Europäische Union: Italien vertagt Arbeitslosen-Gipfel
Matteo Renzi verschiebt einen EU-Gipfel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Entscheidung, die offiziell mit Terminschwierigkeiten begründet wird, passt aber dem italienischen Regierungschef ganz gut ins Kalkül.
Es ist ein Thema, das vor allem für die EU-Länder Italien und Frankreich derzeit oberste Prioriät hat: die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Umso größer war die Überraschung, als Benedetto Della Vedova am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg erklärte, dass der ursprünglich für den 8. Oktober in Mailand geplante EU-Gipfel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verschoben wird. Ein neues Datum für das geplante Treffen nannte der Unterstaatssekretär im italienischen Außenministerium nicht.
Es ist bereits das zweite Mal, dass die gegenwärtig amtierende italienische Ratspräsidentschaft das Treffen wieder absagen muss. Ursprünglich hatte Italiens Regierungschef Matteo Renzi geplant, die sechsmonatige römische EU-Präsidentschaft Anfang Juli in Turin mit einem Gipfel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einzuläuten. Doch weil die Besetzung der neuen EU-Kommission unter dem Luxemburger Jean-Claude Juncker damals noch nicht feststand, wurde das Treffen kurzerhand wieder abgesagt. Stattdessen fasste Renzi den 8. Oktober als Gipfeltermin ins Auge und ließ seine EU-Partner wissen, dass er sich in Mailand eine breite Diskussion über Investitionen und Wachstumsimpulse wünsche. Für Italien als drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone hat das Thema eine entscheidende Bedeutung; im ersten und zweiten Quartal dieses Jahres gab es in dem EU-Gründungsland einen überraschenden Konjunkturrückgang.
Noch mehr als dem italienischen Regierungschef brennt das Thema der Jobflaute dem französischen Staatschef François Hollande unter den Nägeln. Sein Versprechen, den Trend einer stetig steigenden Arbeitslosigkeit bis zum Ende des vergangenen Jahres umzudrehen, hat sich längst in Luft aufgelöst: Im zweiten Quartal dieses Jahres stagnierte die Arbeitslosigkeit im Nachbarland bei 9,7 Prozent. Inzwischen genießt Hollande nur noch bei 13 Prozent der Franzosen Zustimmung - ein Negativ-Rekord.
Frankreichs Regierungschef Valls fordert größeren Beitrag von Deutschland
Gerade in Frankreich ist der Wunsch groß, Deutschland beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auf der EU-Ebene in die Pflicht zu nehmen. Bei seiner Regierungserklärung erklärte Ministerpräsident Manuel Valls am Dienstag vor der Nationalversammlung, Deutschland müsse sich bei der Ankurbelung der Konjunktur in der EU seiner Verantwortung stellen. Gleichzeitig erklärte Valls, der am kommenden Montag zu einem Besuch in Berlin erwartet wird, dass sich Frankreich bei seiner Haushaltspolitik von niemanden hineinreden lasse. In der vergangenen Woche hatte Frankreichs Finanzminister Michel Sapin angekündigt, dass sein Land die im Maastrichter Stabilitätspakt vorgesehene Neuverschuldungs-Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erst 2017 wieder einhalten werde.
Hollande hofft auf einen Stimmungswandel in der EU
Angesichts der schlechten Haushaltslage und des schwachen Wachstums setzt Hollande darauf, dass es auf europäischer Ebene zu einem Stimmungswandel kommt und die Sparpolitik gelockert wird. Der geplante EU-Gipfel in Mailand wäre deshalb aus französischer Sicht ein ideales Forum gewesen, um die gewünschte Neujustierung in die Wege zu leiten. Frankreichs Regierungssprecher Stéphane Le Foll betonte am Mittwoch denn auch, der Gipfel in Italien sei keineswegs abgesagt und nur aus Termingründen verschoben worden. In der Tat ballen sich im kommenden Monat die europäischen Großereignisse: Am 16. und 17. Oktober geht in Mailand der Europa-Asien-Gipfel über die Bühne, und Ende des Monats findet dann in Brüssel der nächste EU-Gipfel statt.
Möglicherweise ist es Renzi aber auch ganz recht, wenn das geplante Treffen nicht so bald stattfindet. Zunächst einmal will er den Haushalt für das kommende Jahr festzurren, und bis Ende des Jahres möchte der gegenwärtige EU-Ratspräsident eine umstrittene Arbeitsmarktreform durchs Parlament bringen. Es ist daher auch denkbar, dass die Absage des Oktober-Gipfels in Mailand einem schlichten Kalkül folgt: Zunächst will sich Renzi als Reformer bewähren - und dann umso vehementer auf EU-Ebene ein Investitionspaket zur Konjunkturbelebung fordern.