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Martin Schulz und Andrea Nahles beim Bundesparteitag der SPD im Dezember 2017 in Berlin.
© dpa/Kay Nietfeld

SPD-Bundestagsfraktion: Ist Nahles‘ Schwäche die letzte Chance für Martin Schulz?

Ex-SPD-Chef Martin Schulz wird nachgesagt, er wolle in seiner Partei wieder in die erste Reihe. Doch es gibt ein paar Hindernisse.

Martin Schulz ist einer der berühmtesten „Ehemaligen“ der SPD. Ehemaliger Präsident des EU-Parlaments, Ex-Parteichef, früherer Kanzlerkandidat, einstiger Hoffnungsträger. Jetzt ist er nur noch ein einfacher Bundestagsabgeordneter – und dennoch stiehlt er an diesem Donnerstagmorgen einer Frau aus der ersten Reihe die Schau: seiner Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles. Die hat gerade im Bundestag gesprochen, knapp zwölf Minuten spulte sie ihre Rede zur Lage Europas ab. Bemüht zwar, doch kein Vergleich zu dem, was Schulz gleich liefert.

Muss Nahles Angst vor Schulz haben?

Im dunkelblauen Anzug tritt er ans Rednerpult unter dem grauen Bundesadler. Während seiner Ansprache geht er immer wieder in die Knie, reißt die Augenbrauen hoch, wedelt energisch mit der Faust durch die Luft. Er wettert gegen die „Renationalisierung“ auf der Welt, lobt die SPD-Abschnitte im Koalitionsvertrag, weist CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zurecht. Es ist ein leidenschaftlicher Rundumschlag, ein emotionales Plädoyer für die Einheit Europas. In der SPD wäre man froh, wenn Nahles so reden könnte wie Schulz.

Muss die Parteichefin deswegen Angst vor ihm haben? Will ihr Vorgänger sie überflügeln – und bei der nächsten Gelegenheit nach dem Fraktionsvorsitz greifen?

„Ich glaube schon, dass er die Ambitionen hat,“ sagt eine SPD-Abgeordnete. Offen sprechen will in der Partei darüber aber niemand. Auch in Schulz‘ Büro heißt es auf Tagesspiegel-Anfrage: „Kein Kommentar.“

Doch Schulz‘ Name taucht immer wieder auf, wenn in der SPD über eine mögliche Nahles-Nachfolge spekuliert wird. Und die könnte recht bald anstehen. Gehen die nächsten zwei Wahlen – Europa und Bremen – für die Sozialdemokraten verloren, wäre Nahles zum Handeln gezwungen. Will sie sich dann noch an der Parteispitze halten, müsste sie wohl zumindest den Fraktionsvorsitz abgeben, um den Druck zu verringern. Ist das die Chance für Schulz?

"Es macht einfach keinen Spaß mehr"

Sollte Nahles Ende Mai den Teilrückzug antreten, für manche sozialdemokratische Abgeordnete wäre das ein Grund zum Aufatmen. Schon jetzt gebe es eine „größere werdende Gruppe“ in der Fraktion, die Nahles so schnell wie möglich loswerden wollte, erzählt eine Parlamentarierin. Sie vergleicht die Fraktionssitzungen unter Nahles‘ Leitung mit einem „Hühnerhaufen“. Alles laufe wild durcheinander. Ein Kollege klagt, Nahles mauere sich ein, arbeite nur mit ihren Vertrauten zusammen. Die Stimmung in der Fraktion ist im Keller. „Es macht einfach keinen Spaß mehr“, heißt es bei den Nahles-Gegnern.

Ob Schulz es besser machen könnte als die jetzige Chefin, darüber gehen die Meinungen auseinander. Hat er die nötige Kraft, um die Fraktion zu führen? Manche meinen: Nein. „Klar kann der das“, entgegnet ein Abgeordneter vom rechten Parteiflügel. Schließlich leitete Schulz fünf Jahre lang die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament. Auf der anderen Seite hat ihm die jahrelange Erfahrung als Europapolitiker in Berlin bislang auch nicht viel genutzt. Die Bundestagswahl verlor der SPD-Kanzlerkandidat krachend mit 20,5 Prozent der Stimmen.

Allerdings stehen die Genossen unter Nahles‘ Führung noch schlechter da, in den Umfragen bei rund 16 Prozent. Im Vergleich damit sieht der gefallene SPD-Star Schulz auf einmal gar nicht mehr so schlecht aus, auch wenn er für höhere Aufgaben in der Partei eigentlich als „verbrannt“ gilt. Viel Auswahl an Personal hat die SPD aber auch nicht. Im Gegensatz zu Nahles „denkbar peinlichen Auftritten in der Öffentlichkeit“, wie eine Abgeordnete es formuliert, wird Schulz nach wie vor als authentisch geschätzt. Einst gab es deswegen sogar einen richtigen Hype um seine Person. Aber ob das für ein Comeback reicht?

Neuer Favorit: Achim Post

Sollte Nahles nach der Bremen- und Europawahl tatsächlich vom Fraktionsvorsitz zurücktreten müssen, wäre Schulz nicht der einzige potentielle Nachfolger. Auch der Abgeordnete Achim Post wird als Kandidat für den Chefposten in der Fraktion gehandelt. In Parteikreisen räumt man ihm gute Chancen ein – erheblich bessere als Schulz.

Wie der Ex-Parteichef stammt auch Post aus Nordrhein-Westfalen und weiß somit diesen mächtigen Landesverband hinter sich. Eine einflussreiche Abgeordnete aus NRW hält Post für den Favoriten, auch aus inhaltlichen Gründen. Schulz sei mit seiner Europa-Leidenschaft etwas „monothematisch“ aufgestellt, sagt sie. „Achim Post aber hat die notwendigen Qualitäten, er könnte der SPD wieder ihren Stolz zurückgeben.“

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