verabschiedung des Dekrets ist in einer chaotischen Regierungssitzung in der Nacht auf gestern einmal mehr vertagt worden, obwohl Salvini auf einem sofortigen Beschluss bestanden hatte. Den Rückzug des Dekrets hat auch das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge verlangt.

Das UNHCR kritisiert, dass mit der Vorlage die Einhaltung der Menschenrechte sowie diverse völkerrechtliche Bestimmungen verletzt würden. Staatspräsident Sergio Mattarella ließ die Regierung informell wissen, dass das Sicherheitsdekret seiner Meinung nach in mehreren Punkten gegen die Verfassung verstoße.

Eine erste Niederlage hatte Salvini bereits vor knapp zwei Wochen einstecken müssen, als der Lega-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Armando Siri, von Regierungschef Conte gegen den Willen des Innenministers entlassen wurde. Gegen Siri wird wegen Bestechlichkeit ermittelt.

Die Korruptionsaffäre und letztlich die Entzauberung Salvinis als heimlicher Regierungschef hat sich auch in den Umfragen niedergeschlagen. Die Lega hat in den letzten Befragungen bis zu sechs Prozente eingebüßt. Der Parteichef ist entsprechend gereizt.

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